Normen
ASVG §44 Abs2;
ASVG §69 Abs2 idF 1986/111;
ASVG §44 Abs2;
ASVG §69 Abs2 idF 1986/111;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 17. November 1994 hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Antrag des Beschwerdeführers, die auf Grund der Selbstversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 16 ASVG entrichteten Beiträge für die Zeit vom 1. September 1989 bis 31. August 1994 zurückzuerstatten, abgewiesen. Begründend wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seit 7. März 1986 bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft krankenversichert sei. Die gemäß § 16 Abs. 1 ASVG geführte Selbstversicherung in der Krankenversicherung sei mit 31. August 1994 beendet worden. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe für den Beschwerdeführer von 1986 bis 1994 diverse Leistungen erbracht. Gemäß § 69 Abs. 2 ASVG sei die Rückforderung von Beiträgen zu einer Versicherung, aus welcher innerhalb des Zeitraumes, für den Beiträge ungebührlich entrichtet worden seien, eine Leistung erbracht worden, für den gesamten Zeitraum ausgeschlossen. Infolge der dem Beschwerdeführer erbrachten Leistungen sei die Rückforderung der zu Ungebühr entrichteten Beiträge zur Gänze ausgeschlossen.
In dem dagegen erhobenen Einspruch verweist der Beschwerdeführer darauf, dass eine Selbstversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 16 Abs. 6 ASVG ex lege mit dem Wegfall der Voraussetzungen ende. Mit dem Eintritt der Pflichtversicherung in der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft am 7. März 1986 sei eine solche Voraussetzung weggefallen, sodass seit diesem Zeitpunkt keine Selbstversicherung mehr bestanden habe. Die Beitragszahlungen entbehrten daher seit diesem Zeitpunkt jeglicher Rechtsgrundlage. Nach einem Erlass des Bundesministers für soziale Verwaltung trete die Beendigung der Weiterversicherung auch dann ein, wenn der freiwillig Versicherte seiner Meldepflicht gemäß § 39 ASVG nicht nachkomme. Beiträge zur freiwilligen Versicherung, die dessen ungeachtet weiterhin entrichtet würden, seien ohne Rechtsgrundlage und daher unwirksam und daher zu Ungebühr entrichtet. Sie könnten gemäß § 79 in Verbindung mit § 69 ASVG vom Versicherten zurückgefordert werden. Der Rückforderungsanspruch verjähre in fünf Jahren, weshalb die entrichteten Beiträge ab September 1989 zurückzuzahlen seien.
Diesem Einspruch gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid keine Folge und begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass während der Zeit, in der unstrittig zu Ungebühr Beiträge entrichtet worden sind, Leistungen durch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erbracht worden seien. Dabei handle es sich um Spitalsaufenthalte im Krankenhaus Lainz vom 22. Juli bis 5. August 1987 und im Wilhelminenspital vom
8. bis 13. Juni 1994 sowie die Bewilligung von Heilbehelfen am 14. Jänner und 8. März 1994 und die Bewilligung eines Zahnersatzes am 20. November 1991. In einem solchen Falle sei gemäß § 69 Abs. 2 ASVG die Rückforderung von Beiträgen für den gesamten Zeitraum ausgeschlossen. § 79 Abs. 1 ASVG komme nicht zur Anwendung, da eine Bescheinigung gemäß § 10 Abs. 7 ASVG für den fraglichen Zeitraum nicht ausgestellt worden sei und eine rückwirkende Einbeziehung in die Pflichtversicherung nach dem GSVG nicht stattgefunden habe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 1. März 1996, B 1720/95, ihre Behandlung abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. In der abgetretenen (ergänzten) Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde rügt der Beschwerdeführer die Auslegung der Bestimmung des § 69 Abs. 2 ASVG durch die belangte Behörde, wonach eine Leistung des Sozialversicherungsträgers die Rückforderung sämtlicher im gesamten Beitragszeitraum geleisteter Beiträge ausschlösse. Dies würde dem Wesen der sozialversicherungsrechtlichen Risikogemeinschaft widersprechen, bei der es eine selbstverständliche Erscheinung sei, dass der Wert der Beiträge und der Leistungen in der Regel entweder nach der einen oder nach der andern Seite überwiege. Dieser Grundsatz stelle auf das Überwiegen entweder des Beitrages oder der Leistungen ab. Eine derart krasse Bereicherung des Sozialversicherungsträgers wie im konkreten Fall sei allerdings nicht die Intention des Gesetzgebers. § 69 Abs. 2 ASVG sei so zu interpretieren, dass eine Rückforderung von Beiträgen nur dann ausgeschlossen sei, wenn die Beiträge zu den vom Sozialversicherungsträger erbrachten Leistungen in einem nicht exorbitant erscheinenden Missverhältnis stünden. Die Pflichtversicherung des Beschwerdeführers bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft habe auf Grund der einschlägigen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften die Leistungen, die die Wiener Gebietskrankenkasse erbracht habe, dieser zu refundieren und diese habe wiederum die ungebührlich entrichteten Beiträge des Beschwerdeführers an ihn zu refundieren. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft habe sich gegenüber dem Beschwerdeführer bereit erklärt, die von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse erbrachten Leistung zu refundieren; letztere habe es abgelehnt, diese Ansprüche geltend zu machen. Diese Vorgangsweise erfolge offensichtlich ausschließlich zu dem Zweck, dem Beschwerdeführer die zu Ungebühr entrichteten Beiträge rechtsmissbräuchlich nicht rückerstatten zu müssen. Durch den Wegfall der Selbstversicherung wegen der mit 7. März 1986 beginnenden Pflichtversicherung habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Leistungen auf eigenes Risiko erbracht; sie habe vom Umstand der Pflichtversicherung Kenntnis erlangt. Seit diesem Zeitpunkt entbehrten die Beitragszahlungen jeglicher Rechtsgrundlage.
