VwGH 99/09/0156

VwGH99/09/01564.4.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde der W in T, vertreten durch Dr. Gernot Kerschhackl, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Wienerstraße 44/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 1. Juni 1999, Zl. Senat-NK-96-058, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AVG §10 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §19 Abs3;
AVG §19;
RAO 1868 §28 Abs1 lith;
VStG §51f Abs2;
ZustG §8a idF 1998/I/158;
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AVG §10 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §19 Abs3;
AVG §19;
RAO 1868 §28 Abs1 lith;
VStG §51f Abs2;
ZustG §8a idF 1998/I/158;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. Juni 1999 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe es als handelsrechtliche Geschäftsführerin der H GesmbH mit Sitz in T in der von dieser betriebenen Bar in F am 30. Mai 1996 vier namentlich genannte Ausländerinnen ohne entsprechende arbeitsmarktrechtliche Bewilligungen beschäftigt zu haben; sie habe dadurch § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 AuslBG verletzt und werde hierfür mit vier Geldstrafen in der Höhe von je S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen je 10 Tagen) bestraft.

Die belangte Behörde ging auf Grund der Ergebnisse einer in Abwesenheit der Beschwerdeführerin bzw. ihres Rechtsvertreters abgehaltenen Berufungsverhandlung davon aus, die vier Ausländerinnen seien in einem zumindest arbeitnehmerähnlichen Verhältnis zur genannten Gesellschaft stehend für diese als Tänzerinnen tätig gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, ohne Vorliegen eines entsprechenden Tatbildes nicht wegen einer Übertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG bestraft zu werden, verletzt.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, die belangte Behörde hätte nicht in ihrer Abwesenheit verhandeln dürfen, zumal ihr die Ladung zur mündlichen Berufungsverhandlung nicht zugestellt worden sei. Sie selbst habe sich zu dieser Zeit im Ausland befunden und dies dem zuständigen Postamt bekannt gegeben. Die Ladung sei retourniert und nicht neuerlich zugestellt worden. Dadurch sei sie in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt worden.

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, die vier Ausländerinnen seien als Prostituierte freiberuflich tätig gewesen und unterfielen somit nicht den Bestimmungen des AuslBG.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, und legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 51e Abs. 1 VStG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 158/1998, hatte der unabhängige Verwaltungssenat über die von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, wobei nach § 51f Abs. 2 VStG es weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses hindert, wenn die Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist. Voraussetzung für die Durchführung der mündlichen Berufungsverhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten ist aber eine ordnungsgemäße Ladung. Eine solche liegt vor, wenn der Ladungsbescheid inhaltlich den gesetzlichen Erfordernissen (§ 19 AVG) entspricht und ordnungsgemäß im Sinne der Bestimmungen des Zustellgesetzes zugestellt wurde.

Die Zustellung des Ladungsbescheides zur mündlichen Berufungsverhandlung am 13. April 1999 erfolgte im Beschwerdefall an die Beschwerdeführerin zu Handen ihres damaligen Rechtsvertreters, DDr. G. Nach dem Inhalt des Aktenvermerks der belangten Behörde von diesem Tage war amtsbekannt, dass hinsichtlich dieses Rechtsanwaltes ein Verhinderungsgrund im Sinne des § 19 AVG gegeben war; mittlerweiliger Stellvertreter des auf unbestimmte Zeit verhinderten Rechtsanwaltes DDr. G. war Rechtsanwalt Dr. P., der die Postsendung mit dem Ladungsbescheid auch entgegengenommen, jedoch an die Beschuldigte nicht weitergereicht habe. Die belangte Behörde ging daher davon aus, dieser Ladungsbescheid habe die Beschwerdeführerin nicht erreicht. Eine erst nachträglich erfolgte persönliche Ladung konnte der Beschwerdeführerin infolge urlaubsbedingter Ortsabwesenheit nicht mehr zugestellt werden. Daraufhin ordnete die belangte Behörde einen neuerlichen Termin für die mündliche Berufungsverhandlung am 21. Mai 1999 an, zu welcher die Beschwerdeführerin sowohl zu Handen des mittlerweiligen Stellvertreters ihres Rechtsfreundes, Dr. P., als auch persönlich unter ihrer Meldeanschrift in T geladen wurde. Wiederum leitete Dr. P. das an die Beschwerdeführerin gerichtete Schreiben nicht weiter. Zwar sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Ladungsbescheide grundsätzlich dem Parteienvertreter zuzustellen, jedoch ist dies naturgemäß nur so lange möglich, als ein "Parteienvertreter" auch vorhanden ist. Für die Annahme einer der Partei zuzurechnenden rechtswirksamen Zustellung der Ladung zur Berufungsverhandlung kommt es daher entscheidend darauf an, ob die Zustellung in einem Fall der dauernden Verhinderung des Rechtsanwalts zulässigerweise dennoch an den (bisherigen) Vertreter der Partei bzw. dessen mittlerweiligen Stellvertreter ergangen war (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 29. November 2000, Zl. 99/09/0112).

