VwGH 99/20/0469

VwGH99/20/046927.9.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, in der Beschwerdesache des H in G, vertreten durch Dr. Gerald Ruhri, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Roseggerkai 5, gegen den Bundesminister für Justiz wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit des Strafvollzugsgesetzes den Beschluss gefasst:

Normen

StVG §120 Abs1;
StVG §121 Abs1;
StVG §121 Abs2;
StVG §121;
StVG §120 Abs1;
StVG §121 Abs1;
StVG §121 Abs2;
StVG §121;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der vorliegenden, am 22. September 1999 zur Post gegebenen Säumnisbeschwerde wird geltend gemacht, ein am 12. Juli 1996 zur Post gegebener Schriftsatz des Beschwerdeführers sei unerledigt geblieben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der sie angibt, der unerledigte Schriftsatz sei bisher nicht an sie weitergeleitet worden, weshalb nur allenfalls eine Säumnis des Anstaltleiters, bei dem der Schriftsatz eingebracht worden sei, vorliegen könne. Darüber hinaus habe sich der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz aber nur mit einem Eventualantrag an die belangte Behörde gewandt. Mangels rechtskräftiger Abweisung des Primärantrages ergebe sich auch daraus, dass keine Entscheidungspflicht der belangten Behörde entstanden sei.

Der am 12. Juli 1996 namens des Beschwerdeführers eingebrachte Anwaltsschriftsatz trägt die Bezeichnung "Beschwerde gemäß § 120 StVG" und ist "an die Strafvollzugsanstalt Graz-Karlau" gerichtet. Im Rubrum ist als "belangte Behörde" die "Strafvollzugsanstalt Graz-Karlau" bezeichnet. Seinem Inhalt nach richtet sich der Schriftsatz gegen die Vorgangsweise des zuständigen Sachbearbeiters im Zusammenhang mit einem Ordnungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer, bei dem der Verdacht, der Beschwerdeführer habe verbotene Gegenstände besessen, entkräftet worden sei. Der Beschwerdeführer sei zu spät einvernommen worden und unnötig lange abgesondert gewesen und habe auch keine Belehrung darüber erhalten, dass er sich vertreten lassen könne. Gestützt auf dieses Vorbringen wird der Antrag gestellt, der Anstaltsleiter möge "dadurch Abhilfe schaffen, indem er bescheidmäßig ausspricht, dass" der Beschwerdeführer durch das beschriebene Vorgehen in Rechten verletzt worden sei. "Für den Fall, dass der Anstaltsleiter der Beschwerde im Sinne des vorstehenden Antrages nicht abhilft", wird der "weitere Antrag gestellt, die Beschwerde an das Bundesministerium für Justiz weiterzuleiten, welches aussprechen möge, dass" der Beschwerdeführer in Rechten verletzt worden sei.

Gemäß § 120 Abs. 1 StVG können sich die Strafgefangenen "gegen jede ihre Rechte betreffende Entscheidung oder Anordnung und über jedes ihre Rechte betreffende Verhalten der Strafvollzugsbediensteten beschweren". § 121 StVG lautet in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 138/2000:

"Verfahren bei Beschwerden

§ 121. (1) Über Beschwerden gegen Strafvollzugsbedienstete oder deren Anordnungen hat der Anstaltsleiter zu entscheiden. Richtet sich die Beschwerde gegen den Leiter eines gerichtlichen Gefangenenhauses oder gegen eine von ihm getroffene Entscheidung oder Anordnung und hilft er der Beschwerde nicht selbst ab, so steht die Entscheidung der Vollzugsoberbehörde zu, richtet sie sich gegen den Leiter einer Strafvollzugsanstalt oder gegen dessen Entscheidung oder Anordnung und hilft er der Beschwerde nicht selbst ab, dem Bundesministerium für Justiz.

(2) Gegen Entscheidungen der Vollzugsoberbehörde ist eine Beschwerde nur zulässig, wenn die Entscheidung über die Verhängung einer Ordnungsstrafe wegen einer gegen den Leiter eines gerichtlichen Gefangenenhauses gerichteten Ordnungswidrigkeit oder über eine gegen einen solchen Leiter gerichtete Beschwerde ergangen ist. Über die Beschwerde hat das Bundesministerium für Justiz zu entscheiden.

(3) Soweit der Sachverhalt nicht genügend bekannt ist, sind vor der Erledigung Erhebungen anzustellen. Bei der Vorlage von Beschwerden hat der Anstaltsleiter einen kurzen Bericht anzuschließen, soweit sich der Sachverhalt nicht schon aus den etwa mitvorgelegten Akten ergibt.

(4) Ein Beschwerdeerkenntnis hat, wenn sich die Beschwerde nicht gegen die Person des Anstaltsleiter gerichtet hat, dieser, sonst sein Stellvertreter dem Strafgefangenen zu verkünden. Zugleich ist der Strafgefangene über die Möglichkeit einer weiteren Beschwerde zu belehren. Auf sein Verlangen ist dem Strafgefangenen auch eine schriftliche Ausfertigung der Entscheidung zuzustellen."

Im vorliegenden Fall richtete sich der am 12. Juli 1996 eingebrachte Schriftsatz gegen das Verhalten von Strafvollzugsbediensteten, weshalb der Primärantrag des Beschwerdeführers auch - zutreffend - auf eine Bescheiderlassung durch den Anstaltsleiter abzielte. Deren Bezeichnung als "Abhilfe" durch den Anstaltsleiter und - daran anknüpfend - der Eventualantrag auf Vorlage des Schriftsatzes an die belangte Behörde ließen außer Acht, dass sich die Möglichkeit einer Abhilfe durch den Anstaltsleiter darauf bezieht, dass dieser eine gegen seine eigenen Anordnungen oder Entscheidungen gerichtete Beschwerde an den Bundesminister für Justiz als "Vorstellung" behandeln kann (vgl. die Regierungsvorlage zum StVG, 511 BlgNR 11. GP 79; zum Wegfall der zunächst gegebenen Entscheidungspflicht der belangten Behörde in einem solchen Fall das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1995, Zl. 94/20/0414). Dem Anstaltsleiter steht es hingegen nicht frei, eine an ihn gerichtete Beschwerde über das Verhalten von Strafvollzugsbediensteten nicht selbst zu erledigen, sondern an die belangte Behörde weiterzuleiten. Der Primärantrag des Beschwerdeführers war daher vom Anstaltsleiter bescheidmäßig zu erledigen, woraus sich im Sinne der von der belangten Behörde in ihrer Äußerung zitierten hg. Rechtsprechung bereits ergibt, dass eine Entscheidungspflicht in Bezug auf den unzulässigen Eventualantrag, also eine Pflicht der belangten Behörde zu dessen Zurückweisung, vor der Erledigung des Primärantrages durch den Anstaltsleiter nicht entstehen konnte (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 15. Oktober 1991, Zl. 90/05/0214).

Die Beschwerde war daher - ungeachtet des von der belangten Behörde offenbar verkannten Umstandes, dass es für den Beginn der Frist des § 27 Abs. 1 VwGG nach dem letzten Satz dieser Vorschrift nicht auf das Einlangen des Schriftsatzes bei der obersten Behörde ankommt - wegen Mangels der Berechtigung zur ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. September 2001

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