VwGH 2001/07/0017

VwGH2001/07/001727.7.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des JL in T, vertreten durch Mag. Alois Pirkner, Rechtsanwalt in 5580 Tamsweg, Marktplatz 8, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Salzburger Landesregierung vom 15. September 2000, Zl. LAS-4/9/5-2000, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens nach dem Salzburger Einforstungsrechtegesetz (mitbeteiligte Partei: Ö AG, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13a;
AVG §52;
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §13a;
AVG §52;
AVG §69 Abs1 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist als Eigentümer des F-Gutes in T laut Regulierungsurkunde Nr. 410/a/1866 in im Eigentum der mitbeteiligten Partei (MP) stehenden Wäldern holzbezugsberechtigt.

Die belangte Behörde wies mit Bescheid vom 26. November 1999, Zl. LAS-4/3/20-99, eine Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Brennholzauszeige für das Jahr 1996 im Instanzenzug ab. Im Verfahren erster Instanz waren diesbezüglich Gutachten des agrartechnischen Amtssachverständigen vom 23. Juni 1998, vom 28. August 1998 (ergänzt durch Erläuterungen in der Verhandlung vor der Agrarbehörde vom 9. September 1998) eingeholt worden, im Berufungsverfahren ein Gutachten des forstfachlichen Mitgliedes der belangten Behörde vom 10. November 1999. Das Gutachten des Amtssachverständigen erster Instanz umfasste unter anderem eine Zusammenstellung des gesamten vom Beschwerdeführer bezogenen Holzes hinsichtlich Masse und Qualität in einer mit "Zuordnung zu den einzelnen Sortimenten" überschriebenen Liste, in der die abgemessenen Mengen der einzelnen Sortimente an Holz (Prügelholz; Drehlinge; Nadelnutzholz besserer Güte; Nadelnutzholz geringerer Güte; erheblich krankes, aber nutzholztaugliches Holz; nicht mehr nutzholztaugliches Holz) aufscheinen. Das Gutachten enthält weiters unter Anwendung bestimmter Umrechnungsfaktoren berechnete Angaben der einzelnen Anteile dieser Sortimente (auch in fm und rm) und schließlich eine Zuteilung der solcherart vermessenen Sortimente zu Scheitern besserer und mittlerer Sorte und zu Prügelholz. Diese Zuteilung zeigte, dass dem urkundlichen Anspruch des Beschwerdeführers nach Pkt I der Regulierungsurkunde Genüge getan wurde.

Ein Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 26. November 1999 wurde mit hg. Beschluss vom 25. Mai 2000, Zl. 2000/07/0015, eingestellt, weil der Beschwerdeführer der an ihn ergangenen Aufforderung, die Mängel der gegen den angefochtenen Verwaltungsakt eingebrachten Beschwerde zu beheben, nicht fristgerecht nachgekommen war.

Mit hg. Beschluss vom 14. Dezember 2000, Zlen. 2000/07/0076, 2000/07/0077, wurden Anträge des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. auf Wiederaufnahme des mit Beschluss vom 25. Mai 2000 eingestellten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens abgewiesen.

Zwischenzeitig hatte sich der Beschwerdeführer am 13. Juli 2000 mit einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens über die Brennholzauszeige 1996 an die Agrarbehörde gewandt und sich auf ein eingeholtes Gutachten der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Dipl.Ing. N und Dipl.Ing. Dr. N vom 27. Juni 2000 berufen. Dieses Gutachten sei ihm am 29. Juni 2000 zugestellt worden. Das Sachverständigengutachten (in weiterer Folge: Privatgutachten) gelange zum Ergebnis, dass im bisherigen Verfahren die Holzqualität nicht ausreichend berücksichtigt worden und auch für einen Nichtfachmann erkennbar sei, dass keinesfalls den in der Urkunde festgelegten Kriterien entsprechendes Brennholz ausgezeigt worden sei. Diese neuen Tatsachen und Beweismittel hätten ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden können und allein oder in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt. Es lägen daher die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens vor. Die Nichtgeltendmachung im Verfahren sei ohne Verschulden des Antragstellers erfolgt, da dieser hinsichtlich der Möglichkeit der Einholung eines Privatgutachtens nicht entsprechend belehrt worden sei.

