Normen
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public;
61977CJ0030 Bouchereau VORAB;
AIDSG 1993 §4;
EURallg;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z4;
FrG 1997 §48 Abs1;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litc;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs1;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public;
61977CJ0030 Bouchereau VORAB;
AIDSG 1993 §4;
EURallg;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z4;
FrG 1997 §48 Abs1;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litc;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland, gemäß § 36 Abs. 1 iVm den §§ 37, 39 und 48 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Diese Maßnahme begründete sie im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin am 23. August 1996 wegen einer Übertretung des § 18 Abs. 1 lit. c und § 4 Abs. 1 des (Vorarlberger) Sittenpolizeigesetzes mit einer Geldstrafe von S 6.000,-- und wegen einer Übertretung des § 9 Abs. 1 Z. 2 iVm § 4 Abs. 2 Aids-Gesetz mit einer Geldstrafe von gleichfalls S 6.000,-- rechtskräftig bestraft worden sei. Diesem Straferkenntnis liege zu Grunde, dass die Beschwerdeführerin am 8. Juli 1996 die gewerbsmäßige Unzucht gegen ein Entgelt von S 1.000,-- durchgeführt habe, ohne sich vor Aufnahme dieser Tätigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion unterzogen zu haben. Die Beschwerdeführerin habe nach ihren eigenen Angaben über zumindest eineinhalb Jahre eine Tätigkeit als Prostituierte ausgeübt. Im Jahr 1998 sei sie insgesamt sechs Mal rechtskräftig verwaltungsrechtlich bestraft worden; fünf Mal wegen Übertretungen nach dem Führerscheingesetz, dem Kraftfahrgesetz und nach § 99 Abs. 3 lit. a StVO, ein Mal (neuerlich) nach § 18 Abs. 1 lit. c und § 4 Abs. 1 Sittenpolizeigesetz mit einer Geldstrafe von S 20.000,--. Weder durch die Verhängung von Geldstrafen noch durch die Androhung eines Aufenthaltsverbotes habe die Beschwerdeführerin von der neuerlichen Ausübung der Prostitution abgehalten werden können. Auch unter "europarechtlichen" Kriterien könne auf Grund des von ihr gesetzten Verhaltens keine positive Zukunftsprognose erstellt werden. Es handle sich nicht um eine rein generalpräventive Überlegung, sondern es solle im Speziellen verhindert werden, dass die Beschwerdeführerin, noch dazu unter Missachtung des Aids-Gesetzes, der in Vorarlberg verbotenen Prostitution nachgehe.
Die Beschwerdeführerin halte sich nach eigenen Angaben seit ca. eineinhalb Jahren in Österreich auf und verfüge hier nicht über familiäre Bindungen. Durch das Aufenthaltsverbot werde somit nicht gravierend in ihr Privat- oder Familienleben eingegriffen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 1 des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, LGBl. Nr. 6/1976, sind die Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht und das Anbieten hiezu nur im Rahmen einer so genannten Bordellbewilligung nach § 5 leg. cit. zulässig.
§ 4 des Aids-Gesetzes 1993, BGBl. Nr. 728, lautet auszugsweise:
"(1) Personen, bei denen eine Infektion mit einem HIV nachgewiesen wurde oder das Ergebnis einer Untersuchung gemäß Abs. 2 nicht eindeutig negativ ist, ist es verboten, gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper zu dulden oder solche Handlungen an anderen vorzunehmen.
(2) Neben den nach dem Geschlechtskrankheitengesetz, StGBl. Nr. 152/1945, und auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen vorgeschriebenen Untersuchungen haben sich Personen vor der Aufnahme einer Tätigkeit im Sinne des Abs. 1 einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen. Darüber hinaus haben sich Personen, die Tätigkeiten im Sinne des Abs. 1 ausüben, periodisch wiederkehrend, mindestens jedoch in Abständen von drei Monaten, einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion zu unterziehen."
Die zugehörige Strafnorm ist in § 9 leg. cit. enthalten.
Nach § 48 Abs. 1 FrG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige nur zulässig, wenn auf Grund ihres Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist; bei der Beurteilung nach § 48 Abs. 1 FrG sind die Tatbestände des § 36 Abs. 2 leg. cit. als Orientierungsmaßstab heranzuziehen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. April 2001, Zl. 98/21/0475).
Nach § 36 Abs. 2 Z. 4 FrG hat als bestimmte Tatsache iSd Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder im Inland wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft oder im In- oder Ausland wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist.
Der Gerichtshof sprach weiters (im Erkenntnis vom 24. Juli 2001, Zl. 99/21/0339) unter Hinweis auf die Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 und das Urteil des Europäischen Gerichtshofes, Rs 30/77, Bouchereau, aus, dass für die Zulässigkeit eines auf § 48 Abs. 1 FrG gestützten Aufenthaltsverbotes neben der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstelle, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen müsse, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Es sei stets auf das persönliche Verhalten des Betroffenen abzustellen.
In der Beschwerde bleibt das den aufgezeigten Verwaltungsstrafen zu Grunde liegende Fehlverhalten der Beschwerdeführerin unbestritten. Soweit sie auf Art. 3 der Richtlinie 64/221/EWG und die dazu ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes verweist und vorbringt, dass generalpräventive Überlegungen nicht maßgebend sein dürften, ist ihr entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde das bisherige Verhalten der Beschwerdeführerin gewürdigt und im Blick auf den einschlägigen Rückfall zutreffend die besagte Gefährlichkeitsprognose erstellt hat.
Es kann dahin stehen, ob der Verstoß gegen das Vorarlberger Sittenpolizeigesetz, der wohl als schwer wiegend im Sinn des Orientierungsmaßstabs des § 36 Abs. 2 Z. 4 FrG gewertet werden muss, darüber hinaus eine hinreichend schwere Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft darstellt. (Gegen diese Annahme ließe sich ins Treffen führen, dass nicht in allen Bundesländern die zulässige gewerbsmäßige Unzucht auf den Bordellbetrieb beschränkt ist.) Jedoch berühren Verstöße gegen Bestimmungen, die den Zweck haben, die Verbreitung von Aids zu verhindern, zweifellos das Grundinteresse der Gesellschaft an der Bekämpfung ansteckender und zum Tod führender Krankheiten.
Bemerkt sei, dass der in Art. 49 EG verankerte Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit durch das vorliegende Aufenthaltsverbot nicht verletzt wird. Denn die genannte Schutzbestimmung ist aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt; sie ist geeignet, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten; und sie wird weder in diskriminierender Weise angewendet noch geht sie über das zur Erreichung des Ziels Erforderliche hinaus (Holoubek in J. Schwarze, EU-Kommentar, Nomos-Verlag, 2000, S. 781). Es gibt auch keine Anhaltspunkte, dass gegenüber dem gleichen Verhalten von eigenen Staatsangehörigen keine Zwangsmaßnahmen oder andere tatsächliche und effektive Maßnahmen ergriffen werden (vgl. das Urteil des EuGH vom 18. Mai 1982, Rs 115, 116/81, Adoui und Cornuaille gegen Belgien). Im Übrigen sind entgegen der Beschwerdeansicht vorliegend die Grundsätze des genannten Urteils des EuGH nicht anwendbar, weil hier nicht die Prostitution als solche entscheidungswesentlich ist.
Insgesamt erweist sich somit das Aufenthaltsverbot als im Grund des § 48 Abs. 1 FrG zulässig.
Die Frage seiner Zulässigkeit nach § 37 FrG wird in der Beschwerde nicht releviert. Angesichts der unbestritten gebliebenen Feststellungen über die Kürze des inländischen Aufenthalts der Beschwerdeführerin und des Fehlens familiärer Beziehungen im Inland ist auch diesbezüglich eine rechtswidrige Beurteilung durch die belangte Behörde nicht zu erkennen.
Da dem angefochtenen Bescheid daher die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 9. Oktober 2001
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