VwGH 98/21/0392

VwGH98/21/039220.3.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des G in Graz, geboren am 10. Mai 1973, vertreten durch Dr. Martin Lichtenegger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Andreas-Hofer-Platz 9/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 17. August 1998, Zl. Fr 550/1997, betreffend Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 Fremdengesetz 1997, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
FrG 1997 §57;
FrG 1997 §75 Abs1;
AVG §38;
FrG 1997 §57;
FrG 1997 §75 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß § 75 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer in Liberia gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Nach Darlegung der Rechtslage führte sie zur Begründung dieser Entscheidung aus, die Angaben des Beschwerdeführers über seine Zwangsrekrutierung und seine Flucht seien unglaubwürdig. Dieser Wertung legte sie die Aussage des Beschwerdeführers vom 28. Februar 1997 vor der Bundespolizeidirektion Graz und erkennbar auch jene - zwar nicht in den Verwaltungsakten erliegende, aber im Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. März 1998 wiedergegebene - Aussage vom 25. November 1996 vor der Asylbehörde zu Grunde. Diesen Aussagen gemäß hätte die Rebellengruppe des Charles Taylor im Oktober 1996 u.a. auch den Beschwerdeführer aufgegriffen und zu einem Lager transportiert. Dort wären die Leute mit Gewehren ausgerüstet worden. Das Camp wäre nicht bewacht worden und es hätte auch keinen Zaun gegeben. Noch vor Beginn der Ausbildung wäre dem Beschwerdeführer mit zwei weiteren Rekruten die Flucht aus dem Lager gelungen. Wie man eine Waffe bediene, wüsste er nicht, weil er noch am selben Tag (offensichtlich der Gefangennahme) aus dem Camp geflüchtet wäre. Er hätte die Waffe bei seiner Flucht mitgenommen und im Busch weggeworfen. Im Fall einer Rückkehr nach Liberia würde er von den Leuten des Charles Taylor neuerlich eingefangen, eingesperrt und getötet werden. Diese Aussage, dass zwangsweise rekrutierte Personen mit Waffen ausgerüstet würden und ohne Bewachung im Camp verblieben, sei unglaubwürdig. Der Beschwerdeführer habe auch seine Identität nicht durch Urkunden belegen können.

Im Übrigen habe sich die politische Situation in Liberia wesentlich geändert. Der Beschwerdeführer könnte sich nämlich im Fall seiner Rückkehr nach Liberia unter den Schutz der dort stationierten 18.000 Mann starken ECOMOG-Truppe der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft stellen, die sowohl die Hauptstadt Monrovia als auch die wichtigsten öffentlichen Einrichtungen der Stadt und des übrigen Landes kontrolliere und auch die Demobilisierung und Entwaffnung der seinerzeitig bewaffneten Bürgerkriegsparteien in die Wege geleitet habe und auch weiter vorantreibe. Charles Taylor sei bei fair abgehaltenen Wahlen zum neuen Staatspräsidenten gewählt worden. Er habe somit sein Ziel durch demokratische Mittel erlangt. Der Unabhängige Bundesasylsenat habe rechtskräftig festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme. Der Behörde sei es auf Grund des im § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel nicht verwehrt, die Ergebnisse des Asylverfahrens zu berücksichtigen; dies sei vielmehr naheliegend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 Abs. 1 FrG hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG im Verfahren gemäß § 75 leg. cit. die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 7. April 2000, Zl. 99/21/0001.)

Die Beschwerde tritt den behördlichen Feststellungen über die aktuelle Situation in Liberia nicht entgegen. Sie argumentiert, der Umstand, dass Charles Taylor nunmehr zum Staatsoberhaupt Liberias gewählt worden sei, verschlimmere die Situation um ein Vielfaches. Dem ist zu entgegnen, dass zwar der Führer der Rebellengruppe, die den Beschwerdeführer nach seiner Behauptung verfolgt hat, nunmehr die Staatsgewalt ausübt, dies allein jedoch noch keinen Grund für die Annahme darstellt, dass (weiterhin) Zwangsrekrutierungen erfolgen bzw. Personen, die sich früher einer Zwangsrekrutierung widersetzt haben, verfolgt werden.

Wie eingangs erwähnt hat ein Fremder im Verfahren gemäß § 75 Abs. 1 FrG das Bestehen einer aktuellen in dem im Antrag genannten Staat drohenden Verfolgung glaubhaft zu machen und es genügt die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung nicht, um die Abschiebung des Fremden unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. auch dazu das genannte Erkenntnis Zl. 99/21/0001). Ausgehend von den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen über die Beendigung des Bürgerkriegs im Heimatland des Beschwerdeführers kann somit die Ansicht der belangten Behörde, es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, stichhaltige Gründe für die Annahme glaubhaft zu machen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Liberia im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG gefährdet oder bedroht wäre, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war die belangte Behörde nicht gehalten, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Beschwerde gegen die Abweisung seines Asylantrages abzuwarten. Im Übrigen stellt die Frage der asylrechtlich relevanten Verfolgung eines Fremden keine Vorfrage, sondern (gleichfalls) eine Hauptfrage im Feststellungsverfahren nach § 75 Abs. 1 FrG dar. Unverständlich ist letztlich der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Fehlen einer Begründung, aus welchen konkreten Gründen die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Liberia im Interesse der öffentlichen Ordnung zulässig sei; diese Frage ist nämlich im Verfahren nach § 75 Abs. 1 FrG nicht zu prüfen.

Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. März 2001

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte