VwGH 2000/09/0070

VwGH2000/09/007018.12.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerden des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol jeweils vom 2. Februar 2000, Zlen. uvs-1999/12/156-7 (betreffend den Drittmitbeteiligten), uvs-1999/12/157-6 (betreffend den Erstmitbeteiligten) und uvs-1999/12/158-6 (betreffend den Zweitmitbeteiligten), jeweils betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem AuslBG (mitbeteiligte Parteien: 1. J M in Telfs, 2. B B in Pfaffenhofen und 3. H M in Mötz), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §2 Abs4;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AVG §38;
VStG §25 Abs2;
VStG §51i;
VwRallg;
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §2 Abs4;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AVG §38;
VStG §25 Abs2;
VStG §51i;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnissen vom 30. September 1999 wurden der Erstmitbeteiligte und der Zweitmitbeteiligte schuldig erkannt, sie hätten es als persönlich haftende Gesellschafter und somit als zur Vertretung nach außen befugte Organe der Firma "M OEG" mit dem Sitz in 6405 Pfaffenhofen zu verantworten, dass der bosnische Staatsangehörige H M (der Drittmitbeteiligte) durch obgenanntes Unternehmen im Zeitraum vom 7. April 1998 bis zumindest 28. Mai 1999 beschäftigt worden sei, ohne dass für ihn eine erforderliche gültige Beschäftigungsbewilligung, Arbeitserlaubnis oder ein gültiger Befreiungsschein vorgelegen sei. Für diesen, ebenfalls persönlich haftenden Gesellschafter der Firma "M OEG" sei auch kein Feststellungsantrag im Sinne des § 2 Abs. 4 AuslBG eingebracht worden. Der Erst- und der Zweitmitbeteiligte hätten dadurch die Rechtsvorschrift des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 "und 2 Abs. 4" AuslBG verletzt und seien wegen dieser Verwaltungsübertretung jeweils mit S 10.000,-- gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 "und 2 Abs. 4" AuslBG zu bestrafen gewesen.

Mit weiterem Straferkenntnis (ebenfalls) vom 30. September 1999 wurde auch der Drittmitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es als persönlich haftender Gesellschafter und somit als zur Vertretung nach außen befugtes Organ der Firma "M OEG" mit dem Sitz in 6405 Pfaffenhofen zu verantworten, "dass Sie für diese Firma im Zeitraum vom 7.4.1998 bis zumindest 28.05.1999 Arbeitsleistungen erbracht haben. Seitens obgenannter Firma wurde es jedoch unterlassen, einen Feststellungsantrag gemäß § 2 Abs. 4 Ausländerbeschäftigungsgesetz hinsichtlich ihrer Beschäftigung zu beantragen". Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 "und 2 Abs. 4" AuslBG verletzt und sei - ebenfalls - mit S 10.000,-- gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit "§ 3 Abs. 1 und 2 Abs. 4" AuslBG zu bestrafen gewesen.

Die Behörde erster Instanz ging bei Erlassung ihrer Straferkenntnisse in allen Verfahren übereinstimmend davon aus, im Zuge der Eintragung der Gesellschaft als OEG im Frühjahr 1998 sei allen Mitbeteiligten seitens des Unternehmensberaters C F in Innsbruck mitgeteilt worden, dass alle drei Gesellschafter im Unternehmen selbständig sein könnten und es ansonsten keiner weiterer Genehmigungen bedürfe. Die diesbezügliche Bestätigung sei der Strafbehörde erster Instanz vorgelegt worden. Einen Hinweis auf die Notwendigkeit hinsichtlich des ausländischen Gesellschafters, einen Feststellungsantrag im Sinn des § 2 Abs. 4 AuslBG zu stellen, hätten sie nie erhalten und auch nicht gewusst, dass ein derartiger Antrag gesetzlich vorgeschrieben sei. Die Strafbehörde gehe aber davon aus, dass für den bosnischen Staatsangehörigen H M (den Drittmitbeteiligten) ein Feststellungsantrag im Sinn des § 2 Abs. 4 AuslBG hätte eingebracht werden müssen. Dieser Antrag sei jedoch weder von diesem noch von den beiden anderen persönlich haftenden Gesellschaftern der Firma gestellt worden. Auf Grund der Ermittlungen stehe unzweifelhaft fest, dass der Drittmitbeteiligte als Gesellschafter Arbeitsleistungen für die OEG erbracht habe. Gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG liege eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 leg. cit. insbesondere auch dann vor, wenn ein Gesellschafter einer Personengesellschaft zur Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszweckes Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringe, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet würden, es sei denn, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice stelle auf Antrag fest, dass ein wesentlicher Einfluss auf die Geschäftsführung durch den Gesellschafter tatsächlich persönlich ausgeübt werde. Den Nachweis hiefür habe der Antragsteller zu erbringen. Da dieser Nachweis von keinem der drei persönlich haftenden Gesellschafter erbracht worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diese Straferkenntnisse erhoben die Mitbeteiligten Berufungen.

Mit den angefochtenen Bescheiden vom 2. Februar 2000 behob die belangte Behörde die erstinstanzlichen Straferkenntnisse ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 24, 51, 51c und 51e Abs. 2 Z. 1 VStG und stellte die Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG ein. Sie begründete dies im Wesentlichen einerseits damit, die Unterlassung eines Feststellungsantrages nach § 2 Abs. 4 AuslBG unterliege keiner Strafsanktion, und andererseits damit, der Drittmitbeteiligte könne sich als gleichberechtigter Gesellschafter der OEG nicht selbst beschäftigen; überdies habe er seine Tätigkeit auf Grund einer gewerberechtlichen Bewilligung ausgeübt.

In seiner auf Art. 131 Abs. 2 B-VG i.V.m. § 28a Abs. 1 AuslBG gestützten Amtsbeschwerde macht der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit geltend, die belangte Behörde habe die Vorschrift des § 2 Abs. 4 AuslBG unrichtig angewendet, weil auch Gesellschafter einer Personengesellschaft in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit tätig sein könnten. § 2 Abs. 4 AuslBG knüpfe die Legalität der Beschäftigung eines dieser Bestimmung unterliegenden Personengesellschafters an das Vorliegen eines Feststellungsbescheides. Auch wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, die Straferkenntnisse für den Fall zu korrigieren, dass diese nicht den Anforderungen des § 44a VStG entsprächen. Auch sei zu Unrecht die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung unterlassen worden.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerden beantragt wird. Die Mitbeteiligten erstatteten keine Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die wesentlichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975 in der in den Beschwerdefällen anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 78/1997, lauten:

"§ 2. (1) Als Ausländer im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt, wer nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt.

(2) Als Beschäftigung gilt die Verwendung

  1. a) in einem Arbeitsverhältnis,
  2. b) in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht auf Grund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird,...".

(4) Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 liegt insbesondere auch dann vor, wenn

1. ein Gesellschafter einer Personengesellschaft zur Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszweckes oder

2. ein Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Geschäftsanteil von weniger als 25% Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, es sei denn, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice stellt auf Antrag fest, dass ein wesentlicher Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den Gesellschafter tatsächlich persönlich ausgeübt wird. Den Nachweis hiefür hat der Antragsteller zu erbringen."

"§ 3. (1) Ein Arbeitgeber darf, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung oder eine EU-Entsendebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.

(2) Ein Ausländer darf, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, eine Beschäftigung nur antreten und ausüben, wenn für ihn eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung oder eine EU-Entsendebestätigung ausgestellt wurde oder wenn er eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt."

"§ 28. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen,

1. wer

a) entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§§ 4 und 4c) erteilt noch eine Anzeigebestätigung (§ 3 Abs. 5) oder eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§ 15 und 4c) ausgestellt wurde,.. bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafen von 10.000 S bis zu 60.000 S, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 20.000 S bis zu 120.000 S, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 20.000 S bis zu 120.000 S, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 40.000 S bis zu 240.000 S."

Dass im Beschwerdefall Arbeitsleistungen, die "typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden", erbracht wurden (Tischlerarbeiten), ist in den Beschwerdefällen unstrittig. Auch ist angesichts des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes nicht zweifelhaft, dass der Drittmitbeteiligten im Tatzeitpunkt wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der M OEG tatsächlich persönlich ausübte und - sieht man vorerst vom Erfordernis eines Feststellungsbescheides nach § 2 Abs. 4 AuslBG ab - hinsichtlich seiner Betätigung als Geschäftsführer nach bisheriger Rechtsprechung nicht als abhängiger Arbeitnehmer dieser Gesellschaft zu qualifizieren war (vgl. hiezu auch die hg. Erkenntnisse vom 18. Februar 1988, Zl. 87/09/0267, vom 25. April 1990, Zl. 89/09/0146, und vom 4. Mai 1990, Zlen. 89/09/0152 und 0156).

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 29. November 2000, Zl. 98/09/0283, auf welches im Übrigen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt, dass auf Grund des im § 51i VStG verankerten Unmittelbarkeitsgrundsatzes eine Bindung der Verwaltungsstrafbehörde (hier: an das Vorliegen eines Feststellungsbescheides) an sich problematisch sei und daher nur in engen Grenzen in Betracht kommen könne, sowie dass die Berufungsbehörde nach dem im Verwaltungsstrafverfahren geltenden Grundsatz der materiellen Wahrheit grundsätzlich verpflichtet sei, die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände (sowohl hinsichtlich der objektiven wie der subjektiven Tatseite) in gleicher Weise zu berücksichtigen wie belastende (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, siebente Auflage 1999, Rz 323 und 826 und die dort angegebene hg. Judikatur), dass aber dennoch eine Auslegung des § 2 Abs. 4 zweiter Satz AuslBG dahingehend, dass die darin normierte gesetzliche Vermutung (unabhängig vom Vorliegen eines Feststellungsbescheides) im Verwaltungsstrafverfahren widerlegbar wäre, als nicht zulässig erkannt werde. Daraus ergibt sich, dass allein mangels Erlassung eines Feststellungsbescheides die gesetzliche Vermutung einer Beschäftigung besteht, was in den Beschwerdefällen bedeutet, dass nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 4 zweiter Satz AuslBG in objektiver (und formaler) Hinsicht der Tatbestand des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG erfüllt wurde.

Die angefochtenen Bescheide, mit denen die belangte Behörde zu dem (vom Wortlaut des Gesetzes abweichenden) Ergebnis gelangte, dass keine Beschäftigung vorliege, waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Ein Kostenausspruch hatte im Hinblick auf § 47 Abs. 4 VwGG zu entfallen.

Wien, am 18. Dezember 2001

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