VwGH 98/18/0116

VwGH98/18/011630.1.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des am 17. Dezember 1971 geborenen JS, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Jänner 1998, Zl. SD 999/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
FrG 1997 §33 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
AVG §45 Abs2;
FrG 1997 §33 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. Jänner 1998 wurde der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 24. September 1995 illegal, und zwar versteckt in einem LKW, über einen unbekannten Grenzübergang in das Bundesgebiet eingereist. Am 26. September 1995 habe er einen Asylantrag gestellt; dieser sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. November 1995 abgewiesen worden. Der dagegen erhobenen Berufung habe der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 2. Juni 1997 keine Folge gegeben. Der Beschwerdeführer halte sich somit seit Erlassung des zweitinstanzlichen Bescheides (5. Juni 1997) ohne erforderliche Aufenthaltsberechtigung in Österreich auf.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers sei daher nicht rechtmäßig, wodurch im vorliegenden Fall die Ausweisung gemäß § 33 Abs. 1 FrG 1997 gerechtfertigt sei. Werde durch die Ausweisung in des Privat- und Familienleben des Fremden im Sinn des § 37 leg. cit. eingegriffen, so sei diese nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei. Ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers könne nicht geltend gemacht werden, weil sich alle seine Angehörigen in seinem Heimatland befänden. Soweit man aber dennoch einen Eingriff in das Privatleben im Hinblick auf den etwas mehr als zwei Jahre währenden, bloß während des laufenden Asylverfahrens tolerierten Aufenthaltes - der Beschwerdeführer sei über ein sicheres Drittland, nämlich Rumänien eingereist - annehmen wollte, so sei dieser Eingriff zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung dringend geboten, zumal dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften ein hoher Stellenwert zukomme.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, die vorliegende Ausweisung wäre obsolet geworden, weil er ihr Folge geleistet und das Land bereits verlassen hätte, werde festgestellt, dass die bloße Behauptung, das Land verlassen zu haben, keinen Nachweis dafür darstelle, dass der Beschwerdeführer tatsächlich Österreich verlassen habe. Der Beschwerdeführer sei laut Meldeauskunft vom 9. Jänner 1997 nach wie vor an seiner Wohnanschrift in Wien 23 gemeldet. Die belangte Behörde sei somit zur Ansicht gelangt, dass der Behauptung, der Beschwerdeführer wäre mittlerweile aus dem Bundesgebiet ausgereist, kein Glauben geschenkt werden könne.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gegen die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer halte sich seit Erlassung des seinen Asylantrag im Instanzenzug abweisenden Bescheides des Bundesministers für Inneres am 5. Juni 1997 unberechtigt in Österreich auf, weswegen die Voraussetzung nach § 33 Abs. 1 FrG für die vorliegende Ausweisung erfüllt sei, führt der Beschwerdeführer Folgendes ins Treffen:

Die belangte Behörde habe zu seinem Berufungsvorbringen ausgeführt, die bloße Behauptung, er hätte das Land verlassen, stelle keinen Nachweis dafür dar, dass er sich tatsächlich im Ausland befinde. Laut Meldeauskunft vom 9. Jänner 1997 sei er weiterhin an seiner Wohnanschrift gemeldet. Dabei übersehe die belangte Behörde, dass die Berufung mit 10. Juli 1997 datiert und daher die Meldeauskunft der Behörde sechs Monate alt gewesen sei. Im Übrigen sei die Tatsache der Nichtabmeldung kein Beweis dafür, dass sich der Beschwerdeführer tatsächlich noch im Bundesgebiet aufhalte. Es entspreche der Lebenserfahrung, dass viele Fremde das Bundesgebiet verließen, ohne sich vorher polizeilich abzumelden. Bei Zweifeln am Vorbringen des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde über seinen rechtsfreundlichen Vertreter Beweismittel verlangen können.

1.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer seit Erlassung des zweitinstanzlichen Bescheides (5. Juni 1997) ohne erforderliche Aufenthaltsberechtigung in Österreich aufhalte. Wenn die belangte Behörde unter Hinweis auf die Meldeauskunft vom 9. Jänner 1997 über eine aufrechte Meldung des Beschwerdeführers an seiner Wohnanschrift in Wien ihre Beweiswürdigung dahingehend vornahm, dass sie dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung vom 10. Juli 1997, er habe der Ausweisung nunmehr Folge geleistet und das Land verlassen, keinen Glauben schenkte, so ist dies im Rahmen der diesbezüglich dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Kontrolle (vgl. insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) schon auf Grund des seit der Meldeauskunft verstrichenen Zeitraumes nicht schlüssig. Das Unterbleiben einer nachvollziehbaren Auseinandersetzung mit dem besagten Vorbringen stellt aber einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, weil für den Fall, dass der Beschwerdeführer bereits vor Erlassung des angefochtenen Bescheides - im Sinn seines Berufungsvorbringens - aus Österreich ausgereist ist, eine Ausweisung des Beschwerdeführers aus den im hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 98/18/0003, genannten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, unzulässig wäre.

2. Im Hinblick darauf war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. Jänner 2001

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