Die belangte Behörde führte über diesen Antrag am 15. September 2000 eine mündliche Verhandlung durch, in deren Rahmen das forstfachliche Mitglied des Landesagrarsenates zu dem vorliegenden Privatgutachten erklärte, dieses stütze sich zum einen auf die Befundaufnahmen der früheren Gutachten und zum anderen auf das Einforstungshandbuch aus dem Jahre 1999; letzteres sei aber irrelevant, weil für das im Jahr 1996 vorgezeigte Holz das Übereinkommen der mitbeteiligten Partei mit dem Verband der Einforstungsgenossenschaften aus dem Jahr 1963 gültig sei. Von den Privatgutachtern würden daher unrichtige Schlüsse gezogen. Das vorgelegte Privatgutachten liefere insbesondere keine Anhaltspunkte dafür, dass die dem abgeschlossenen Verfahren zu Grunde liegenden forstfachlichen Gutachten unrichtig seien.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 15. September 2000 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Landesagrarsenates vom 26. November 1999, Zl. LAS- 4/3/20-99, abgeschlossenen Verfahrens gemäß den §§ 69 und 70 Abs. 3 AVG abgewiesen. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des Inhaltes des Wiederaufnahmeantrages sowie des wesentlichen Inhaltes des Privatgutachtens begründete die belangte Behörde dies damit, dass ein Gutachten eines Privatsachverständigen grundsätzlich einen Wiederaufnahmegrund darstellen könne. Das nunmehr vorgelegte Gutachten stütze sich eindeutig auf dieselben Befundaufnahmen, die bereits Grundlage für die früheren forstlichen Gutachten gewesen seien. In diesem Falle sei aber darauf hinzuweisen, dass zwar neue Befundaufnahmen einen Wiederaufnahmegrund darstellen könnten, nicht jedoch neue Schlussfolgerungen oder etwa der Irrtum des Sachverständigen. Aus dem vorgelegten Gutachten selbst ergebe sich, dass zwar am 16. Juni 2000 eine Besichtigung des gelagerten Holzes stattgefunden habe, dass aber aus den früheren Gutachten die Zuordnung zu den einzelnen Sortimenten übernommen worden sei. Daraus ergebe sich, dass die Sachverständigen keine Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden hätten, erst nach Rechtskraft des in Wiederaufnahme gezogenen Bescheides festgestellt haben, oder dass ihnen solche Tatsachen nicht erst später zur Kenntnis gekommen seien, sodass ein Wiederaufnahmegrund nicht vorliege.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht. Der Beschwerdeführer führt aus, das vorgelegte Privatgutachten sei ein taugliches neues Beweismittel im Verständnis des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG. Es sei ein eigener Befund durch Durchführung eines Ortsaugenscheins, Besichtigung und Untersuchung des gelagerten Holzes, durch Erhebung des Herganges der Angelegenheit durch Konferenz mit dem Beschwerdeführer und durch Einsichtnahme und Berechnung anhand der Abmaßlisten der Ö AG aufgenommen worden. Dieser hätte auch zu neuen und entscheidenden Feststellungen über die Qualität des Holzes geführt, welche in den Vorgutachten nicht berücksichtigt worden seien. Die Qualität des Holzes sei im Unterschied zur Klassifizierung nicht Bestandteil des Gutachtens, sondern des Befundes. Dadurch seien die Privatsachverständigen aber auf Grund neuer Befundergebnisse zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Gutachten gelangt. Wenn ein Sachverständiger Tatsachen, die sich in dem Zeitraum ereignet haben, für den der inzwischen in Rechtskraft erwachsene Bescheid erlassen wurde, nachträglich aufdecke, erkenne oder feststelle, so könnten solche neuen Befundergebnisse durchaus einen Wiederaufnahmegrund abgeben.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten jeweils Gegenschriften, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbei geführt hätten.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bildet weder ein einem Sachverständigen in seinem Gutachten unterlaufener Irrtum noch neue Schlussfolgerungen eines dem Verwaltungsverfahren nicht beigezogenen Sachverständigen einen Wiederaufnahmegrund (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 19. April 1994, Zl. 90/07/0124). Sollte hingegen ein Sachverständiger Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden haben, erst nach Rechtskraft des Bescheides feststellen oder sollten solche Tatsachen einem Sachverständigen erst später zur Kenntnis kommen, so könnten solche neuen Befundergebnisse - die sich ja auf seinerzeit bestandene Tatsachen beziehen müssen - durchaus einen Wiederaufnahmegrund darstellen, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG gegeben sind (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1994, Zl. 93/08/0123, sowie vom 18. Mai 1994, Zl. 93/09/0226, u.a.).