Gemäß § 28 Abs. 1 lit h der Rechtsanwaltsordnung (RAO) kann durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer für einen verstorbenen, erkrankten oder abwesenden Rechtsanwalt ein "mittlerweiliger Stellvertreter" bestellt werden. Wie der Verwaltungsgerichtshof unter anderem in seinem Erkenntnis vom 17. September 1991, Zl. 91/05/0079, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des OGH ausgeführt hat, begründet die Bestellung zum mittlerweiligen Stellvertreter durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer kein Vollmachtsverhältnis zwischen dem Vertreter und dem Klienten des vertretenen Anwaltes. In seiner Eigenschaft als mittlerweiliger Stellvertreter des Rechtsfreundes der Beschwerdeführerin, DDr. G., konnte daher Rechtsanwalt Dr. P nicht rechtswirksam als Empfänger von ihrem Inhalt nach für die Beschwerdeführerin (damalige Berufungswerberin) bestimmten Sendungen auftreten.

Die an die Beschwerdeführerin persönlich adressierte Ladung wurde jedoch unter ihrer Postanschrift in T am 26. April 1999 hinterlegt. Gründe, die diese Zustellung an dieser Abgabestelle unzulässig hätten machen können, sind nicht hervorgekommen und wurden auch - den Verhandlungstermin vom 21. Mai 1999 betreffend - in der Beschwerde nicht konkret bescheinigt; einem im Akt erliegenden Aktenvermerk zufolge hat die belangte Behörde über eine allfällige Ortsabwesenheit der Beschwerdeführerin Erhebungen gepflogen (Angaben der Zustellerin) die für das Datum der Hinterlegung der Ladung zur Verhandlung am 21. Mai 1999 keine Anhaltspunkte für eine Ortsabwesenheit der Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt ergab. Mit diesem Tag gilt gemäß § 17 Abs. 3 ZustG die Zustellung als vollzogen. Die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen hat die Beschwerdeführerin somit zu tragen, das heißt, sie hätte der Ladung Folge leisten müssen. Nur das Vorliegen eines der im § 19 Abs 3 AVG genannten Gründe hätte ihr Nichterscheinen rechtfertigen können, weil nur in diesem Fall in Bezug auf die behördliche Ladung nicht mehr von einer "ordnungsgemäßen Ladung", die gemäß § 51f Abs 2 VStG zur Durchführung der Verhandlung auch in Abwesenheit der Partei berechtigt, gesprochen werden kann. Ist jedoch ein Beschuldigter bzw sein ausgewiesener Vertreter ohne triftigen Grund und damit unentschuldigt im Sinne des § 19 Abs 3 AVG zur Berufungsverhandlung nicht erschienen, erweist sich die Durchführung der Berufungsverhandlung in seiner Abwesenheit im Sinne des § 51f Abs 2 VStG als zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1998, Zl. 96/09/0147). Dieser Fall liegt aber nach der Aktenlage vor. Insbesondere behauptet die Beschwerdeführerin auch in der Beschwerde nicht, am Tag der Zustellversuche bzw. der postamtlichen Hinterlegung etwa ortsabwesend gewesen zu sein. Die inhaltsleere Bestreitung der Zulässigkeit der erfolgten Zustellung reicht zur Annahme der Unzulässigkeit der in Abwesenheit durchgeführten Berufungsverhandlung nicht aus.

Dieser Einwand erweist sich daher als unzutreffend.

Aber auch der weitere unter dem Aspekt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemachte Grund, nämlich die unzulässige Unterlassung der Vernehmung der vier betroffenen ausländischen Staatsangehörigen, führt die Beschwerde nicht zum Erfolg, hat doch der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass der Unabhängige Verwaltungssenat von der zeugenschaftlichen Einvernahme ausländischer Staatsangehöriger absehen kann, wenn diese im Zeitpunkt der Abhaltung der mündlichen Berufungsverhandlung keine ladungsfähige Anschrift im Inland mehr hatten und eine Ladung unter Zwangsfolgen (im Sinne des § 19 AVG) an deren ausländischen Adressen in Ermangelung eines Rechtshilfeabkommens mit dem ausländischen Staat als nicht aussichtsreich erachtet wurde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 1999, Zl. 99/09/0078, und vom 13. September 1999, Zl. 97/09/0359).

Aber auch der geltend gemachte Inhaltsmangel haftet dem angefochtenen Bescheid nicht an.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt die Ansicht vertreten, dass die Ausübung der Prostitution von Ausländerinnen in einem Nachtclub oder ähnlichen Lokalitäten unter Beteiligung am Umsatz (auch an den verkauften Getränken) auf Grund der wirtschaftlichen Gestaltung des abgeschlossenen Vertrages als Verwendung unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie Arbeitnehmer zu qualifizieren ist (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 2. September 1993, Zl. 92/09/0322, vom 17. November 1994, Zl. 94/09/0195 und vom 10. Februar 1999, Zl. 98/09/0331). In diesem Sinne kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob die Ausländerinnen im Beschwerdefall als "Animierdamen", "Tänzerinnen" oder "Prostituierte" aufgetreten sind.

Die Beschwerde war daher aus den dargelegten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 4. April 2001

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