VwGH 98/06/0150

VwGH98/06/015023.2.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde der A H in I, vertreten durch DDr. S und Dr. S, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 17. Juli 1998, Zl. I-2568/1998, betreffend Nachbareinwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: S Bauges.m.b.H., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. D, Innsbruck, ), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO Tir 1989 §29 Abs4;
BauO Tir 1989 §30 Abs4;
BauO Tir 1989 §7 Abs5;
BauO Tir 1989 §7;
BauO Tir 1989;
BauRallg;
Bauvorschriften Tir 1981 §19 ;
ROG Tir 1997 §115;
ROG Tir 1997 §55 Abs4;
AVG §8;
BauO Tir 1989 §29 Abs4;
BauO Tir 1989 §30 Abs4;
BauO Tir 1989 §7 Abs5;
BauO Tir 1989 §7;
BauO Tir 1989;
BauRallg;
Bauvorschriften Tir 1981 §19 ;
ROG Tir 1997 §115;
ROG Tir 1997 §55 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Innsbruck hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Stadtmagistrats Innsbruck vom 19. März 1998 wurde der mitbeteiligten Partei die Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage mit Tiefgarage auf der Grundparzelle 1397 der KG A erteilt und die Einwendungen der als Nachbarn beteiligten Parteien (u.a. der Beschwerdeführerin) teilweise als unbegründet abgewiesen, teilweise als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob u.a. auch die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und die erstinstanzliche Entscheidung im Rahmen des Berufungsvorbringens vollinhaltlich bestätigt. Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid dahingehend, bei dem gegenständlich geplanten Objekt handle es sich um eine Wohnanlage mit insgesamt 15 Wohneinheiten und einer Tiefgarage mit 19 Autoabstellplätzen. Die in das leicht geneigte Gelände eingefügte, aus zwei Baukörpern bestehende Wohnanlage umfasse ein Unter-, ein Erd-, ein Ober- und ein Dachgeschoß und werde L-förmig angeordnet. Die Länge betrage an der Nordseite 38,57 m, die Breite an der Ostseite 25,99 m. Die Tiefgarage, die sich größtenteils unter dem nördlichen Baukörper (Haus B) befinde, werde über eine überbaute Zufahrtsrampe auf eigenem Grund errichtet (wohl: erschlossen). Die Verbindung zum Sweg erfolge über einen vorhandenen Servitutsweg. Die Wohnanlage, die im Westen und Osten hinter der rechtskräftigen Baufluchtlinie stehe, halte im Norden (u. a.) zu der Grundparzelle der Beschwerdeführerin (Gp. 1398 KG A) einen Mindestabstand von 4 m und im Süden einen Mindestabstand von 4,46 m ein. Der Baukörper B der Wohnanlage habe im Süden einen Mindestabstand zur Grundgrenze von 4,02 m .

Zwei Stiegenabgänge vom allgemeinen Erschließungsweg in die Tiefgarage würden mit Stahlglaskonstruktionen überdacht, die eine maximale Höhe von 2,80 m aufwiesen.

Anzuwenden sei im Hinblick auf den am 10. Oktober 1996 gestellten Baubewilligungsantrag gemäß § 58 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung 1998 weiterhin die Tiroler Bauordnung 1989. Nach dem anzuwendenden Flächenwidmungsplan (AL-F1 vom 24. August 1983) liege die zu bebauende Liegenschaft im "Wohngebiet". Dieser noch dem Rechtsbestand angehörende Bebauungsplan sehe für den Bauplatz die offene Bauweise, eine maximale Bauhöhe von zwei Vollgeschoßen und eine Baudichte (Geschoßflächendichte) von 0,5 vor. Außerdem seien nach den örtlichen Bauvorschriften bei einem Bedarf von mehr als sechs Kfz-Abstellplätzen diese in einer Tiefgarage unterzubringen; auch habe das Projekt über geneigte Dachflächen zu verfügen.

