VwGH 98/18/0068

VwGH98/18/00687.8.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des ZS, (geboren am 30. Juli 1969), vertreten durch Dr. Alex Pratter und Dr. Peter Lechenauer, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 29. Dezember 1997, Zl. Fr-5705/2/97, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen einen Aufenthaltsverbotsbescheid, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hallein (der erstinstanzlichen Behörde) vom 25. Februar 1997 war gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, nach dem Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Dieser Bescheid war ihm am 3. März 1997 zugestellt worden. Dagegen erhob der Beschwerdeführer die Berufung vom 18. März 1997, die am selben Tag zur Post gegeben wurde. Die belangte Behörde wies diese Berufung mit Bescheid vom 2. Juli 1997 (zugestellt am 9. Juli 1997) als verspätet zurück, weil die Berufungsfrist bereits am 17. März 1997 geendet habe.

2. Mit dem mit 22. Juli 1997 datierten, am selben Tag zur Post gegebenen Schriftsatz stellte der Beschwerdeführer den Antrag, ihm gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen den obgenannten Bescheid vom 25. Februar 1997 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, und erklärte, nochmals die Berufung zu erheben und auf das bisherige Berufungsvorbringen vom 18. März 1997 zu verweisen. Begründend führte er zu seinem Wiedereinsetzungsantrag im Wesentlichen aus, dass er der deutschen Sprache in Wort und Schrift nicht ausreichend mächtig sei. Er habe zwar den Bescheid vom 25. Februar 1997 am 3. März 1997 zugestellt bekommen, jedoch bei seiner Vorsprache in der Kanzlei seines Rechtsvertreters am 12. März 1997 irrtümlich, auch infolge seiner mangelnden Deutschkenntnisse, den 5. März 1997 als Zustellungsdatum angegeben, weshalb die in der Kanzlei tätige Sekretärin diesen Tag und im Fristenkalender den 19. März 1997 als letzten Tag zur Erstattung der Berufung eingetragen habe. Auf dem Rückscheinkuvert (mit dem dieser Bescheid an ihn zugestellt worden sei) sei kein Zustelldatum ablesbar gewesen, sodass sein Rechtsvertreter für die Berechnung der Berufungsfrist jenen Tag angenommen habe, der von der Sekretärin als Zustelltag vermerkt worden sei. Dieser Irrtum stelle für den Beschwerdeführer ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar. Erst durch die Zustellung des obgenannten Bescheides vom 2. Juli 1997 sei ihm und seinem Rechtsvertreter zur Kenntnis gelangt, dass die am 18. März 1997 erhobene Berufung verspätet sei. Zur Bescheinigung dieser Behauptungen berief sich der Beschwerdeführer u. a. auf die Vernehmung seines Rechtsvertreters als Auskunftsperson.

Die erstinstanzliche Behörde gab mit Bescheid vom 22. August 1997 gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG dem Wiedereinsetzungsantrag nicht statt.

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde u. a. aus, der Umstand, dass auf dem Rückscheinkuvert das Zustelldatum nicht ablesbar gewesen sei, hätte Grund für eine Rückfrage sein müssen, wann das Schriftstück tatsächlich zugestellt worden sei. Auch könne die unrichtige Annahme des Zustelltages nicht mit den mangelnden Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers erklärt werden. So befinde sich dieser bereits seit fünf Jahren in Österreich, was seiner Intelligenz entsprechend und als Gesellschafter von näher bezeichneten Unternehmen in Salzburg den Erwerb entsprechender Deutschkenntnisse bedingt habe. Ferner habe er am 28. März 1997 anlässlich einer Kontrolle der Grenzgendarmerie in Spielfeld (im Einzelnen zitierte) Angaben getätigt, die nicht auf derart mangelhafte Deutschkenntnisse schließen ließen, dass er sich nicht eindeutig verständlich hätte machen können. Da an der Richtigkeit der (übrigen) Behauptungen ohnehin nicht gezweifelt werde, habe die Vernehmung seines Rechtsvertreters als Auskunftsperson unterbleiben können.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er sich u. a. gegen die Beurteilung wandte, dass er über ausreichende Deutschkenntnisse verfüge. Er brachte dazu vor, dass sein Rechtsvertreter in anderen Verfahren mit ihm Gespräche habe führen müssen, bei denen es erforderlich gewesen sei, einen Dolmetscher beizuziehen, um die "Details und Feinheiten von Verfahrensinhalten/Schriftstückinhalten etc." zu besprechen. Auch in gerichtlichen Verfahren, wo der Beschwerdeführer u. a. als Zeuge aufgetreten sei, habe für ihn ein Dolmetscher beigezogen werden müssen. Ferner habe er keinesfalls die Rechtsmittelbelehrung im erstinstanzlichen Bescheid lesen und verstehen können.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Nach Wiedergabe des wesentlichen Berufungsvorbringens des Beschwerdeführers und des § 71 Abs. 1 AVG führte die belangte Behörde begründend aus, es sei zu prüfen, ob es sich bei der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten falschen Kalender- bzw. Fristeintragung tatsächlich um ein für ihn unabwendbares Ereignis gehandelt habe bzw. ob ihn kein (Verschulden) oder nur ein minderer Grad des Versehens treffe. Aus seinen Ausführungen sei ersichtlich, dass die Kanzleikraft infolge des fehlenden Datums auf dem Zustellschein gezwungen gewesen sei, bei ihm nachzufragen, wann die Zustellung tatsächlich erfolgt sei. Auf Grund des mit ihm geführten Gesprächs sei der 5. März 1997 als Zustelltag vermerkt worden. Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, es wäre ihm nicht möglich gewesen, die Bedeutung der Rechtsmittelbelehrung zu erfassen, so sei ihm entgegenzuhalten, dass er damit habe rechnen müssen, dass die erstinstanzliche Behörde ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn führe. In Kenntnis des gegen ihn laufenden Verfahrens habe er einen RSa-Brief übernommen. Die Behauptung, er wäre nicht in der Lage gewesen, die Bedeutung der Zustellung zu erfassen, und er hätte aus diesem Grund bei seiner Vorsprache in der Kanzlei ein anderes Zustelldatum angegeben, stelle kein bloß minderes Versehen dar, weil für jedermann offenkundig sei, dass mit der eigenhändigen Zustellung eines Schriftstückes und dem Unterschreiben des Zustellscheins mitunter wesentliche Folgen verbunden seien. Wenn er sich auf mangelnde Sprachkenntnisse berufe, so stellten auch diese keinen Wiedereinsetzungsgrund dar. Im Übrigen sei nicht nachvollziehbar, inwieweit das Erfassen der Bedeutung eines relativ einfachen Vorganges (Übernahme eines Schriftstückes an einem bestimmten Tag) komplizierte Kenntnisse der deutschen Sprache bzw. der Amtssprache voraussetzen sollten. Die Eintragung des 5. März 1997 als Zustelldatum sei auf das schuldhafte Verhalten des Beschwerdeführers zurückzuführen. Im Übrigen sei es gerade dann, wenn er die Bedeutung der Rechtsmittelbelehrung bzw. die Folgen der eigenhändigen Zustellung nicht habe erfassen können, die Nennung des falschen Zustelldatums besonders fahrlässig gewesen. Die gesonderte Vernehmung seines Rechtsvertreters bzw. dessen Angestellter sei nicht notwendig gewesen, weil deren Angaben lediglich dazu hätten dienen sollen, seine Ausführungen zu bestätigen.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorweg ist festzuhalten, dass - insoweit stimmen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens überein - die Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid vom 25. Februar 1997 versäumt wurde, somit die wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages erfüllt ist (§ 71 Abs. 1 AVG).

