VwGH 98/12/0083

VwGH98/12/00838.1.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde der H in L, vertreten durch Dr. Manfred Meyndt, Dr. Christian Ransmayr, Dr. Dominikus Schweiger und Mag. Norbert Hein, Rechtsanwälte in Linz, Kaplanhofstraße 2, gegen den Bescheid der Studienkommission der Medizinischen Fakultät der Universität Wien vom 25. April 1996, Zl. 97-1994, betreffend Nichtanrechnung bestimmter an der Universität in Tel-Aviv abgelegter Prüfungen für das Studium der Medizin an der Universität Wien (§ 21 Abs. 1 und 5 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes), zu Recht erkannt:

Normen

AHStG §21 Abs1;
AHStG §21 Abs5;
AHStG §21 Abs1;
AHStG §21 Abs5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte mit ihrem an die belangte Behörde gerichteten formularmäßigen Ansuchen vom 16. Februar 1995 den Antrag, ihr bestimmte an der Universität Tel Aviv durchgeführte Studien und abgelegte Prüfungen für ihr an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien betriebenes Studium der Medizin gemäß § 21 Abs. 1 und 5 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes (AHStG) anzurechnen bzw. anzuerkennen.

Mit Bescheid vom 9. März 1995 anerkannte der Vorsitzende der Studienkommission der Medizinischen Fakultät der Universität gemäß § 21 Abs. 1 und 5 AHStG in Verbindung mit den §§ 4 Abs. 2, 5 Abs. 3, 6 Abs. 3, 8 und 9 der Studienordnung für die Studienrichtung Medizin, BGBl. Nr. 473/1978, für bestimmte Fächer des II. Studienabschnittes die von der Beschwerdeführerin an der Universität Tel Aviv absolvierten Vorstudien und Prüfungen an. Der Spruch dieses Bescheides enthält ferner folgende Entscheidung (Hervorhebungen im Original):

"Orientierende Kolloquien sind aus folgenden Fächern

abzulegen: 'Pharmakologie und Toxikologie'

'Krankenhaus und

Umwelthygiene'

Nicht angerechnet wird:

'Pharmakologie u. Toxikologie'

(Teilprüfung)

'Hygiene, Mikrobiologie u.

Präventivmedizin' (Übung und Teilprüfung)"

Die Begründung enthält neben einer Wiedergabe des Inhaltes des § 21 Abs. 1 und 5 AHStG - soweit dies hier von Interesse ist - folgende Ausführungen:

"Da hinsichtlich der an der Universität in Tel-Aviv absolvierten Studien und Prüfungen, welche nicht angerechnet bzw. anerkannt wurden, in Bezug auf Inhalt und Umgang (richtig wohl: Umfang) der Lehrveranstaltungen bzw. auf die Studienordnung für die Studienrichtung Medizin keine Gleichwertigkeit gegeben ist, war spruchgemäß zu entscheiden."

In ihrer Berufung focht die Beschwerdeführerin den erstinstanzlichen Bescheid ausdrücklich nur bezüglich der aus ihrer Sicht negativen (oben wörtlich wiedergegebenen Spruchteile (Nichtanerkennung von Prüfungen und Vorschreibung orientierender Kolloquien) an. Bezüglich der Fächer "Pharmakologie und Toxikologie" und "Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin" führte sie unter Hinweis auf den Studienbericht näher den Umfang der von ihr an der Universität Tel Aviv (in den Jahren 1980 bis 1982) betriebenen Studien aus. Dem erstinstanzlichen Bescheid sei in keiner Weise zu entnehmen, weshalb ihre Ausbildung in Tel Aviv in diesen Fächern nicht anerkannt werde bzw. sie bestimmte orientierende Kolloquien in diesen Bereich abzulegen habe. Auf den in der Begründung enthaltenen Hinweis auf die mangelnde Gleichwertigkeit werde nicht näher eingegangen. Zumindest wäre es notwendig gewesen, sie zur effektiven Ausbildung und deren Umfang in diesen Fächern zu befragen, wenn sich dies nicht schon aus der (von ihr vorgelegten) Urkunde des "record of studies" entnehmen habe lassen.

Nach den vorgelegten Verwaltungsakten wurden der Vorstand des Institutes für Pharmakologie und der Vorstand des Institutes für Hygiene mit dem Berufungsvorbringen befasst; sie gaben dazu auch Stellungnahmen ab (Stellungnahmen vom 7. und 8. Februar 1996). Aus den vorgelegten Akten geht nicht hervor, ob diese Stellungnahmen der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht wurden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25. April 1996 erließ die belangte Behörde folgende Erledigung:

"BESCHEID

Die Studienkommission der Medizinischen Fakultät hat in ihrer Sitzung unter dem Vorsitz des stellvertr. Studienkommissions Vorsitzenden am 17. April 1996 über die Berufung vom 05. April 1995, gegen den Bescheid des Vorsitzenden der Studienkommission Zl ... vom 09. März 1995 wie folgt entschieden:

SPRUCH

... (Die folgenden Passagen einschließlich der Begründung entsprechen fast wortwörtlich dem erstinstanzlichen Bescheid, der oben in den hier interessierenden Teilen wiedergegeben wurde. Umgedreht wurde nur die Reihenfolge, weil zunächst über die Nichtanrechnung - mit dem Zusatz 'Für den II. Studienabschnitt (klinisch-theoretisch) und sodann über die orientierenden Kolloquien' abgesprochen wurde.) ..."