Der § 114 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997 (TROG 1997) bestimme, dass die im Zeitpunkt seines Inkrafttretens bestehenden Bebauungspläne nicht geändert werden dürften. Sie träten (erst) mit der Erlassung des allgemeinen Bebauungsplanes für die betreffenden Grundflächen außer Kraft. Bis dahin sei auf die Festlegungen solcher Bebauungspläne, soweit sie nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Gesetzes (TROG 1997) stünden, im Bauverfahren Bedacht zu nehmen. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung gelte diese auch für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des TROG 1997 noch bestehenden Verbauungspläne soweit sie den allgemeinen und den ergänzenden Bebauungsplänen nach diesem Gesetz (TROG 1997) vergleichbare Festlegungen enthielten.

Hinsichtlich des in der Berufung u.a. auch von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwandes, das Projekt überschreite die zulässige Geschoßflächendichte von 0,5 erheblich, sei zu erwidern, dass nach § 56 Abs. 1 TROG 1997 im allgemeinen Bebauungsplan hinsichtlich der verkehrsmäßigen Erschließung die Straßenfluchtlinie der Straße und hinsichtlich der Bebauung nur die Mindestbaudichten festzulegen seien und überdies den Nachbarn ein Recht auf Einhaltung von verordneten Maximalbaudichten dann nicht zukomme, wenn das Objekt höhen- und abstandsmäßig in anderer Weise fixiert sei. Auf Grund der Stellungnahme des Stadtplanungsamtes vom 31. Oktober 1996 sei davon auszugehen, dass das geplante Objekt mit zwei Vollgeschoßen die festgelegte Bauhöhe sowie andererseits auch die nach § 7 der Tiroler Bauordnung vorgeschriebenen Mindestgrenzabstände einhalte, so dass subjektivöffentliche Interessen der Nachbarn nicht beeinträchtigt werden könnten. Auch stünden die im Bebauungsplan AL-F1 vom 24. August 1983 normierten Maximalbaudichten in Widerspruch zu den Bestimmungen des TROG 1997, weshalb auf diese Festlegung im Sinne des § 114 Abs. 2 und 3 TROG 1997 nicht Bedacht zu nehmen gewesen sei. Der zitierten Stellungnahme des Stadtplanungsamtes sei weiters zu entnehmen, dass sowohl die Bebauungsdichte von 0,35 als auch die Baumassendichte von 2,3 des Projektes auch einem (nach den Bestimmungen des TROG 1997) künftig zu erstellenden Bebauungsplan entspräche und daher auch einer geordneten baulichen Gesamtentwicklung der Gemeinde im Sinne der Ziele der örtlichen Raumplanung (§ 115 Abs. 2 lit. a TROG 1997) nicht zuwiderlaufe.

Insoweit in der Berufung (u.a. auch) der Beschwerdeführerin vorgebracht werde, dass die mit "Dachgeschoß" bezeichneten Geschoße der beiden Baukörper in Wahrheit "Vollgeschoße" seien, werde dem entgegengehalten, dass diese Geschoße im Sinne des § 3 Abs. 4 Tiroler Bauordnung 1989 und im Hinblick auf die in den Einreichplänen dargestellten Kotierungen keine Vollgeschoße seien, weil die Summe der Geschoßflächen mit Raumhöhen von 2,30 m bzw. 2,70 m weniger als 50 % der Gesamtgeschoßflächen ausmachten, was sowohl für die einzelnen Baukörper als auch für die gesamte Anlage gelte. Einen subjektiv öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Einhaltung der Gebäudehöhe habe die Beschwerdeführerin daher nicht.

Zum weiteren Einwand der Beschwerdeführerin, bei der geplanten Erschließungsstraße handle es sich um eine oberirdische bauliche Anlage, damit würden Mindestabstände von mehr als 10 v.H. der Fläche des Bauplatzes verbaut werden, werde ausgeführt, dass es außer Zweifel stehe, dass die an der Nordgrenze zur Liegenschaft der Beschwerdeführerin geplante Erschließungsstraße eine bauliche Anlage im Sinn des § 3 Abs. 1 Tiroler Bauordnung 1989 sei; diese sei jedoch infolge der bis zu drei Meter hohen Hangstützwand als unterirdische bauliche Anlage zu qualifizieren, sodass § 7 Abs. 8 Tiroler Bauordnung 1989 darauf nicht zur Anwendung komme.

