Normen
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
NatSchG Tir 1997 §16 Abs1 litb;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
NatSchG Tir 1997 §16 Abs1 litb;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 8. Juli 1999 trug die Bezirkshauptmannschaft Schwaz (BH) der beschwerdeführenden Partei gemäß den §§ 16 Abs. 1 lit. b und 46 Abs. 5 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997, LGBl. Nr. 33/1997 (Tir NatSchG 1997), iVm §§ 2 Abs. 2 lit. a und 5 der Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 20. Dezember 1988 zum Schutz wildwachsender Pflanzen und freilebender, nicht jagdbarer Tiere im Gebiet des "Alpenparks Karwendel" LGBl. Nr. 32/1989 (in der Folge: Verordnung), auf, bis längstens 20. August 1999 den im Bereich der Wegböschungen hm 17,2 bis 18,7 des mit Bescheid der BH vom 24. September 1990 naturschutzrechtlich bewilligten Weges abgelagerten Klärschlamm gänzlich zu beseitigen.
Nach der Begründung sei es gemäß § 2 Abs. 2 lit. a der Verordnung unter anderem verboten, Pflanzen sowie deren Teile von ihrem Standort zu entfernen, zu beschädigen oder zu vernichten. Die beschwerdeführende Partei habe Anfang August 1994 im beschriebenen Bereich an Wegböschungen Klärschlamm aufgetragen. Nach den Angaben des Obmannes der beschwerdeführenden Partei habe es sich bei den betroffenen Flächen nicht um humose Böden, sondern um steinige Wegböschungen gehandelt. Diesem Vorbringen seien jedoch die Ausführungen des Amtsachverständigen für Alm- und Weidewirtschaft entgegenzuhalten, wonach die Klärschlammaufbringung auf relativ flach nach Süden geneigten Böschungen erfolgt sei, die mit genügend vorhandenem Humus ausgestattet und drei Jahre nach erfolgtem Wegebau fast vollständig begrünt bzw. nur mit oberflächlich liegenden Steinen durchsetzt gewesen seien. Auch der Anzeige des seinerzeitigen Amtsachverständigen für Naturkunde vom 29. August 1994 sei zu entnehmen, dass entlang des obersten Wegabschnittes auf flachen, humosen und bereits gut natürlich verwachsenen Böschungen Klärschlamm in dicken Lagen aufgebracht und damit die darunter liegende Vegetation zerstört worden sei. Es sei daher davon auszugehen, dass die Aufbringung von Klärschlamm zum Großteil auf (wildwachsenden) Pflanzen erfolgt sei, die dadurch vernichtet worden seien. Da die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes möglich erscheine, habe es keiner weitergehenden Prüfung im Sinne des § 16 Abs. 1 lit. b Tir NatSchG 1997 bedurft.
Die beschwerdeführende Partei erhob Berufung. Sie brachte im Wesentlichen vor, der verfahrensgegenständliche Abschnitt des im Jahre 1990 naturschutzrechtlich bewilligten Weges befinde sich in einem Steinfeld, in welchem überhaupt keine natürliche Vegetation bzw. eine für eine Bepflanzbarkeit zwingend vorausgesetzte Humusschicht vorhanden gewesen sei. Zum Beweis dafür machte sie den Zeugen Alois M. namhaft.
Die belangte Behörde vernahm neuerlich den im Bewilligungsverfahren als Amtsachverständigen für Naturkunde tätig gewordenen Zeugen, Manfred K. Dieser erklärte, bereits in seiner Anzeige vom 29. August 1994 darauf hingewiesen zu haben, dass sich auf jenen Stellen, auf denen kein Klärschlamm aufgebracht worden sei, bereits gut mit Pioniervegetation verwachsene Flächen befunden hätten. Auf Grund seiner Fachkenntnis könne er davon ausgehen, dass auf den mit Klärschlamm bedeckten Flächen (ursprünglich) dieselbe Vegetationsform vorgeherrscht habe.
Die belangte Behörde übermittelte der beschwerdeführenden Partei die Niederschrift über die Vernehmung dieses Zeugen und wies darauf hin, dass auch der Amtsachverständige für Alm- und Weidewirtschaft in seinem Gutachten vom 25. April 1995 eindeutig davon spreche, dass der Klärschlamm auf eine begrünte Fläche aufgebracht worden sei. Der Amtsachverständige habe diese Angaben nach einer Rückfrage neuerlich bestätigt.
