VwGH 2001/08/0067

VwGH2001/08/006727.7.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, in der Beschwerdesache des Mag. T in W, vertreten durch Dr. Gerald Hausar, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerring 2/10-11, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 29. Dezember 2000, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2000-4766, betreffend Aussetzung eines Verfahrens zum Widerruf bzw. zur Einstellung von Notstandshilfe gem. § 38 AVG, den Beschluss

Normen

AlVG 1977 §24 Abs1;
AlVG 1977 §24;
AlVG 1977 §47 Abs1;
AVG §38;
B-VG Art137;
VwGG §34 Abs1;
AlVG 1977 §24 Abs1;
AlVG 1977 §24;
AlVG 1977 §47 Abs1;
AVG §38;
B-VG Art137;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

gefasst:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 2. April 1999 Arbeitslosengeld und erhielt dieses - nach der Aktenlage - im Sinne des § 47 Abs. 1 erster Satz AlVG bis 28. Oktober 1999 zuerkannt und ausbezahlt. Mit Bescheid vom 24. Jänner 2000 wurde dem Beschwerdeführer Notstandshilfe zunächst ab 7. Dezember 1999 zuerkannt. Der vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 25. Februar 2000 (durch ersatzlose Behebung des erstinstanzlichen Bescheides gem. § 66 Abs. 4 AVG) Folge gegeben und die Notstandshilfe in der Folge (formlos) ab 29. Oktober 2000 mit voraussichtlichem Anspruchsende

27. Oktober 2001 zuerkannt.

In weiterer Folge erlangte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice davon Kenntnis, dass im Zusammenhang mit der Frage, ob es sich bei dem anwartschaftsbegründenden Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers in der Zeit vom 1. September 1997 bis 1. August 1998 um ein der Arbeitslosenversicherungspflicht unterliegendes Dienstverhältnis gehandelt habe, ein Verfahren zur Feststellung der Versicherungspflicht bei der Wiener Gebietskrankenkasse anhängig sei. Nach Widerruf der Notstandshilfe wegen Auslandsaufenthalts des Beschwerdeführers für die Zeiträume vom 21. bis 23. November 1999 und vom 23. bis 28. Februar 2000 mit Bescheiden vom 7. Juni 2000 wurde seitens des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste der Leistungsbezug ab 1. April 2000 formlos eingestellt und mit Bescheid vom 7. August 2000

"das aufgrund ihres Antrages eingeleitete Verfahren für die Gebührlichkeit nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz ausgesetzt. Ab 1.4.2000".

Nach der Begründung dieses Bescheides, in welcher die Behörde zunächst § 38 AVG zitierte, habe das Ermittlungsverfahren ergeben ,

"dass nachstehende Vorfrage bei folgender Behörde rechtskräftig entschieden wird:

Bei der Wiener Gebietskrankenkasse ist ein Verfahren bezüglich Ihrer Versicherungspflicht bei der Fa. A. für den Zeitraum 1.9.97 bis 31.8.98 anhängig. Die regionale Geschäftsstelle hat sich entschlossen, das Verfahren auszusetzen."

Die belangte Behörde gab der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid, mit welchem - so die Deutung durch die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides -

"das Verfahren über die Gebührlichkeit von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung für die Zeit ab 1. April 2000 bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens vor der Wiener Gebietskrankenkasse VA-VR 1961969/00-Schu/Da, gemäß § 38 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 ... ausgesetzt wurde",

keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerde ist aus folgenden Gründen unzulässig:

§ 47 Abs. 1 AlVG idF der Novelle BGBl. I Nr. 47/1997 lautet:

"§ 47. (1) Wird der Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe anerkannt, so ist dem Leistungsbezieher eine Mitteilung auszustellen, aus der insbesondere Beginn, Ende und Höhe des Leistungsanspruches hervorgehen. Wird der Anspruch nicht anerkannt, so ist darüber dem Antragsteller ein Bescheid auszufolgen. Ausfertigungen, die im Wege der automationsunterstützten Datenverarbeitung erstellt wurden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung."

§ 24 AlVG, BGBl. Nr. 609/1977, lautet:

"Einstellung und Berichtigung des Arbeitslosengeldes

§ 24. (1) Wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt, ist es einzustellen; wenn sich eine für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebende Voraussetzung ändert, ist es neu zu bemessen.

(2) Wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, ist die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen."

Gem. § 38 AlVG sind die Bestimmungen des Abschnittes 1 des AlVG (und damit auch § 24 AlVG), gem. § 58 AlVG ist Artikel III AlVG (und damit auch § 47 AlVG) auf das Verfahren betreffend die Notstandshilfe (sinngemäß) anzuwenden.

Hat die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 47 Abs. 1 AlVG die Anerkennung von Ansprüchen in Form einer bloßen Mitteilung ausgesprochen und wird später die Leistung für einen Zeitraum abgelehnt, hat der Antragsteller nach § 47 Abs. 1 zweiter Satz AlVG den Anspruch auf Erlassung eines schriftlichen Bescheides (vgl. die Erkenntnisse vom 27. Juni 1985, 83/08/0213, 84/08/0045, und vom 31. Mai 2000, Zl. 98/08/0387). Die Erleichterung des § 47 Abs. 1 AlVG, Rechtswirkungen durch Zustellung einer bloßen Mitteilung auszulösen, ist somit auf die antragsgemäße Gewährung von Leistungen beschränkt; die Einstellung oder Berichtigung von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung gemäß § 24 Abs. 1 AlVG hat daher ausschließlich mit Bescheid unter den dort genannten Voraussetzungen zu erfolgen. Solange ein solcher Bescheid über die Einstellung der Leistung aber nicht erlassen ist, können die Rechtswirkungen der Unterbrechung des Leistungsbezuges auch nicht eintreten (vgl. die Erkenntnisse 8. September 1998, Zl. 98/08/0151, und vom 19. Jänner 1999, 96/08/0399).