Auch zur Frage der Zulässigkeit der (an der Nordseite projektierten zwei) Treppenhäuser im Dachgeschoß sei auszuführen, dass diese als "erkerähnliche", "untergeordnete" Bauteilausformung zu qualifizieren sei und diese ebenfalls zulässig seien, weil sie im Bereich einer von der Grundgrenze zurückversetzten Wand erstellt werden sollten und über den zulässigen Mindestabstand von 5,4 m hinaus einen solchen von 5,74 einhielten; gleichermaßen dürften sie als erkerähnliche, untergeordnete Bauteile 1,86 m in den Bauwich hineinragen, was aber tatsächlich sogar (mit 1,54 ) unterschritten werde.

Den weiters erhobenen Einwendungen bezüglich einer Einschränkung des Brandschutzes könne nicht gefolgt werden, da der beigezogene Brandsachverständige gegen das Vorhaben in der projektierten Form keine Einwendungen erhoben habe. Auch die geltend gemachten Verfahrensmängel, insbesondere der Mangel einer Darstellung der im TROG 1997 festgelegten Planungsziele, der Mangel der Einholung eines amtlichen Gutachtens über die Be- und Entwässerungseinrichtungen, die Unzulässigkeit der (an den Konsenswerber) erteilten Aufträge zur Verbesserung des Baubewilligungsansuchens, die Verletzung des Parteiengehörs und des Rechtes auf Akteneinsicht und zur Herstellung von Plankopien, erachtete die belangte Behörde als nicht vorliegend.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde aus den Beschwerdegründen der inhaltlichen Rechtswidrigkeit sowie der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Durchführung eines mängelfreien Verwaltungsverfahrens und auf "richtige Anwendung der individuelle Rechte verbriefenden Bestimmungen" der Tiroler Bauordnung 1989 sowie jener des TROG 1997 verletzt.

Die belangte Behörde erstattete - wie auch die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 58 Abs. 1 Tiroler Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15/1998, sind die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Baubewilligungsverfahren und Verfahren auf Grund von Bauanzeigen nach der bisherigen Tiroler Bauordnung (1989) weiterzuführen, wenn das betreffende Bauvorhaben auch nach diesem Gesetz bewilligungspflichtig oder zumindest anzeigepflichtig ist. Andernfalls ist das Verfahren einzustellen. Die Tiroler Bauordnung 1998 ist gemäß § 59 Abs. 1 mit 1. März 1998 in Kraft getreten. Zu diesem Zeitpunkt war das vorliegende Baubewilligungsverfahren bereits anhängig (das Bauansuchen langte - wie bereits dargelegt - beim Stadtmagistrat der Landeshauptstadt Innsbruck am 10. Oktober 1996 ein; gemäß § 20 Abs. 1 lit. a leg. cit. ist u.a. der Neubau von Gebäuden bewilligungspflichtig). Es ist daher im Beschwerdefall die Tiroler Bauordnung 1989 anzuwenden.

Gemäß § 30 Abs. 1 Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989 (TBO), sind Nachbarn Eigentümer von Grundstücken, die zu dem zur Bebauung vorgesehenen Grundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, dass durch die bauliche Anlage oder durch deren Benützung hinsichtlich der durch dieses Gesetz geschützten Interessen mit Rückwirkungen auf ihr Grundstück oder die darauf errichtete bauliche Anlage zu rechnen ist.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt Nachbarn ein in zweifacher Weise beschränktes Mitspracherecht im Baubewilligungsverfahren zu: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, u. v.a.). Die Beschwerdeführerin hat bereits in der mündlichen Bauverhandlung detaillierte Einwendungen erhoben, die sie - soweit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch von Relevanz - in der gegen den erstinstanzlichen Bescheid gerichteten Berufung und auch nunmehr in der Beschwerde wiederholt.

