VwGH 99/16/0136

VwGH99/16/013615.3.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, über die Beschwerde 1. W in W und 2. L in T, beide vertreten durch Dr. Hans Peter Sauerzopf, Rechtsanwalt in Wien I, Rathausstraße 15, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 11. November 1998, Zl Jv 50855- 33a/98 und Jv 50905-33a/98, betreffend Nachlass von Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

GEG §9 Abs1;
GEG §9 Abs2;
GEG;
GOG §42;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
GEG §9 Abs1;
GEG §9 Abs2;
GEG;
GOG §42;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Anträgen vom 15. September 1998 und vom 1. Oktober 1998 beantragte der Erstbeschwerdeführer den Nachlass von Gerichtsgebühren in Höhe von zusammen S 298.963,-- und die Zweitbeschwerdeführerin in Höhe von S 13.767,--. In der Begründung der Anträge wurde vorgebracht, die Beschwerdeführer seien schwer amalgamvergiftet und daher seit Jahren arbeitsunfähig. Neben Ausführungen über die vom Erstbeschwerdeführer gegen die Republik Österreich geltend gemachten Schadenersatzansprüche wurde auf die Gewährung eines täglichen Pensionszuschusses wegen Krankheit und Unfall in Höhe von S 266,-- verwiesen. Der Erstbeschwerdeführer habe bereits vor Jahren den Privatkonkurs anmelden müssen. Dieser sei jedoch mangels jeglichen Vermögens abgewiesen worden. Es müsse um die Streichung sämtlicher Rückstände beim Oberlandesgericht Wien angesucht werden, weil die Beschwerdeführer dauernd zahlungsunfähig seien.

Mit Schriftsatz vom 21. September 1998 wurde die Zweitbeschwerdeführerin aufgefordert, nähere Angaben über ihre Vermögensverhältnisse zu machen. Die Zweitbeschwerdeführerin gab hierauf in einem undatierten Schriftstück bekannt, - abgesehen von Bargeld in Höhe von S 1.800,-- - kein Vermögen zu haben. Die Schulden machten danach S 300.000,-- aus. Sie erhalte einen Pensionsvorschuss von S 260,-- täglich sowie Familienbeihilfe. Sorgepflichten bestünden hinsichtlich zweier Kinder im Schulalter.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über diese Anträge abweisend entschieden. Als bescheiderlassende Behörde wurde dabei "Der Leiter der Einbringungsstelle und Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Wien" angeführt. Die Fertigung des Bescheides erfolgte "Für den Präsidenten: Mutsch". In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, die Nachlasswerber schuldeten diversen Gläubigern mehrere Millionen S. In Anbetracht dieser Zahlungsverpflichtungen könne in der Einbringung der vorgeschriebenen Gerichtsgebühren von ca. S 300.000,-- bzw S 13.767,-- keine besondere Härte erblickt werden. Ein solcher Härtefall sei nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Gebührenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte. Im Übrigen seien die Gerichtsgebühren hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers grundbücherlich sichergestellt; im Zuge des Versteigerungsverfahrens sei zumindest eine teilweise Berichtigung zu erwarten. Die Zweitbeschwerdeführerin sei in der Lage gewesen, das Vadium zur Versteigerung der Liegenschaft bei Gericht zu erlegen.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachten sich die Beschwerdeführer in ihren Rechten "auf Durchführung eines ordnungsgemäßen, amtswegigen Ermittlungsverfahrens und auf Feststellung des für die Entscheidung über die Nachlassanträge maßgeblichen Sachverhalts sowie zutreffende rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts (sohin inhaltliche Rechtswidrigkeit), sowie auf ordnungsgemäße, nachprüfbare Bescheidbegründung und Wahrung des Parteiengehörs ebenso verletzt wie in ihrem Recht auf Entscheidung durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes gemäß § 9 Abs 2 GEG".

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Bezeichnung des Beschwerdepunktes im Sinne des § 28 Abs 1 Z. 4 VwGG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht Selbstzweck, sondern vielmehr unter dem Gesichtspunkt von rechtlicher Relevanz, dass es dem Gerichtshof nicht zu prüfen obliegt, ob irgendein subjektives Recht des Beschwerdeführers verletzt wurde, sondern nur, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung der Beschwerdeführer behauptet. Durch den Beschwerdepunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist (vgl Steiner, Beschwerdepunkte und Beschwerdegründe unter Berücksichtigung gemeinschaftsrechtlicher Einflüsse in Holoubek/Lang, Das verwaltungsgerichtliche Verfahren in Steuersachen, S 61 und die dort wiedergegebene Rechtsprechung).

