Normen
FrG 1993 §15 Abs1 Z1;
FrG 1993 §15 Abs1 Z2;
FrG 1993 §15 Abs1 Z3;
FrG 1993 §15 Abs1;
FrG 1993 §15 Abs3;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
FrG 1997 §107 Abs1 Z4;
FrG 1997 §108 Abs1;
FrG 1997 §31 Abs1;
FrG 1997 §31 Abs2;
FrG 1997 §31 Abs3;
FrG 1997 §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
FrG 1993 §15 Abs1 Z1;
FrG 1993 §15 Abs1 Z2;
FrG 1993 §15 Abs1 Z3;
FrG 1993 §15 Abs1;
FrG 1993 §15 Abs3;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
FrG 1997 §107 Abs1 Z4;
FrG 1997 §108 Abs1;
FrG 1997 §31 Abs1;
FrG 1997 §31 Abs2;
FrG 1997 §31 Abs3;
FrG 1997 §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Ein Aufwandersatz findet nicht statt.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 29. Mai 1998 wurde der Beschwerdeführer wie folgt für schuldig befunden:
"Sie haben
a) sich am 11.05.1998 in Salzburg, Münchner Bundesstraße 202 als passpflichtiger Fremder im Bundesgebiet aufgehalten und haben Ihr Reisedokument gemäß § 32 Abs. 2 FrG nicht mitgeführt und
b) sich als Fremder am 11.05.1998 in Salzburg, Münchner Bundesstraße 202 aufgehalten und haben es unterlassen, den abgelaufenen Aufenthaltstitel, gültig bis zum 19.03.1996, fristgerecht verlängern zu lassen."
Der Beschwerdeführer habe daher zu a) die Rechtsvorschriften des § 108 Abs. 1 Z 2 iVm § 32 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, und zu b) § 107 Abs. 1 Z 4 iVm § 31 Abs. 3 Z 2 FrG verletzt, weshalb über ihn zwei Geldstrafen in Höhe von jeweils S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils 4 Tage) verhängt wurden.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde über die gegen das Straferkenntnis erhobene Berufung wie folgt abgesprochen:
"Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG wird der Berufung zu lit. a) dahingehend Folge gegeben, dass die verhängte Geldstrafe auf S 1.000,-- herabgesetzt wird; zu lit. b) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Bei der Tatumschreibung des angefochtenen Straferkenntnisses wird bei lit. a) nach dem Datum '11.5.1998' die Wortfolge 'von der Zurückschiebung aus Deutschland bis zur Verhängung der Schubhaft' ergänzt.
Bei der Tatumschreibung im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wird die Wortfolge: 'gemäß § 32 Abs. 2 Fremdengesetz nicht mitgeführt' durch die Wortfolge 'nicht mitgeführt oder gemäß § 32 Abs. 2 Fremdengesetz verwahrt' ersetzt.
Bei der Tatumschreibung im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wird bei lit. b) die Wortfolge 'und haben es unterlassen, den abgelaufenen Aufenthaltstitel, gültig bis 19.3.1996, fristgerecht verlängern zu lassen' durch die Wortfolge 'und war dieser Aufenthalt rechtswidrig, weil keine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne des § 31 vorlag' ersetzt.
Bei lit. a) wird bei der Strafnorm 'letzter Teilsatz' ergänzt.
Bei lit. b) hat bei der verletzten Rechtsvorschrift 'Abs. 3 Z 2' zu entfallen.
Gemäß § 65 VStG entfällt ein Kostenbeitrag zu lit. a).
Der Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren beträgt zu lit. b) gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG S 400,--."
Dazu stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer habe bis zum 19. März 1996 über eine gültige Aufenthaltsbewilligung verfügt, danach unternommene Versuche zur Erlangung einer neuerlichen Aufenthaltsbewilligung seien erfolglos geblieben. Am 8. Mai 1998 habe der Beschwerdeführer versucht, am ehemaligen Grenzübergang Walserberg - Autobahn in die Bundesrepublik Deutschland auszureisen. Bei einer Kontrolle durch bayrische Beamte sei festgestellt worden, dass er als passpflichtiger Fremder nicht im Besitz eines Reisedokumentes sei. Er sei daher festgenommen und am 11. Mai 1998 nach Österreich zurückgeschoben worden.