Gemäß dem § 30 Abs. 4 TBO 1989 sind derartige subjektivöffentliche Nachbarrechte als Rechte definiert, die in einer Bestimmung der Tiroler Bauordnung oder einer auf der Grundlage der Tiroler Bauordnung ergangenen Verordnung begründet sind, die nicht nur der Wahrung öffentlicher Interessen, sondern auch dem Schutz des Nachbarn dienen. Danach können subjektiv-öffentlichrechtliche Einwendungen insbesondere auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, auf die Bauweise, die Bauhöhe, die Mindestabstände von baulichen Anlagen, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz gestützt werden.

Unter Punkt 1 der Beschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin im Wesentlichen gegen die projektierte Bauhöhe.

Nach § 114 Abs. 1 Tiroler Raumordnungsgesetz, LGBl. Nr. 10/1997 - TROG 1997 (in Kraft getreten am 26. Februar 1997) dürfen die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestehenden Bebauungspläne nach § 18 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 nicht mehr geändert werden. Sie treten mit der Erlassung des allgemeinen Bebauungsplanes für die betreffenden Grundflächen außer Kraft. Bis dahin ist auf die Festlegungen solcher Bebauungspläne, soweit sie nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Gesetzes stehen, im Bauverfahren Bedacht zu nehmen. Ein allgemeiner Bebauungsplan wurde gemäß TROG 1997 bisher noch nicht erlassen.

Nach dem Abs. 3 dieser Gesetzesstelle gilt Abs. 1 für im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes noch bestehende Verbauungspläne (Wirtschaftspläne), soweit sie den allgemeinen und den ergänzenden Bebauungsplänen nach diesem Gesetz vergleichbare Festlegungen enthalten, sinngemäß.

Da gemäß § 62 Abs. 1 erster Satz TROG 1997, die Festlegung der Bauhöhe von Gebäuden in gleicher Weise wie nach § 24 Abs. 2 TROG 1984 durch die Angabe einer Wandhöhe der Außenwände oder durch die Zahl der Vollgeschoße erfolgen kann, hat sich an der für die Beurteilung der vorliegenden Rechtsfrage maßgeblichen Rechtslage nichts geändert. Es ist daher gemäß § 114 Abs. 1 TROG 1997 auf die in Rede stehende Festlegung der Bauhöhe im Bebauungsplan auch im Beschwerdefall, in dem der angefochtene Gemeindebescheid nach dem Inkrafttreten des TROG 1997 erging, Bedacht zu nehmen, da die Festlegung nicht in Widerspruch zu den Bestimmungen des TROG 1997 steht.

Im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde über das vorliegende Bauansuchen stand der Bebauungsplan AL-F1 vom 24. August 1983 noch in Kraft. In diesem Bebauungsplan ist hinsichtlich des zu bebauenden Grundstückes der mitbeteiligten Partei die Zahl der Vollgeschosse (Höchstmaß im Sinne des § 24 Abs. 1 TROG 1984) mit "II" festgesetzt. Der Beschwerdeführerin kommt gemäß § 30 Abs. 4 TBO ein subjektives Recht auf Einhaltung der im maßgeblichen Bebauungsplan festgelegten Anzahl der Vollgeschosse zu, sofern die Gebäudehöhe im maßgeblichen Bebauungsplan nur durch die Angabe der Vollgeschosse festgelegt ist.

Gemäß § 3 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989 (TBO) idF. LGBl. Nr. 7/1994 (die im Beschwerdefall entsprechend der Antragstellung vor dem 1. März 1998 noch anzuwenden ist) sind Vollgeschosse Geschosse, die zur Gänze über dem anschließenden Gelände liegen und über mindestens der Hälfte ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Geschosse, in denen ausgebaute oder nicht ausgebaute Räume liegen, die das Dach berühren (Dachgeschosse), gelten auch dann als Vollgeschosse, wenn über mehr als der Hälfte der Grundfläche dieses Geschosses der Senkrechtabstand vom Fußboden zur Dachhaut mehr als 2,70 m beträgt. Wurde die Höhenlage des Geländes durch die Bauführung oder im Hinblick auf eine beabsichtigte Bauführung verändert, so ist von der Höhenlage vor dieser Veränderung auszugehen. Zur Berechnung der Bauhöhe sind auf die Anzahl der Vollgeschosse jedoch auch jene Geschosse anzurechnen, deren Deckenoberkante auch nur an einer Seite zum überwiegenden Teil mehr als 2 m über dem anschließenden Gelände liegt.