Mit dem unter der ausdrücklichen Bezeichnung "Beschwerdepunkte" wiedergegebenen Formulierungen haben die Beschwerdeführer zum weitaus überwiegend Teil keine subjektiven Rechte angeführt, in denen sie ihrer Auffassung nach durch den angefochtenen Bescheid verletzt wurden: Es gibt weder ein subjektives Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen, amtswegigen Ermittlungsverfahrens noch auf zutreffende rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts sowie auf ordnungsgemäße Bescheidbegründung und Wahrung des Parteiengehörs (vgl Steiner, aaO, 71). Im Hinblick auf die ausdrückliche Bezeichnung des Beschwerdepunktes war er dabei einer Auslegung aus dem Zusammenhang der Beschwerdeausführungen nicht zugänglich (vgl Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 245). Da die Beschwerdeführer bei Festlegung des Prozessgegenstandes somit insbesondere ihr subjektives Recht auf Gewährung eines Nachlasses im Sinne des § 9 Abs 2 GEG eben nicht genannt haben, war es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, sich mit den darauf Bezug nehmenden Beschwerdegründen meritorisch auseinanderzusetzen.

Zutreffend wird aber in den Beschwerdepunkten als subjektives Recht jenes auf eine Entscheidung durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes bezeichnet. In diesem Zusammenhang wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde begehrt, weil die Entscheidung über Nachlässe nach § 9 Abs. 2 GEG bei Beträgen bis zu S 390.000,-- dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes obliege und eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis nicht vorgesehen sei.

Mit diesem Vorbringen übersehen die Beschwerdeführer aber, dass in einem monokratischen System wie dem in Rede stehenden System der Justizverwaltung die Genehmigung der behördlichen Erledigungen zwar grundsätzlich der Behördenleiter zu treffen hat; der Behördenleiter ist aber befugt, ein anderes Organ zur Genehmigung von Erledigungen zu ermächtigen, welches sodann den behördlichen Willen in der betreffenden Angelegenheit zu bilden hat (vgl insbesondere die Ausführungen bei Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 190). Wenn im Beschwerdefall als Behörde, von der der angefochtene Bescheid erlassen wurde, der "Leiter der Einbringungsstelle des Oberlandesgerichtes Wien" bezeichnet wurde, so ist dieser Bescheid entsprechend dem Aufbau der Justizverwaltung dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien zuzurechnen, zumal der Bescheid mit dem Zusatz "Für den Präsidenten" gefertigt worden ist. Wie in der vorgelegten Gegenschrift näher ausgeführt wurde, wurde der Bescheid im Rahmen der dem Leiter der Einbringungsstelle erteilten Ermächtigung erlassen. Mit dieser Ermächtigung hat der Präsident des Oberlandesgerichtes als monokratische Behörde seine Zuständigkeit nicht einer anderen Behörde, sondern vielmehr einem bestimmten Organträger innerhalb seiner eigenen Behörde übertragen (vgl das hg Erkenntnis vom 17. Dezember 1992, Zl 91/16/0135).

Aus dem von Beschwerdeführern angeführten dritten Satz des § 9 Abs 1 GEG, wonach der Präsident des Oberlandesgerichtes bei Anträgen um Stundung von Gerichtsgebühren seine Befugnis bis zu einem Betrag von S 52.000,-- dem Leiter der Einbringungsstelle übertragen kann, ist für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen: Mit dieser Norm - die sich an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes als Adressaten richtet - hat der Gesetzgeber in offenkundig systemwidriger Weise die Rechte des Behördenleiters zur Delegierung beschränkt. Dass diese Bestimmung analog auf die Entscheidung über Nachlassgesuche im Sinne des § 9 Abs. 2 GEG anzuwenden sein sollte, würde aber voraussetzen, dass von einer planwidrigen Lücke in der letztgenannten Bestimmung auszugehen wäre. Eine solche Lücke im § 9 Abs 2 GEG ist aber nicht zu erkennen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. März 2001

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