Dem Argument betreffend Beendigung der Selbstversicherung durch Beginn der Pflichtversicherung und der deswegen rechtsgrundlosen Zahlung von Beiträgen ist entgegenzuhalten, dass die Bestimmung des § 69 genau solche Fälle im Auge hat und eine Rückforderung auch vorgesehen ist. Allerdings stützt sich die belangte Behörde auf den eine Rückforderung wegen Leistungserbringung ausschließenden Abs. 2 leg. cit.. Zum besseren Verständnis des normativen Gehalts dieser Bestimmung sind zunächst die der im Anlassfall anzuwendenden Bestimmung vorausgegangenen Regelungen zu untersuchen. In der Stammfassung des ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, lautete die angesprochene Bestimmung des § 69 Satz 3:
"Die Rückforderung von Beiträgen zu einer Versicherung, aus der vor der Geltendmachung der Rückforderung eine Leistung gewährt worden ist, ist ausgeschlossen; ..."
Zu dieser Stammfassung erging das Erkenntnis vom 6. März 1964, VwSlg 6262/A. Der dortige Beschwerdeführer hatte unter anderem die Auffassung vertreten, Beiträgen, denen keine Gegenleistungen entsprochen hätten, seien zurückzuerstatten. Der Verwaltungsgerichtshof sagte damals, für diese Auffassung finde sich im § 69 ASVG kein Anhaltspunkt. Die Auffassung zeige im Übrigen ein Verkennen des Wesens der sozialversicherungsrechtlichen Riskengemeinschaft auf, bei der es eine selbstverständliche Erscheinung sei, dass der Wert der Beiträge und der Leistungen in der Regel entweder nach der einen oder nach der anderen Seite hin überwiege.
In der Fassung der 29. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 31/1973, hatte der dritte Satz des § 69 folgenden Wortlaut:
"Die Rückforderung von Beiträgen, durch welche eine Formalversicherung begründet wurde, sowie von Beiträgen zu einer Versicherung, aus der in der Zeit, für welche Beiträge ungebührlich entrichtet wurden, eine Leistung erbracht wurde, ist ausgeschlossen."
Der Vergleich dieser Rechtslage mit jener der Stammfassung veranlasste den Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 5. März 1982, 81/08/0009, zu dem auch von der Lehre gezogenen Schluss, dass die geänderte gesetzliche Regelung die Rückforderung nur für jenen Beitragszeitraum ausschließe, in welchem eine Leistung beansprucht und auch erhalten worden sei.
Durch die 41. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 111/1986, wurde § 69 ASVG in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung - auszugsweise wiedergegeben - wie folgt geändert:
"(1) Zu Ungebühr entrichtete Beiträge können, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, zurückgefordert werden. Das Recht auf Rückforderung verjährt nach Ablauf von drei (nunmehr fünf) Jahren nach deren Zahlung. ...
(2) Die Rückforderung von Beiträgen, durch welche eine Formalversicherung begründet wurde, sowie von Beiträgen zu einer Versicherung, aus welcher innerhalb des Zeitraumes, für den Beiträge ungebührlich entrichtet worden sind, eine Leistung erbracht wurde, ist für den gesamten Zeitraum ausgeschlossen. Desgleichen ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn nach dem Zeitraum, für den Beiträge ungebührlich entrichtet worden sind, eine Leistung zuerkannt worden ist und die Beiträge auf den Bestand oder das Ausmaß des Leistungsanspruches von Einfluss waren, ...