In seinem Erkenntnis vom 14. März 2001, Zl. 2000/08/0178, hat der Verwaltungsgerichtshof das System des Rechtschutzes des AlVG im Falle einer im Sinne des § 47 Abs. 1 erster Satz AlVG zunächst formlos zuerkannten Leistung zusammenfassend wie folgt charakterisiert:

"Der Schutz, welchen § 24 AlVG der Partei vor einem willkürlichen Widerruf gewährter Geldleistungen gewähren soll, ersetzt in jenen Fällen, in denen eine Leistung ohne Erlassung eines Bescheides (§ 47 AlVG) antragsgemäß zuerkannt wurde, einerseits bis zu einem gewissen Grad die fehlende Rechtskraft, durchbricht aber auch diesen Schutz (und auch die Rechtskraft im Falle der bescheidmäßigen Zuerkennung) insoweit, als andererseits eine auch rückwirkende Korrektur der Leistung ohne Bindung an die strengen Voraussetzungen des § 69 AVG zulässig ist. Als Minimum an Voraussetzungen für eine rückwirkende Korrektur der Leistung muss aber - im Sinne des Gesetzeswortlautes - gelten, dass sich der Widerrufsgrund - aus welchen Gründen immer - erst nachträglich herausgestellt hat. Von dieser Voraussetzung ist zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nur dann abzusehen, wenn zugleich ein Rückforderungsgrund i.S. des § 25 Abs. 1 AlVG vorliegt: in jenen Fällen, in denen der Gesetzgeber sogar die Rückforderung zuerkannter Leistungen erlaubt (also den Schutz des guten Glaubens nicht gewährt), und § 25 Abs. 1 AlVG für die Rückforderung des Überbezuges die Richtigstellung der Leistung (bis hin zum Widerruf) voraussetzt, muss nämlich der Widerruf immer jedenfalls dann zulässig sein, wenn auch ein Rückforderungsgrund vorliegt. Dies ist z.B. dann denkbar, wenn zwar die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Leistung von Anfang an nicht vorlagen, zugleich aber der Empfänger der Leistung erkennen musste, dass die Leistung nicht gebührte.

Der Wortlaut des § 24 Abs. 2 AlVG (in Zusammenschau mit § 25 Abs. 1 AlVG) schließt aber eine Auslegung aus, nach welcher es der Behörde möglich wäre, eine von ihr ohne Erlassung eines Bescheides (§ 47 AlVG) gewährte Leistung auch dann nach Belieben rückwirkend zu widerrufen, wenn die Gewährung der Leistung erfolgte, obwohl deren Voraussetzungen nach der Aktenlage im Gewährungszeitpunkt offenkundig nicht vorlagen, sich deren Fehlen also nicht erst nachträglich herausgestellt hat und auch ein Rückforderungsgrund nach § 25 AlVG nicht vorliegt."

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist daher der Bund nicht nur im Falle einer - im Streitfall - bescheidmäßig zuerkannten, sondern auch im Falle einer gem. § 47 Abs. 1 erster Satz AlVG formlosen Zuerkennung einer Geldleistung verpflichtet, diese Geldleistung so lange zu gewähren, als nicht nachträglich ein Widerrufs- oder Einstellungsgrund hervorgekommen und der Widerruf oder die Einstellung mit Bescheid im Sinne des § 47 Abs. 1 zweiter Satz AlVG ausgesprochen worden ist. Eine "formlose" Einstellung der Leistung (durch schlichte Beendigung der Überweisungen) ist bis zur Erlassung eines solchen Widerrufs- bzw Einstellungsbescheides unzulässig und rechtlich in Bezug auf den Anspruch unwirksam; solange daher ein Bescheid über eine Einstellung oder einen Widerruf der Geldleistung im Sinne des § 24 AlVG nicht erlassen wurde, kann der Versicherte aufgrund seines fortbestehenden Leistungsanspruch die tatsächliche Zahlung der Leistungen durch Klage gegen den Bund gem. Art. 137 B-VG durchsetzen (vgl. zB VfSlg. 14419/1996).

Daraus ergibt sich aber, dass der Beschwerdeführer, dem Arbeitslosengeld und in der Folge Notstandshilfe im Sinne des § 47 Abs. 1 erster Satz AlVG formlos zuerkannt worden ist, durch einen Bescheid, mit welchem die regionale Geschäftsstelle ein Verfahren zum (möglichen) Widerruf oder zur Einstellung dieser Geldleistung bis zur (rechtskräftigen) Erledigung eines bei der Gebietskrankenkasse anhängigen Verfahrens zur Feststellung der Versicherungspflicht nach § 38 AVG ausgesetzt hat, in seinen Rechten unter keinen Umständen verletzt sein kann, da sein Anspruch auf Bezug der Notstandshilfe durch einen solchen Bescheid rechtlich nicht berührt wird.

Da der Beschwerdeführer somit durch den angefochtenen auf § 38 AVG gestützten Aussetzungsbescheid in seinen Rechten nicht verletzt sein kann, ist er auch zur Bekämpfung dieses Bescheides vor dem Verwaltungsgerichtshof mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit nicht legitimiert. Die Beschwerde war daher gem. § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff , insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Juli 2001

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