Nach den Bauplänen bestehen die projektierten Wohngebäude jeweils aus Untergeschoss (dieses gilt im Sinne der obigen Definition nicht als Vollgeschoss), Erdgeschoss, Obergeschoss und Dachgeschoss, wobei im angefochtenen Bescheid lediglich kursorisch festgestellt wird, dass das Dachgeschoß kein Vollgeschoß im Sinne des § 3 Abs. 4 Tiroler Bauordnung 1989 darstelle, "weil die Summe jener Geschoßflächen mit Raumhöhen von 2,30 m bzw. 2,70 m weniger als 50 % der Gesamtgeschoßfläche ausmachen". Wie die belangte Behörde auf eine derartige Feststellung kommt, lässt sich jedoch weder den beigelegten Plänen noch der - ebenso kursorischen - Stellungnahme des zur Bauverhandlung beigezogenen Sachverständigen bzw. dessen erst nachträglich, nämlich am 3. Juli 1998 dem Akt beigefügten Berechnungen entnehmen. In diesen Berechnungen zur Vollgeschoßqualifikation des Dachgeschoßes des Hauses "B", welches entlang der Grundgrenze zur Liegenschaft der Beschwerdeführerin situiert sein soll, wird etwa eine mit "F-1" bezeichnete Fläche von "78,46 m2 (3,675 x 21,35)" als mit einer Raumhöhe von über 2,30 m und eine weitere mit "F-2" bezeichnete Fläche mit insgesamt 82,52 m2 als mit einer Raumhöhe unter 2,30 m ausgewiesen, wobei sich die unter der Bezeichnung "F-2" errechnete Gesamtquadratmeterzahl (mit einer Raumhöhe unter 2,30 m) nur deshalb ergibt, weil bei dieser Berechnung zwei Teilflächen "(1,815 x 21,35 = 38,75 m2 und 2,05 x 21,35 = 43,77 m2)" addiert wurden, deren planliche Darstellung unklar ist. Eine dieser Teilflächen (mit einer Raumhöhe unter 2,30 m) ist den Plänen zu entnehmen, nicht jedoch die Situierung der sodann verbleibenden Restfläche. Weder aus der Stellungnahme des Sachverständigen noch aus den Feststellungen der belangten Behörde lassen sich des Weiteren Anhaltspunkte dafür finden, dass bei mehr als der Hälfte der Grundfläche dieses Dachgeschosses der senkrechte Abstand vom Fußboden zur Dachhaut (außen) mehr als 2,70 m beträgt, wie dies als Kriterium im § 3 Abs. 4 Tiroler Bauordnung normiert ist. Insgesamt ist die im angefochtenen Bescheid lapidar vertretene Ansicht, die mit "Dachgeschoß" bezeichneten Geschoße des in Rede stehenden Baukörpers seien keine Vollgeschoße nicht nachzuvollziehen. Auch enthält der Bescheid selbst keine Begründung dafür, aus welchen Erwägungen die vom Sachverständigen angestellten Berechnungen offenbar als schlüssig der Entscheidung zugrunde gelegt wurden.

Da somit nicht überprüfbar ist, ob die Berechnungen der nach § 3 Abs. 4 TBO maßgeblichen Flächen fehlerfrei erfolgt ist, der angefochtene Bescheid aus diesem Grunde daher mangelhaft begründet wurde, erweist sich der Vorwurf der Verletzung von Verfahrensvorschriften durch die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang berechtigt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Insoweit die Beschwerdeführerin allerdings auch einen Verstoß nach § 19 Abs. 2 TBV geltend macht, ist darauf zu verweisen, dass -

wie bereits oben dargelegt - nach den Plänen jene Flächen, die weniger als 2,30 m lichte Höhe ausweisen, keine Aufenthaltsräume, sondern lediglich Stiegenaufgänge und Nassräume sind. Abgesehen davon steht der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Einhaltung des § 19 TBV kein Nachbarrecht zu.

