VwGH 97/17/0103

VwGH97/17/010324.10.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des JK in M, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in 8530 Deutschlandsberg, Grazer Straße 21, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 24. Jänner 1997, Zl. 7 - 481 - 56/96 - 3, betreffend Kanalisationsbeitrag (mitbeteiligte Partei:

Gemeinde Modriach, vertreten durch den Bürgermeister, 8583 Modriach), zu Recht erkannt:

Normen

KanalabgabenG Stmk 1955 §4;
KanalabgabenG Stmk 1955 §4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Berufungsbescheid vom 30. Juli 1996 des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid betreffend die Vorschreibung eines Kanalisationsbeitrages teilweise Folge gegeben und der bekämpfte Abgabenbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde insofern abgeändert, als die Gesamtfläche für die Berechnung des Kanalisationsbeitrages mit 573,28 m2 angenommen wurde. Dabei wurde eine verbaute Grundfläche von 229,31 m2 angenommen, ein Faktor von 2,5 für die anrechenbaren Geschoße und ein Einheitssatz von S 150,-- plus 10 % USt.

Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung. Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid wurde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung wies die belangte Behörde insbesondere darauf hin, dass mit der Abänderung der Bemessungsfläche auf nunmehr 573,28 m2 die Berufungsbehörde jene Änderungen berücksichtigt habe, die sich aus den Begründungen der aufhebenden Vorstellungsbescheide vom 20. Juni 1995 und 11. April 1996 ergeben hätten, und dadurch der Mangel des erstinstanzlichen Bescheides saniert worden sei. Die belangte Behörde setzte sich in der Folge mit Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Festsetzung des Einheitssatzes mit S 150,-- in der Kanalabgabenordnung der mitbeteiligten Gemeinde auseinander. Dabei wird u.a. auf den Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 23. September 1996, B 3193/95-10, hingewiesen, in welchem dieser die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich qualifizierte, dass die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Der Verfassungsgerichtshof führte an dieser Stelle u. a. aus:

"Dies auch deshalb, weil sich aus den vorgelegten Verordnungsakten keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die für den bekämpften Bescheid präjudiziellen Bestimmungen der KanalgebührenO der Gemeinde Modriach dem § 4 Stmk. KanalabgabenG widersprechen."

Strittig sei insbesondere, ob die auf der Liegenschaft des Einschreiters im Erdgeschoß des Gast- und Wohnhauses ohne Wasseranschluss ausgestattete Veranda in die Bemessungsgrundlage des Kanalisationsbeitrages einzubeziehen sei. Die Gemeindebehörden hätten ersichtlich die Rechtsauffassung zu Grunde gelegt, dass es streitentscheidend sei, ob die an das bestehende Gast- und Wohnhaus angebaute (ohne Wasseranschluss ausgestattete) Veranda dem Hauptgebäude zuzurechnen sei oder nicht. Unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1976, Zl. 489/76, zu einer an ein Wohnhaus ohne Aufführung einer Trennmauer angebauten Garage wird die Auffassung vertreten, dass die Veranda als Teil des Gebäudes zu Recht in die Berechnungsfläche einbezogen worden sei. Zur Ermittlung der Berechnungsfläche wird unter Hinweis auf die hg. Rechtsprechung auf die Zulässigkeit einer vereinfachenden Pauschalierung hingewiesen. Es komme nach dem Kanalabgabengesetz 1955 nicht darauf an, ob einzelne Geschoße oder Räumlichkeiten an die öffentliche Kanalanlage angeschlossen seien oder nicht. Im Hinblick auf die Zustimmung des Einschreiters zu den Feststellungen im Erhebungsprotokoll vom 20. Mai 1996 sei dessen späteres Vorbringen vom 17. Juni 1996 ohne rechtliches Gewicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zunächst ist zur Klarstellung auszuführen, dass sich aus den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid bezogenen Vorstellungsentscheidungen vom 20. Juni 1995 und vom 11. April 1996, die beide nicht mit Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft wurden, eine Bindungswirkung für die Gemeindebehörden ergab, die in der Folge auch von der Vorstellungsbehörde und im vorliegenden Verfahren vom Verwaltungsgerichtshof zu beachten war und ist. Während sich aus der erstgenannten Vorstellungsentscheidung eine Bindungswirkung lediglich dahingehend ergab, dass die Bemessungsgrundlagen für die Abgabenbemessung im Bescheid explizit zum Ausdruck zu bringen seien, hob die belangte Behörde mit der zweiten Entscheidung den bei ihr bekämpften Abgabenbescheid mit der Begründung auf, dass die Gemeindebehörden erheben hätten müssen, welchen Verwendungszweck die einzelnen Geschoßflächen aufwiesen. Gemäß § 4 lit. h zweiter Fall der Kanalabgabenordnung der Gemeinde Modriach sei ein geschlossener Lagerraum ohne Wasseranschluss und Abfluss mit 0% der Erdgeschoßfläche anzusetzen. Da in einem Gasthaus ein derartiger Lagerraum durchaus vorhanden sein könnte, hätten die Abgabenbehörden diesbezüglich Erhebungen durchzuführen.