2. Nach der vorliegend in Betracht kommenden Bestimmung des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 2. September 1999, Zlen. 96/18/0211, 0235, mwN).

3.1. In der Beschwerde wiederholt der Beschwerdeführer sein bereits im Verwaltungsverfahren erstattetes Vorbringen, dass zwar der obgenannte Aufenthaltsverbotsbescheid an ihn bereits am 3. März 1997 zugestellt worden sei, er jedoch anlässlich seiner Vorsprache am 12. März 1997 in der Kanzlei seines Rechtsvertreters irrtümlich den 5. März 1997 als Datum der Bescheidzustellung mitgeteilt habe, sodass dieser Tag von der Sekretärin seines Rechtsvertreters als Zustelltag vermerkt und der 19. März 1997 im Fristenkalender als letzter Tag der Berufungsfrist eingetragen worden sei. Grund für diese seine irrtümlichen Angaben seien auch seinen mangelhaften Deutschkenntnisse gewesen. Diese Fristberechnung auf Grund seiner irrtümlichen Angaben stelle für ihn ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, an dem ihn nur ein minderer Grad des Versehens treffe.

3.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Selbst wenn dem Beschwerdeführer tatsächlich auf Grund mangelhafter Sprachkenntnisse der behauptete Irrtum bei seiner Mitteilung betreffend den Tag der Bescheidzustellung unterlaufen sein sollte - in seiner Berufung vom 9. September 1997 brachte er, wie oben (I. 2.) dargelegt, vor, dass bei gerichtlichen Vernehmungen wie auch bei Besprechungen mit seinem Rechtsvertreter ein Dolmetscher habe beigezogen werden müssen - und wenn man den behaupteten Irrtum des Beschwerdeführers als unvorgesehenes Ereignis im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG wertet, kann der Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe bei der Nennung des Zustelldatums "besonders fahrlässig", somit auffallend sorglos, gehandelt, nicht entgegengetreten werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, zu § 71 AVG E. 154 zitierte Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/11/0187) trifft in Anbetracht der Bedeutung von Rechtsmittelfristen jede Partei in Bezug auf deren Einhaltung eine erhöhte Sorgfaltspflicht. Gerade das Wissen des Beschwerdeführers um seine mangelhafte Beherrschung der deutschen Sprache hätte ihn zu besonderer Aufmerksamkeit auch in Bezug auf die richtige Mitteilung des Zustelltages veranlassen müssen. Da somit den Beschwerdeführer ein über einen bloß minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden an der unrichtigen Bekanntgabe des Zustelltages trifft, entspricht die Abweisung seines Wiedereinsetzungsantrages mit dem angefochtenen Bescheid dem Gesetz.

3.3. Die in der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge, die belangte Partei hätte den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers und dessen Angestellte zum tatsächlichen Ablauf der Besprechung vernehmen müssen, geht ins Leere, weil die belangte Behörde die Behauptungen des Beschwerdeführers, dass auf Grund seiner Angaben in der Kanzlei seines Rechtsvertreters der 5. März 1997 als Zustelldatum vermerkt worden sei, nicht in Zweifel gezogen und sie ihrer rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt hat.

4. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 7. August 2001

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