Entscheidend ist im vorliegenden Fall daher die Frage, ob sich die Privatsachverständigen - wie von der belangten Behörde dargestellt - auf den Befund der bereits im Verfahren erstatteten Gutachten stützten oder ob sie - so der Beschwerdeführer - neue Tatsachen und neue Befundergebnisse feststellten und zur Grundlage ihrer gutachtlichen Schlüsse machten.

Vorauszuschicken ist, dass das Privatgutachten eine nachvollziehbare Trennung in "Befund" und "Gutachten" nicht aufweist. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Befund eines Gutachtens alle jene Unterlagen und die Art ihrer Beschaffung zu nennen, die für das Gutachten, das sich auf den Befund stützende Urteil, erforderlich sind. Der Befund ist die vom Sachverständigen vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen aus diesem Befund, zu deren Gewinnung der Sachverständige seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, stellen das Gutachten im engeren Sinn dar.

Am Beginn dieses Privatgutachtens verweisen die Sachverständigen auf einen durchgeführten Lokalaugenschein am 16. Juni 2000, auf eine ausführliche Besprechung des Sachverhaltes (mit dem Beschwerdeführer) und auf die Nachsendung von für das Gutachten erforderlichen Unterlagen und stellen den Verfahrensgang des wiederaufzunehmenden Verfahrens kurz dar. Dass insbesondere auf Grund des Lokalaugenscheins (neue) Feststellungen durch die Sachverständigen getroffen worden wären, die in einem gegenüber den vorliegenden Gutachten unterschiedlichen Befund gemündet hätten, geht aus dem Privatgutachten nicht hervor. Ganz im Gegenteil wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das - vom Amtssachverständigen erster Instanz erstellte - Beiblatt "Zuordnung zu den einzelnen Sortimenten" des Aktes des Landesagrarsenates Salzburg die Grundlage dieses Gutachtens bilde und näher bezeichnete Spalten dieses Beiblattes übernommen würden; dies vor dem Hintergrund, dass eine Überprüfung der Sortierung der einzelnen Stücke heute unmöglich sei. Ausdrücklich wird im Privatgutachten auch die Abmaßliste der MP als Grundlage der Beurteilung angeführt. Die Privatsachverständigen legten somit ihrer fachlichen Beurteilung die Tatsachenfeststellung, und damit die Befundaufnahme der Amtssachverständigen ausdrücklich zu Grunde.

In weiterer Folge werden - als Hauptinhalt des Privatgutachtens - vor allem auf Grundlage eines Einforstungshandbuches aus dem Jahre 1999 bezüglich der im erwähnten Beiblatt angeführten Sortimente andere Einstufungen (als Scheitholz bester oder mittlerer Qualität oder als Prügelholz) als in den im Verfahren erstatteten Gutachten getroffen. Die Einstufung der einzelnen Sortimente stellt aber eine Schlussfolgerung dar, zu deren Gewinnung sich die Sachverständigen unter Zugrundelegung bestimmter Berechnungsfaktoren ihrer besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen bedienten. Mit dem Privatgutachten wurde daher allenfalls auf Irrtümer im Bereich der im Verfahren eingeholten Gutachten der Amtssachverständigen hingewiesen; solche Irrtümer bzw. neue Schlussfolgerungen von Privatsachverständigen stellen aber - wie oben dargestellt - keinen Wiederaufnahmegrund für ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren dar. Die Wiederaufnahme eines Verfahrens dient nämlich nicht dazu, Versäumnisse während eines Verwaltungsverfahrens (hier: die versäumte Einholung eines Privatgutachtens) zu sanieren.

Wenn der Beschwerdeführer schließlich auch vor dem Verwaltungsgerichtshof vorbringt, er sei im Verfahren nicht ausreichend auf die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit hingewiesen worden, sich privater Sachverständiger zu bedienen und die Behörden hätten diesbezüglich ihre Manuduktionspflicht verletzt, so ist er darauf hinzuweisen, dass aus dem nach § 13a AVG zustehenden Recht auf die zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen nicht die Pflicht der Behörde zur Belehrung in der Sache selbst abgeleitet werden kann; die Belehrungspflicht der Behörde ist vielmehr auf verfahrensrechtliche Angelegenheiten eingeschränkt. Auf das Erfordernis der Widerlegung eines Amtssachverständigengutachtens auf gleicher fachlicher Ebene erstreckt sich die behördliche Anleitungspflicht hingegen nicht (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/07/0155, mwN).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Juli 2001

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