Diese Rechtsansicht war tragend für die Aufhebung des Berufungsbescheides und entfaltet daher Bindungswirkung. Eine Bindung besteht jedoch nur insoweit, als die Rechtsauffassung zum Ausdruck gebracht wurde, die Gemeindebehörde müsse das allfällige Vorhandensein eines Lagerraums ohne Wasseranschluss und Abfluss prüfen. Dem Bescheid ist insbesondere nicht zu entnehmen, dass die belangte Behörde bestimmte Räume als Lagerraum qualifiziert hätte. Der Bescheid geht aber umgekehrt davon aus, dass allfällige Lagerräume nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen wären, ohne dass es darauf ankäme, ob sie Teil des Gebäudes sind oder als selbständiges Bauwerk zu qualifizieren sind.

In diesem Sinne ist zu prüfen, ob die in zweiter Instanz zuständige Abgabenbehörde der Vorstellungsentscheidung vom 11. April 1996 Rechnung getragen hat und in Folge dessen die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, dass durch die Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz der Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten verletzt werde.

2. Zum Vorbringen betreffend die Anrechnung des Kellergeschoßes:

Die belangte Behörde hat zutreffend darauf hingewiesen, dass nach § 4 Kanalabgabengesetz 1955, LGBl. für das Land Steiermark Nr. 71, zuletzt geändert durch die Novelle LGBl. Nr. 80/1988, lediglich die verbaute Grundfläche für die Berechnung des Kanalisationsbeitrages maßgeblich ist und diese nach Maßgabe des § 4 des Gesetzes je nach Anzahl der Geschoße und unter Berücksichtigung des für verschiedene Geschoße zutreffenden Faktors zu vervielfachen ist. Abgesehen davon, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 23. Oktober 1987, Zl. 87/17/0261, oder vom 21. Juni 1999, Zl. 96/17/0051) zutrifft, dass es für die Bestimmung des Faktors für die Vervielfachung der bebauten Fläche lediglich auf das Vorliegen eines entsprechenden Geschoßes (bzw. Dachgeschoßes oder Kellergeschoßes) ankommt und die Vervielfachung generell von der bebauten Fläche, das ist die Fläche des Erdgeschoßes, auszugehen hat, bestand in dieser Frage bereits Bindung an die Entscheidung der belangten Behörde vom 11. April 1996. Auch der Verfassungsgerichtshof hat gegen diese schematische Berechnung keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert (vgl. auch den Hinweis der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid auf den Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 23. September 1996, B 3193/95).

Wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat (vgl. zuletzt etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. Oktober 2000, Zl. 2000/17/0186) ist dabei ein Kellergeschoß ungeachtet seiner konkreten Ausdehnung mit dem Faktor 0,5 zu berücksichtigen. Der Hinweis im Erhebungsprotokoll vom 20. Mai 1996 auf eine "Teilunterkellerung" ist daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides hinsichtlich der Annahme eines Kellergeschoßes, das mit dem Faktor 0,5 (der verbauten Fläche) zu berücksichtigen ist, aufzuzeigen.

3. Zum Vorbringen betreffend die Feststellung des Verwendungszwecks der einzelnen Räumlichkeiten:

Berechtigt ist die Beschwerde jedoch im Ergebnis im Zusammenhang mit der Frage, ob der Verwendungszweck der Räume festzustellen war und ob, wenn diese Frage zu bejahen ist, dies auf Gemeindeebene ausreichend erfolgt war.

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, dass eine Berechnung der Abgabenhöhe ohne Feststellung des Verwendungszwecks der einzelnen Räume nicht möglich sei und beruft sich dafür auf die Kanalabgabenordnung des Gemeinderates der Gemeinde Modriach vom 18. Juni 1994. Nach der Verordnung sei ein Unterschied zwischen Lagerräumen mit oder ohne Wasseranschluss zu machen.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass es angesichts der Vorstellungsentscheidung vom 11. April 1996 nicht darauf ankommt, ob diese Rechtsauffassung zutrifft. Wie oben dargelegt, hat die belangte Behörde selbst diese Auffassung in der Vorstellungsentscheidung vertreten und deshalb den damals bei ihr bekämpften Bescheid aufgehoben, weil die entsprechenden Feststellungen nicht getroffen worden seien.

Die Abgabenbehörde zweiter Instanz hat im Berufungsbescheid, der aufgrund der Vorstellungsentscheidung vom 11. April 1996 ergangen ist, zum Einwand des Beschwerdeführers hinsichtlich der Verwendung der Veranda Stellung genommen und begründet, weshalb kein Lagerraum vorliege.