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichthof, der jedoch deren Behandlung mit Beschluss vom 24. Februar 1998, B 2099/96, ablehnte, und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In ihrer über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Statt dessen wurde zum Beschwerdefall (und zu einem weiteren Fall) eine "Sachverhaltsdarstellung" abgegeben, in der im Wesentlichen auf die beiden im Berufungsverfahren eingeholten Stellungnahmen der Fachvertreter hingewiesen wurde, die nur eine spruchgemäße Entscheidung zugelassen habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

I. Rechtslage

1. § 21 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes (AHStG), BGBl. Nr. 177/1966, lautet (auszugsweise):

"(1) Ordentliche Studien einer anderen Studienrichtung, die an einer inländischen Hochschule abgelegt wurden, oder Studien an einer ausländischen Hochschule sind für die vorgeschriebene Dauer eines ordentlichen Studiums anzurechnen, soweit sie den ordentlichen Studien dieser Studienrichtung auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gleichwertig sind. ...

(5) Die an einer inländischen Universität (Hochschule) für das Studium einer anderen Studienrichtung oder die an einer anerkannten ausländischen Hochschule abgelegten Prüfungen (§ 23) sind vom zuständigen Organ der Universität anzuerkennen, soweit sie den nach den anzuwendenden Studienvorschriften vorgeschriebenen Prüfungen (§ 23) gleichwertig sind. Abs. 1 letzter Satz gilt sinngemäß."

2. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 des im Beschwerdefall anzuwendenden Universitäts-Organisationsgesetzes (UOG), BGBl. Nr. 258/1975, ist zur Entscheidung über Anträge Studierender in Studienangelegenheiten in erster Instanz der Vorsitzende der Studienkommission (§ 59 Abs. 4 und 5), in zweiter und letzter Instanz die Studienkommission (§ 58 lit. e) zuständig. Nach der abschließenden Aufzählung der Studienangelegenheiten in Abs. 3 zählen hiezu gemäß dessen lit. c auch die Anrechnung von Studien und Anerkennung von Prüfungen (§ 21 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes).

Die belangte Behörde hatte in dem der Beschwerde zugrundeliegenden Verfahren gemäß § 7 Abs. 4 UOG 1975 die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) anzuwenden.

3. Gemäß § 45 Abs. 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach der Anordnung des § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wurde, zu begründen. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Aus der Begründung eines Bescheides muss demnach erkennbar sein, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt, und aus welchen Gründen die Behörde den festgestellten Sachverhalt nach einem bestimmten Tatbestand beurteilt (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1981, Zlen. 81/11/0009, 0041, und vom 20. November 1984, Zl. 84/07/0042).

II. Beschwerde

Diesen an die Begründung eines Bescheides gestellten gesetzlichen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid in keiner Weise gerecht.

Wie die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde u.a. zutreffend geltend gemacht hat, lässt sich dem angefochtenen Bescheid überhaupt nicht entnehmen, aus welchen Gründen die belangte Behörde bei den hier strittigen, an einer ausländischen Universität absolvierten Studien und Prüfungen, deren Anrechnung bzw. Anerkennung die Beschwerdeführerin anstrebt, die Gleichwertigkeit verneint hat. Aus den bloß allgemein gehaltenen Ausführungen in der Begründung ist weder erkennbar, welchen Umfang die von der Beschwerdeführerin an der Universität Tel Aviv in den hier strittigen Fächern absolvierten Studien und abgelegten Prüfung hatten, noch in welchem Umfang sie diese nach den in ihrem Fall in Betracht kommenden besonderen studienrechtlichen Vorschriften (Studiengesetz, Studienordnung, Studienplan) im Studium der Medizin an der Universität Wien ablegen müsste. Vor allem wäre es aber erforderlich gewesen, insbesondere unter Heranziehung der jeweils zur Anwendung kommenden studienrechtlichen Vorschriften darzulegen, welcher Stoff in welchem Schwierigkeitsgrad und in welchem Umfang durch die zu vergleichenden Lehrveranstaltungen vermittelt wird (vgl. dazu z. B. die hg. Erkenntnisse vom 14. Dezember 1987, Zl. 86/12/0125, vom 23. Juni 1993, Zl. 89/12/0233, oder vom 19. April 1995, Zl. 92/12/0281). Zwar hat die belangte Behörde in dem von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahren Stellungnahmen von Vertretern der angesprochenen Fächer eingeholt. Sie hat aber diese Stellungnahmen offenbar weder der Beschwerdeführerin vor Erlassung des angefochtenen Bescheides in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht noch im angefochtenen Bescheid explizit verwertet. Sie hat sich aber offenkundig - wie sich aus ihrer "Sachverhaltsdarstellung" im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergibt - im Ergebnis von diesen Stellungnahmen bei ihrer Entscheidung maßgebend leiten lassen. Bei dieser Fallkonstellation ist es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, das Zutreffen dieser Stellungnahmen zu prüfen. Das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichthof dient nicht dazu, das fehlerhaft gebliebene und mit dem angefochtenen Bescheid abgeschlossene Verwaltungsverfahren vor dem Gerichtshof nachzuholen. Deshalb konnte auch in der "Sachverhaltsdarstellung" die erforderliche Begründung nicht nachgeholt werden.

Daraus ergibt sich, dass einerseits infolge fehlender Sachverhaltsfeststellung der angefochtene Bescheid ergänzungsbedürftig geblieben ist, andererseits die belangte Behörde Verfahrensvorschriften über die Begründungspflicht außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und 49 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Der Kostenersatz für den pauschalierten Schriftsatzaufwand beträgt nach der zitierten Verordnung S 12.500,--. Der unter dem Titel "Beschwerde" im Kostenverzeichnis geltend gemachte Betrag in der Höhe von S 15.000,-- war daher, soweit er die Pauschalierung übersteigt, abzuweisen.

Wien, am 8. Jänner 2001

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