Zu der unter Punkt a) bezeichneten Verwaltungsübertretung sei festzuhalten, dass der Beschwerdeführer sein Reisedokument zum Tatzeitpunkt unbestritten nicht mit sich geführt, sondern in Wien aufbewahrt habe. Da der Fremde gemäß § 32 Abs. 2 FrG alternativ verpflichtet sei, ein Reisedokument mit sich zu führen oder in einer solchen Nähe aufzubewahren, dass es ohne Aufwand beigeschafft werden könne, habe die belangte Behörde die Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnis zu korrigieren. Die erstinstanzlich verhängte Strafe sei im Hinblick auf den Strafrahmen des § 108 Abs. 1 FrG zu hoch bemessen und daher herabzusetzen.
Das Tatbild der unter Punkt b) bezeichneten Verwaltungsübertretung habe der Beschwerdeführer verwirklicht, da er zum Tatzeitpunkt zweifellos ohne irgendeine Aufenthaltsberechtigung im Sinne des § 31 leg. cit. aus Deutschland zurückgeschoben worden sei. Subjektiv sei ihm vorsätzliches Verhalten anzulasten, da ihm die Rechtswidrigkeit seines Aufenthaltes über lange Zeit bewusst gewesen sei. Der von ihm eingewendete Notstand, er hätte wegen seiner bisherigen Integration in Österreich keine andere Möglichkeit gehabt, als nicht auszureisen, liege nicht vor, da keinesfalls davon ausgegangen werden könne, dass das dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemachte Delikt der einzige Ausweg gewesen sei. Die diesbezüglich verhängte Strafe erscheine angemessen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
I. Zur Übertretung des § 32 Abs. 2 FrG:
Gemäß § 32 Abs. 2 FrG sind Fremde verpflichtet, ihr Reisedokument mit sich zu führen oder in einer solchen Entfernung von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass seine Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann.
Gemäß § 108 Abs. 1 Z 2 FrG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3.000,-- zu bestrafen, wer sein Reisedokument nicht mit sich führt oder gemäß § 32 Abs. 2 FrG verwahrt.
Zutreffend hat die belangte Behörde zunächst erkannt, dass die Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses durch die (bloße) Anlastung des Nicht-mit-sich-Führens des Reisedokuments in Ansehung des als verletzt angelasteten Tatbestandes nicht hinreichend war. Im Bescheidspruch (und nicht bloß in der Begründung des Bescheides) bedarf es der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift erforderlich sind.
Im angefochtenen Bescheid wird der Spruchteil a) des Straferkenntnisses (abgesehen von der Präzisierung der Tatzeit) jedoch nur durch die Wortfolge "oder gemäß § 32 Abs. 2 Fremdengesetz verwahrt" ergänzt. Abgesehen davon, dass es nach der hg. Judikatur zu § 44a Z 1 VStG nicht genügt, anstelle der erforderlichen Umschreibung des Verhaltens des Beschuldigten die Gebotsnorm paragraphenmäßig zu zitieren (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 unter E. 42 zu § 44a VStG wiedergegebene hg. Rechtsprechung), übersieht die belangte Behörde, dass zum Zeitpunkt der von ihr vorgenommenen Ergänzung der Tatumschreibung bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterbricht eine Verfolgungshandlung nur dann die Verjährung, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl. Walter/Thienel, aaO, E. 86 zu § 32 VStG). Eine Verfolgungshandlung hinsichtlich der im angefochtenen Bescheid ergänzten Tatbetandselemente wurde nach dem Ausweis der von der belangten Behörde vorgelegten Aktenkopien erst mit dem angefochtenen Bescheid (und damit nach Ablauf der im § 31 Abs. 2 VStG normierten Verfolgungsverjährungsfrist) gesetzt.