Sowohl die Gemeindebehörden als auch die belangte Behörde haben die sog. Veranda als für Zwecke der Gastwirtschaft genutzt angesehen und sind daher im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass eine Einstufung dieses Gebäudeteils als Lagerraum iSd § 4 lit. h der Verordnung des Gemeinderates über die Kanalabgabenordnung nicht in Betracht komme. In diesem Zusammenhang schadet es auch nicht, wenn die belangte Behörde diesbezüglich ergänzend die in der Vorstellungsentscheidung vom 11. April 1996 nicht enthaltene Begründung, es liege eine bauliche Einheit vor, herangezogen hat. Auf Grund der von den Gemeindebehörden getroffenen Sachverhaltsfeststellungen (Abgänge in Keller und Garage) liegt bei der Veranda in keinem Fall ein geschlossener Lagerraum vor, der im Sinne der genannten Vorstellungsentscheidung bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage außer Betracht zu bleiben hätte. Ohne dass hier auf die einzelnen Tatbestände in § 4 der Kanalabgabenordnung der Gemeinde eingegangen werden soll, trifft es zumindest in einer Reihe von Fällen zu, dass es auf das Vorhandensein eines Wasseranschlusses in einem bestimmten Raum im anschlusspflichtigen Objekt nicht ankommt. Hinsichtlich von "geschlossenen Lagerräumen" ist jedoch von der dargestellten Bindungswirkung der Vorstellungsentscheidung auszugehen, ohne dass zu prüfen wäre, ob die diesbezüglich Auslegung der belangten Behörde objektiv zutreffend war.

Das nunmehr in der Beschwerde enthaltene Vorbringen, dass es sich bei der "Veranda" um einen Balkon handle, der im "Erdgeschoß nicht vorhanden" sei, ist eine gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung, auf die nicht näher einzugehen ist (auch in der Stellungnahme vom 17. Juni 1996 zum Protokoll vom 20. Mai 1996 hat der Beschwerdeführer kein diesbezügliches Vorbringen erstattet).

Der Beschwerdeführer weist aber in der Beschwerde zutreffend darauf hin, dass er mit Schriftsatz vom 17. Juni 1996 zu dem Erhebungsprotokoll vom 20. Mai 1996 Stellung genommen und darin ausgeführt habe, dass das Gebäude Lagerräume aufweise und eine ergänzende Erhebung erforderlich sei, da das Protokoll vom 20. Mai 1996 nur die Außenmaße erkennen lasse.

Auf diesen Einwand ist die Abgabenbehörde zweiter Instanz im Berufungsbescheid nicht eingegangen. Angesichts der dargestellten Bindungswirkung der Vorstellungsentscheidung vom 11. April 1996 wäre auf dieses Vorbringen jedoch einzugehen gewesen, weil bei Zutreffen der Angaben des Beschwerdeführers die entsprechenden Räume nicht in die Berechnung der Bemessungsgrundlage einzubeziehen gewesen wären. Der Verfahrensmangel auf Gemeindeebene war daher auch wesentlich.

Auch die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid nicht näher auf die Frage eingegangen, ob es außer der genannten Veranda Räume gäbe, die als Lagerraum verwendet werden. In teilweiser Abkehr von der im Vorstellungsbescheid vom 11. April 1996 geäußerten Rechtsauffassung stellte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darauf ab, ob eine bauliche Einheit eines Raumes ohne Wasseranschluss mit dem übrigen Gebäude vorliege oder nicht. Wie oben ausgeführt, kann dieser Auffassung im Beschwerdefall von vornherein nur insoweit Berechtigung zukommen, als es sich nicht um "geschlossene Lagerräume" handelt (vgl. z.B. für Garagen § 4 lit. a iVm § 4 lit. e der Kanalabgabenordnung). Ungeachtet der Frage, ob die von der belangten Behörde zuletzt vertretene Ansicht der Kanalabgabenordnung tatsächlich entspricht, stellt sich infolge der Bindungswirkung der Vorstellungsentscheidung vom 11. April 1996 nicht mehr die Frage, ob Lagerräume, wenn sie kein selbständiges Gebäude bilden, von § 4 lit. h der Verordnung erfasst sind. Diese Frage hat die belangte Behörde selbst in der genannten Vorstellungsentscheidung schon gegenteilig entschieden. Sie hat insbesondere keine Einschränkung dahingehend getroffen, dass ihre die Gemeindebehörde bindende Ansicht nur für den Fall gelte, dass der Lagerraum eine selbständige Baulichkeit bilde. Die Gemeindebehörde ist zu Unrecht auf das diesbezüglich im Abgabenverfahren rechtzeitig erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers nicht eingegangen. Die belangte Behörde hat diesen wesentlichen Verfahrensmangel des letztinstanzlichen Gemeindebescheids zu Unrecht nicht wahrgenommen. Sie hat dadurch ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Oktober 2001

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