In einer schriftlichen Stellungnahme vom 6. Oktober 1999 hob der Obmann der beschwerdeführenden Partei hervor, dass der Zeuge Manfred K. die streitgegenständlichen Flächen zunächst im Jahre 1990, also vor dem Bau einer naturschutzrechtlich bewilligten Wegeanlage, gesehen habe. Der Zeuge habe diese Flächen danach erst wieder nach der Aufbringung von Klärschlamm im Jahre 1994 gesehen. Die Beweisführung, dass Klärschlamm auf begrünten Flächen aufgebracht worden sei, werde weder vom Zeugen noch vom Amtssachverständigen für Alm- und Weidewirtschaft erbracht. Gerade weil die Böschungsflächen nicht zugewachsen seien, sei Klärschlamm aufgebracht worden. Der für die Wegearbeiten zuständige Amtssachverständige Ing. W. habe in einer Niederschrift vom 22. September 1992 über die Begehung vom 15. September 1992 festgestellt, dass die naturschutzrechtlichen Vorschreibungen bis auf die Begrünungsmaßnahmen erfüllt seien. Eine Befragung dieses Zeugen wäre sicherlich entscheidend für eine objektive Sachverhaltsermittlung. Er verweise ferner auf den bereits in seiner Berufung namhaft gemachten Zeugen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid der BH bestätigt.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, es sei ausschließlich strittig, ob auf dem von der Behörde erster Instanz näher bezeichneten Wegabschnitt zum Zeitpunkt der Klärschlammaufbringung Pflanzen vorhanden gewesen und diese dadurch vernichtet oder beschädigt worden seien. Die belangte Behörde gehe davon auf Grund der Angaben des Zeugen Manfred K. und der Ausführungen des Amtssachverständigen für Alm- und Weidewirtschaft aus. Dieser hätte sich zweifelsfrei daran erinnern können, dass unter der aufgebrachten Klärschlammschichte lebende Pioniervegetation zu erkennen gewesen sei. Die beiden Aussagen seien widerspruchsfrei und mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Übereinstimmung zu bringen. Auf die vom Beschwerdeführer beantragten Zeugeneinvernahmen habe verzichtet werden können. Es hätte lediglich das Fehlen einer Begrünung im Jahre 1992, also zwei Jahre vor der rechtswidrigen Klärschlammaufbringung, dokumentiert werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 2 Abs. 2 lit. a der Verordnung ist es in dem nach § 1 umschriebenen Schutzgebiet verboten, Pflanzen, insbesondere auch Pilze, sowie deren Teile (Wurzeln, Zwiebeln, Knollen, Blüten, Blätter, Zweige, Früchte udgl.) von ihrem Standort zu entfernen, zu beschädigen oder zu vernichten, in frischem oder getrocknetem Zustand zu befördern, feil zu bieten, zu veräußern oder zu erwerben.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich strittig, ob es durch die Ablagerung von Klärschlamm in dem streitgegenständlichen Bereich zu einer Vernichtung von Pflanzen gekommen ist.
Während die belangte Behörde diese Frage auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens bejahte, bestreitet dies die beschwerdeführende Partei. Der gegenständliche Wegabschnitt sei in einem Steinfeld errichtet worden, wo keinerlei Vegetation und keine Bepflanzbarkeit mangels einer Humusschicht vorhanden gewesen sei. Da die im naturschutzrechtlichen Bescheid aufgetragene Begrünung nicht habe durchgeführt werden können, sei versucht worden, die Kultivierung mittels Klärschlamm durchzuführen. Der von der belangten Behörde vernommene Zeuge Manfred K. habe die Böschung erst einige Zeit nach der Klärschlammaufbringung gesehen. Dies treffe auch für den Amtsachverständigen für Alm- und Weidewirtschaft zu. Die vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen, die den Weg vor der Klärschlammaufbringung gesehen hätten, könnten bestätigen, dass keinerlei Vegetation vorhanden gewesen sei. Sie seien jedoch von der belangten Behörde nicht vernommen worden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt die Beweiswürdigung der belangten Behörde der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle in der Richtung, ob der Sachverhalt genügend erhoben wurde und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig waren, d.h. ob sie unter anderem den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen ( vgl. z.B. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, zu § 45 AVG zitierte Rechtsprechung, insbesondere E 258 ff).
Die Feststellungen der belangten Behörde gründen sich auf die Vernehmung des Zeugen Manfred K. und des Amtsachverständigen für Alm- und Weidewirtschaft.
Die von der beschwerdeführenden Partei namhaft gemachten Zeugen sind von der belangten Behörde nicht vernommen worden. Die belangte Behörde hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass bereits ausreichende und eindeutige Beweisergebnisse vorlägen und daher auf weitere Beweisaufnahmen verzichtet werden könne. Sie übersieht dabei, dass auf Beweisanträge von Parteien nur dann nicht eingegangen werden braucht, wenn sie offenbar unerheblich sind. Ein angebotener Zeugenbeweis darf daher nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, 552 f) nur dann von vornherein abgelehnt werden, wenn er objektiv gesehen nicht geeignet ist, zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen. Das Vorliegen von - nach Auffassung der belangten Behörde - ausreichenden und eindeutigen Beweisergebnissen für die Annahme, der in Rede stehende Wegbereich habe nach der Klärschlammaufbringung Pflanzenbewuchs aufgewiesen, rechtfertigt allerdings keineswegs die Auffassung, die Einvernahme der zum Beweis des Gegenteils beantragten Zeugen sei nicht geeignet, zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen. Die belangte Behörde hat daher, indem sie den Beweisanträgen der beschwerdeführenden Partei mit der erwähnten Begründung nicht folgte, Verfahrensvorschriften verletzt, die auch wesentlich im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG sind, weil nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieser Verfahrensmängel zu einem im Ergebnis anderen Bescheid gelangt wäre.
Im fortgesetzten Verfahren wird sich die belangte Behörde auch mit der Frage auseinander zu setzen haben, ob mit der Entfernung des Klärschlamms den Interessen des Naturschutzes tatsächlich bestmöglich entsprochen wird. Nach § 16 Abs. 1 lit. b leg. cit. hat die Bezirksverwaltungsbehörde nämlich demjenigen, der ein rechtswidriges Vorhaben veranlasst hat, mit Bescheid die zur Wiederherstellung erforderlichen Maßnahmen auf seine Kosten aufzutragen. Ist die Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht möglich oder kann der frühere Zustand nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand festgestellt werden, so ist der Verursacher verpflichtet, den geschaffenen Zustand auf seine Kosten so zu ändern, dass den Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 bestmöglich entsprochen wird. Entsprechende Feststellungen wurden von der belangten Behörde nicht getroffen.
Auf Grund dieser Erwägungen war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 1. Oktober 2001
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