Unter Punkt 2 der Beschwerde macht die Beschwerdeführerin die unzulässige Verbauung der Mindestabstände um mehr als 10 v. H. geltend. Nach den vorliegenden Plänen betrifft dieser Einwand die "Erschließungsstraße" zum Haus "B" der projektierten Wohnhausanlage samt der entlang der Grundstücksgrenze zur Liegenschaft der Beschwerdeführerin geplanten Stützmauer. Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung in diesem Zusammenhang auf die Konformität der Planung mit § 7 Abs. 8 Tiroler Bauordnung 1989.

§ 7 Abs. 6 und 8 Tiroler Bauordnung 1989, lauten wie folgt:

"(6) In den Abstandsflächen, die sich aus den Mindestabständen von drei oder vier Metern nach Abs. 1 ergeben, dürfen folgende bauliche Anlagen errichtet werden:

a) oberirdische bauliche Anlagen, wenn die Höhe der der Grundstücksgrenze zugekehrten Wand 2,80 Meter, bei baulichen Anlagen im Gewerbe- und Industriegebiet sowie bei Glashäusern für gärtnerische Zwecke 3,50 Meter nicht übersteigt.

  1. b) Einfriedungen und Stützmauern ..., und
  2. c) unterirdische bauliche Anlagen."

"(8) Die Abstandsflächen, die sich aus den Mindestabständen von drei oder vier Metern nach Abs. 1 ergeben, dürfen insgesamt nur im Ausmaß von höchstens 10 v.H. der Fläche des Bauplatzes mit oberirdischen baulichen Anlagen verbaut werden. Dies gilt nicht für Glashäuser für gärtnerische Zwecke, für Einfriedungen und Stützmauern sowie für die nach Abs. 7 zulässigen Anbauten. Die nach Abs. 6 lit. a zulässigen baulichen Anlagen dürfen nur in einem solchen Ausmaß errichtet werden, daß gegenüber den Nachbarn zu jeder Seite hin mindestens die Hälfte der gemeinsamen Grundstücksgrenze von baulichen Anlagen frei bleibt, die weniger als drei Meter von der Grundstücksgrenze entfernt sind, außer der betroffene Nachbar stimmt einer weitergehenden Verbauung ausdrücklich zu."

Innerhalb der Abstandsflächen, die sich aus den Mindestabständen von drei bzw. vier Metern ergeben dürfen daher Stützmauern und unterirdische bauliche Anlagen unbeschränkt, andere bauliche Anlagen nur unter den in Abs. 8 leg. cit. genannten Beschränkungen errichtet werden. Der Mindestabstand zur Grundstücksgrenze der Beschwerdeführerin beträgt vier Meter, dieser ist laut Planunterlagen exakt eingehalten.

Zu dem bereits im erstinstanzlichen Verfahren und in der Berufung erhobenen Einwand der Beschwerdeführerin stellt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid lediglich fest, "dass die an der Nordgrenze zur Gt. 1398 KG A (im Eigentum (der Beschwerdeführerin() geplante Erschließungsstraße (Gasse) als bauliche Anlage im Sinne des § 3 Abs. 1 Tiroler Bauordnung 1989 zu qualifizieren" sei, stehe "außer Zweifel". Da diese Erschließungsstraße jedoch mit einer "bis zu 3 m hohen Hangstützwand versehen" sei, sei "diese Zufahrtsmöglichkeit als unterirdische bauliche Anlage zu qualifizieren". Diese Feststellungen reichen zur umfassenden rechtlichen Beurteilung der Berechtigung der von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendung nicht aus.