II. Zur Übertretung des § 107 in Verbindung mit § 31 FrG:
Gemäß § 107 Abs. 1 Z 4 FrG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 31 FrG).
§ 31 Abs. 1 bis 3 FrG lautet:
"Rechtmäßiger Aufenthalt
§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1. wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Hauptstückes und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind oder
2. wenn sie auf Grund eines Aufenthaltstitels oder einer Verordnung für Vertriebene (§ 29) zum Aufenthalt berechtigt sind oder
3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind oder
4. solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zukommt.
(2) Auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 halten sich Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§ 4 Abs. 4) oder internationaler Gepflogenheit rückgenommen werden mussten oder auf Grund einer Durchbeförderungserklärung (§ 58) oder einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 67 des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes (ARHG), BGBl. Nr. 529/1979, eingereist sind oder wenn ein Vertragsstaat über sie einen Zurückweisungstatbestand mitgeteilt hat.
(3) Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes eines Fremden im Bundesgebiet richtet sich nach
1. der durch zwischenstaatliche Vereinbarung, Bundesgesetz oder Verordnung getroffenen Regelung oder
2. der Befristung des Einreise- oder Aufenthaltstitels."
Die belangte Behörde erkannte auch zu Punkt b) des Straferkenntnisses zunächst zutreffend, dass die Tatanlastung, der Beschwerdeführer habe sich im Bundesgebiet aufgehalten und "habe es unterlassen, den abgelaufenen Aufenthaltstitel ... fristgerecht verlängern zu lassen" kein nach dem Fremdengesetz strafbares Verhalten darstellt. Eine Verpflichtung des Fremden, eine Berechtigung zu erwerben oder verlängern zu lassen, kann dem FrG nämlich nicht entnommen werden.
Soweit die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid eine Richtigstellung dieser Tatumschreibung versucht, übersieht sie auch in diesem Punkt, dass dem Beschwerdeführer die für eine ausreichende Tatumschreibung im Sinne des § 44a Z. 1 VStG erforderlichen Tatbestandsmerkmale nicht innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist angelastet wurden:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Fremdengesetz 1992 kommt eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes nach § 82 Abs. 1 Z 4 Fremdengesetz 1992 rechtens nur in Betracht, wenn keine der im § 15 Abs. 1 (Z 1 bis 3) leg. cit. angeführten Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthaltes gegeben ist, sowie dann, wenn die Rechtmäßigkeit eines Aufenthaltes gemäß § 15 Abs. 3 Fremdengesetz 1992 geendet hat. Im Spruch des Straferkenntnisses ist die als erwiesen angenommene Tat daher, um den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG zu entsprechen, durch Verneinung aller drei im § 15 Abs. 1 Fremdengesetz 1992 genannten alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes oder - im Fall des § 15 Abs. 3 FrG - durch Verneinung einer weiter bestehenden Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes zu umschreiben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. April 2001, Zl. 97/21/0633 und Zl. 98/21/0402). Da
§ 82 Abs. 1 Z 4 Fremdengesetz 1992 wörtlich mit
§ 107 Abs. 1 Z 4 FrG ident ist und auch die Bestimmungen des § 15 Abs. 1 bis 3 Fremdengesetz 1992 im Wesentlichen (neben terminologischen Adaptierungen) in § 31 Abs. 1 bis 3 FrG übernommen wurden, ist an der genannten Judikatur auch im Hinblick auf die im vorliegenden Fall anzuwendende Rechtslage festzuhalten.
Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer innerhalb der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG weder das nach § 107 Abs. 1 Z 4 FrG wesentliche Tatbestandsmerkmal des "nicht rechtmäßigen" Aufenthaltes im Bundesgebiet noch das Fehlen der in § 31 FrG genannten alternativen Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt angelastet.
Da die belangte Behörde dies verkannte und den Schuldspruch bestätigte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Eine Entscheidung über einen Aufwandersatz war mangels eines auch nur allgemein gehaltenen Antrages des Beschwerdeführers nicht zu treffen (§ 59 Abs. 1 VwGG).
Wien, am 30. Mai 2001
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