Normen
MRK Art13;
SPG 1991 §65 Abs1 idF 2000/I/085;
SPG 1991 §67;
SPG 1991 §77 Abs1;
MRK Art13;
SPG 1991 §65 Abs1 idF 2000/I/085;
SPG 1991 §67;
SPG 1991 §77 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- (EUR 1.090,09) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Hinblick auf das Ersuchen des Gendarmeriepostens Bad Hofgastein vom 18. Mai 2001, den Beschwerdeführer "zwecks Vornahme der erkennungsdienstlichen Behandlung und des Mundhöhlenabstrichs behördlich vorzuladen", erließ die Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau (die belangte Behörde) nachstehende Erledigung:
"Sehr geehrter Herr M.!
Sie stehen im Verdachtes, am 15.4.2001, gegen 23.45 Uhr, einer Person insgesamt 3 Ohrfeigen versetzt und ihr dadurch eine Perforation des linken Trommelfelles sowie eine Nasenbeinprellung zugefügt zu haben. Sie wurden wegen Verdacht des Vergehens der schweren Körperverletzung (§ 84 StGB) der Staatsanwaltschaft Salzburg angezeigt.
SPRUCH
Sie sind aufgrund des oben angeführten Sachverhaltes gemäß § 65 (1) Sicherheitspolizeigesetz erkennungsdienstlich zu behandeln und haben gemäß § 65 (4) Sicherheitspolizeigesetz an den dafür erforderlichen Handlungen mitzuwirken.
Sie haben sich zu diesem Zweck am 25. Juni 2001 zwischen 08.00 und 16.00 Uhr am Gendarmerieposten Bad Hofgastein einzufinden und sich der erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen.
Wenn Sie dieser Ladung ohne wichtigen Grund - zB Krankheit, Gebrechlichkeit, zwingende berufliche Behinderung, nicht verschiebbare Urlaubsreise - nicht Folge leisten, wird Ihre zwangsweise Vorführung veranlasst.
RECHTSGRUNDLAGE:
§ 19 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes und § 77
(2) i.V.m. 65 (4) Sicherheitspolizeigesetz.
BEGRÜNDUNG:
Da Sie der Aufforderung des Gendarmerieposten Bad Hofgastein, sich am 18.5.2001 zur erkennungsdienstlichen Behandlung dort einzufinden, nicht nachgekommen sind, war der gegenständliche Bescheid zu erlassen.
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
Gegen diesen Bescheid ist kein Rechtsmittel zulässig."
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Einleitend sei der Ordnung halber klargestellt, dass der angefochtenen Erledigung ungeachtet dessen, dass sie nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet ist, im Hinblick auf ihren normativen Gehalt zweifelsohne Bescheidcharakter zukommt.
§ 65 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz-SPG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 85/2000 lautet wie folgt:
"Erkennungsdienstliche Behandlung
§ 65. (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, einen Menschen, der in Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn der Betroffene im Rahmen krimineller Verbindungen tätig wurde oder dies sonst zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint."
Die amtswegige Vornahme einer erkennungsdienstlichen Behandlung (unter sicherheitspolizeilichen Gesichtspunkten) ist demnach klar an zwei Voraussetzungen geknüpft. Einerseits muss die betreffende Person in Verdacht stehen, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, andererseits muss sie im Rahmen krimineller Verbindungen tätig geworden sein oder es muss die erkennungsdienstliche Behandlung zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe dieser Person erforderlich scheinen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Juni 2001, Zl. 2000/01/0185 und Zl. 2000/01/0491).
Mit dem zweiten Tatbestandsmerkmal beschäftigt sich der bekämpfte Bescheid - offenkundig in Verkennung der Rechtslage - nicht einmal ansatzweise. Erst in ihrer Gegenschrift geht die belangte Behörde auf die "spezialpräventive Erforderlichkeit" der von ihr angeordneten erkennungsdienstlichen Behandlung ein. Diese folgere aus der Eigenart des anlassgebenden Gewaltdeliktes; der Beschwerdeführer habe die Tathandlung im eigenen Gastgewerbebetrieb gesetzt und einen Kunden durch mehrere Ohrfeigen schwer am Körper verletzt; daraus resultiere die "deliktsspezifische Rückfallsprognose und es lagen keine konkreten Umstände in der Person des Verdächtigen vor, die ausnahmsweise als Kontraindikationen ein spezialpräventives Bedürfnis ausschlossen, zB dass ihm die physische Fähigkeit zur Tatwiederholung fehlte".
Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen in der Gegenschrift eine ordnungsgemäße Bescheidbegründung nicht zu ersetzen vermag und weiter abgesehen davon, dass im gegebenen Zusammenhang § 65 Abs. 1 SPG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 85/2000 zitiert wird, ist hiezu auszuführen, dass die konstatierte "deliktsspezifische Rückfallsprognose" näher darzulegen und auch die Persönlichkeit des Beschwerdeführers miteinzubeziehen gewesen wäre. § 65 Abs. 1 SPG kann jedenfalls nicht so verstanden werden, dass das normierte zweite Tatbestandselement ("wenn der Betroffene im Rahmen krimineller Verbindungen tätig wurde oder dies sonst zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint") immer schon dann gegeben sei, wenn nicht ausnahmsweise ein spezialpräventives Bedürfnis ausgeschlossen werden könne. Es bedarf nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Bestimmung im Gegenteil der Beurteilung, dass derartige spezialpräventive Bedürfnisse konkret vorhanden seien.
Abschließend sei im Hinblick auf das Ersuchen des Gendarmeriepostens Bad Hofgastein, den Beschwerdeführer auch zwecks Vornahme eines Mundhöhlenabstriches behördlich vorzuladen, darauf hingewiesen, dass DNA-Untersuchungen vor dem Hintergrund des § 67 SPG nur dann erfolgen dürfen (Art. 13 EMRK), wenn die formlose Aufforderung nach § 77 Abs. 1 SPG bzw. eine - im Fall ihrer Nichtbefolgung - daran anschließende bescheidmäßige Verpflichtung dies unmissverständlich zum Ausdruck bringen.
Im Hinblick auf den oben dargestellten Rechtsirrtum ist der bekämpfte Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 11. Dezember 2001
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