Die Tiroler Bauordnung, insbesondere § 7 leg. cit., enthält keine Definition der Begriffe "oberirdisch" und "unterirdisch". Im hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 94/06/0203, und vom 29. Juni 2000, Zl. 99/06/0018, wurde die Ansicht vertreten, dass nicht nur der allgemeine Sprachgebrauch im Sinne von oberhalb oder unterhalb des Geländes nach der Bauführung maßgeblich ist, sondern in bestimmten Fällen unter dem Gesichtspunkt des Nachbarschutzes auch das Geländeniveau vor der Bauführung. Daher wäre im fortgesetzten Verfahren die Frage zu klären, wieweit die verfahrensgegenständliche "Erschließungsstraße" samt Überdeckung und Begrünung als bauliche Anlage im Seitenabstand über das anschließende Gelände ragen und somit "oberirdische" bauliche Anlage sein würde. Die belangte Behörde verkannte daher die Rechtslage, wenn sie die Erschließungsstraße, die in ihrer gesamten Länge unter dem derzeitigen Geländeniveau verläuft, allein deshalb als "unterirdisch" bewertete.

Aus verfahrensökonomischen Gründen soll auch auf die weiteren Einwendungen der Beschwerdeführerin eingegangen werden. Insoweit sie eine Abstandsverletzung durch die im Dachgeschoß vorgesehenen erkerähnlichen Treppenhäuser geltend macht, ist ihr entgegenzuhalten, dass es sich nach den vorgelegten Einreichplänen tatsächlich um dachgaupenähnliche Gebäudeteile im Dachgeschoß handelt, die die zwei Stiegenaufgänge beinhalten. Nach der Baubeschreibung und den Feststellungen der belangten Behörde handelt es sich dabei um Glas-Stahl-Konstruktionen. In den Plänen werden sie als "Kapfer" bezeichnet.

§ 7 Abs. 5 Tiroler Bauordnung 1989 lautet:

"Bei der Berechnung der Mindestabstände von Gebäuden nach den Abs. 1 und 3 bleiben folgende Gebäudeteile außer Betracht:

  1. a) Vordächer, die nicht mehr als zwei Meter,
  2. b) offene Balkone, Erker und ähnliche Bauteile, die nicht mehr als 1,50 Meter,

    c) fassadengestaltende Bauteile, wie Gesimse, Lisenen, Rahmen und dergleichen, die nicht mehr als 0,50 Meter,

    d) unmittelbar über dem Erdgeschoß angebrachte offene Schutzdächer und an Gebäuden angebrachte Werbeeinrichtungen, die nicht mehr als zwei Meter in die Mindestabstandsfläche hineinragen. Diese Gebäudeteile müssen jedoch bei Gebäuden im Gewerbe- und Industriegebiet, im Kerngebiet und im Freiland jedenfalls 2,50 Meter von der Grundstücksgrenze, von der Grenze zum übrigen Bauland jedoch jedenfalls drei Meter und bei Gebäuden im übrigen Bauland jedenfalls drei Meter von der Grundstücksgrenze entfernt sein."

    Wie der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise im Erkenntnis vom 23. Jänner 1992, Zl. 91/06/0184, unter Hinweis auf die Vorjudikatur ausgeführt hat, handelt es sich bei den durch diese Bestimmung privilegierten Bauteilen durchwegs um vorspringende - sei es horizontale oder vertikale - Gliederungen des Gebäudes, denen der Charakter eines Raumes fehlt. Bei der Untersuchung der Frage, ob ein erkerähnlicher Bauteil vorliegt, ist zunächst vom Begriff des Erkers auszugehen. Nach dem Sprachgebrauch wird darunter ein in der Regel geschlossener, überdachter, vorspringender Teil an Gebäuden verstanden, der u.U. über ein oder mehrere Geschoße reichen kann (vgl. etwa Duden, Bedeutungswörterbuch; Brockhaus, Enzyklopädie in 20 Bänden17, 1968, fünfter Band, Seite 670; Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Band 30: Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 1, Seite 733). Dieser Gebäudeteil wird in der Regel nicht vom Boden hochgeführt, sondern ragt dem Gebäude frei vor oder er wird von einem Mauervorsprung oder einer Säule gehalten (Brockhaus Enzyklopädie17, aaO; Brockhaus-Warig, Deutsches Wörterbuch in sechs Bänden, zweiter Band, 1981, Seite 563). Hinsichtlich von Gebäudeteilen vorspringenden Charakters, die nicht den Eindruck einer neuen geschlossenen Gebäudefront erwecken, wurden in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der "Erkerähnlichkeit" zwei negative Voraussetzungen entwickelt:

    Danach darf ein solcher Vorsprung nicht selbst den Charakter eines Raumes haben (vgl. die Erkenntnisse vom 22. Mai 1980, Zl. 3174/78, vom 17. Mai 1984, Zl. 81/06/0155, BauSlg. Nr. 265, vom 22. September 1988, Zl. 86/06/0005, BauSlg. Nr. 1178, vom 9. November 1989, Zl. 89/06/0094, vom 23. Jänner 1992, Zl. 91/06/0184, und vom 16. Juni 1992, Zl. 92/05/0001); darüber hinaus darf ein solcher Vorsprung nach der Rechtsprechung nicht auf der ganzen Breite des dahinterliegenden Raumes vorspringen (so die zur Tiroler Bauordnung ergangenen Erkenntnisse vom 11. Juni 1981, Zl. 06/2498/80, vom 17. Mai 1984, Zl. 81/06/0155, BauSlg. Nr. 265, und vom 14. September 1989, Zl. 88/06/0120). Legt man diese, von der Rechtsprechung für Erker bzw. erkerähnliche Bauteile entwickelten Grundsätze dem beschwerdegegenständlichen Sachverhalt zugrunde, so zeigt sich, dass die hier strittigen "Dachkapfer", die an nur zwei Stellen im Dachgeschoss die Front überragen, als erkerähnlich angesehen werden können. Der diesbezügliche Einwand der Beschwerdeführerin trifft daher nicht zu.

    Auch wenn die Beschwerdeführerin eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens bzw. der Bescheidbegründung in Bezug auf den erforderlichen Brandschutz geltend macht, ist darauf zu verweisen, dass ein Brandschutzbeauftragter bei der mündlichen Bauverhandlung anwesend war und dort auch seine (positive) Stellungnahme abgegeben hat.

    Insoweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Begründungspflicht in Bezug auf § 115 TROG behauptet, genügt es darauf zu verweisen, dass dem Nachbarn auf die Einhaltung des § 55 Abs. 4 iVm § 115 TROG 1997 kein Nachbarrecht zusteht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. September 2000, Zl. 99/06/0027, und vom 22. April 1999, Zl. 97/06/0248 u.a.).

    Insoweit in der Beschwerde gerügt wird, dass der Bauverhandlung entgegen § 29 Abs. 4 lit a bis c Tiroler Bauordnung 1989 (TBO) kein hochbautechnischer Sachverständiger beigezogen gewesen sei, der Befund und Gutachten erstattet hätte, kann die Beschwerde keinen Verfahrensmangel aufzeigen. Zum einen hat nach dem Inhalt der Niederschriften über die mündlichen Bauverhandlungen sowohl ein Vertreter der Baupolizei als auch ein Vertreter der Innsbrucker Stadtplanung an den Verhandlungen vom 17. April 1997 und 25. Februar 1998 teilgenommen. Es wurde in dieser Niederschrift auch festgehalten, dass mit dem Vertreter der Beschwerdeführerin das Vorhaben eingehend erörtert wurde, im Übrigen kommt der Beschwerdeführerin gemäß § 30 Abs. 4 TBO kein subjektives Recht auf Einhaltung der Anordnungen des § 29 Abs. 4 TBO zu. Insoweit sie als weiteren Verfahrensmangel rügt, ihr seien Akteneinsicht und die Herstellung von Plankopien verwehrt worden, ist ebenfalls auf die Niederschrift über die am 17. April 1997 abgehaltene Bauverhandlung zu verweisen, in der der Vertreter der Beschwerdeführerin mit seiner Unterschrift bestätigt, dass er die Pläne im Rahmen der Akteneinsicht habe abzeichnen können. Die diesbezüglichen Verfahrensrügen entbehren daher der aktenmäßigen Grundlage.

    Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

    Wien, am 23. Februar 2001

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