(3) Wenn statt des Versicherungsträgers, an den die Beiträge zu Ungebühr entrichtet worden sind, ein anderer Versicherungsträger zur Leistungserbringung zuständig war und dem ersteren Versicherungsträger gegenüber dem letzteren ein Ersatzanspruch für zu Unrecht erbrachte Leistungen gemäß § 320 b zusteht, hat der unzuständige Versicherungsträger die ungebührlich entrichteten Beiträge ohne Rücksicht auf die Verjährungsfrist (Abs. 1) für den gesamten Zeitraum, für den an den zuständigen Versicherungsträger nachträglich Beiträge zu entrichten sind, an den zuständigen Versicherungsträger zu überweisen. Der überwiesene Betrag ist auf die dem zuständigen Versicherungsträger geschuldeten Beiträge anzurechnen. Der zuständige Versicherungsträger hat einen hiedurch allenfalls entstehenden Überschuss an Beiträgen dem Beitragsschuldner gutzuschreiben bzw., falls dies nicht möglich ist, zu erstatten."
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (774 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen XVI. GP) wird die vom Bundesminister für soziale Verwaltung zur Neufassung dieser Bestimmung wiedergegebene Begründung dargestellt, in der es unter anderem heißt: "Im Erkenntnis vom 5. März 1982, Zl. 81/08/0009, hat der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsmeinung ausgesprochen, dass die Rückforderbarkeit von Sozialversicherungsbeiträgen nur für jene Beitragszeiträume ausgeschlossen sei, in denen tatsächlich Leistungen erbracht wurden. Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der erwähnten Entscheidung davon ausgegangen, dass bei der Rückzahlung ungebührlich entrichteter Beiträge und der Prüfung der Frage des Leistungsbezuges von den einzelnen Beitragszeiträumen auszugehen ist. Eine solche Auslegung wiederspricht allen versicherungsrechtlichen Grundsätzen, da berücksichtigt werden muss, dass die Versicherungsträger für den gesamten Zeitraum das Versicherungsrisiko getragen haben. Durch die vorgeschlagene Neufassung des § 69 ASVG soll eine entsprechende Klarstellung herbeigeführt und versucht werden, die Hauptprobleme bei der Anwendung des § 69 ASVG zu beseitigen. ... Außerdem soll klargestellt werden, dass im Falle einer Leistungserbringung das Rückforderungsrecht jedenfalls für den gesamten in Betracht kommenden Zeitraum ausgeschlossen ist, also nicht nur für jene Beitragszeiträume, in denen gerade eine Leistung erbracht worden ist."
Auch ohne Berücksichtigung des in den Erläuterungen unmissverständlich zum Ausdruck gebrachten Zweckes der Neufassung des § 69 ASVG, lässt schon die Auslegung nach dem Wortsinn der Bestimmung des Abs. 2 keine andere als die ihr von der belangten Behörde beigemessene Bedeutung zu. Die Rückforderung von Beiträgen zu einer Versicherung, aus welcher innerhalb des Zeitraumes, für den Beiträge ungebührlich entrichtet worden sind, eine Leistung erbracht wurde, ist für den gesamten Zeitraum ausgeschlossen. Gemeint ist damit nicht der Beitragszeitraum im Sinne des § 44 Abs. 2 ASVG, somit grundsätzlich der Kalendermonat, sondern die Zeit vom ersten bis zum letzten Monat, für den ein Beitrag ungebührlich entrichtet wurde. Im Anlassfall ist das die Zeit vom 1. Jänner 1986 bis 31. August 1994, wobei sich die Rückforderung nur auf die nicht verjährten Beiträge ab 1. September 1989 bezieht.
Der klare Wortlaut dieser Bestimmung lässt die in der Beschwerde versuchte Auslegung nicht zu, insbesondere sieht das Gesetz keine Abwägung bezahlter Beiträge gegen erbrachte Leistungen vor. Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass eine Rückforderung der Beiträge wegen der von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse erbrachten Leistungen ausgeschlossen ist.
Davon zu unterscheiden ist die in der Beschwerde auch angesprochene Frage des Verhältnisses zwischen dem Träger der Pflichtversicherung und dem Versicherungsträger, an den die Beiträge zu Ungebühr entrichtet worden sind. Durch die dieses Verhältnis regelnde Bestimmung des § 69 Abs. 3 ASVG lässt sich für den Beschwerdeführer aber nichts gewinnen, weil danach nur dann zu Unrecht bezahlte Beiträge an den zuständigen Versicherungsträger zu überweisen wären, wenn an diesen nachträglich Beiträge zu entrichten gewesen wären, was der Beschwerdeführer aber nicht behauptet hat. Im Übrigen wären derartige Erstattungsansprüche nicht bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, sondern bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft geltend zu machen (vgl. das Erkenntnis vom 29. März 2000, 97/08/0641).
Der Beschwerde ist es somit nicht gelungen, die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat keinen Anspruch auf Ersatz von Schriftsatzaufwand, weil sie nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (vgl. das Erkenntnis vom 19. Jänner 1999, 96/08/0269).
Wien, am 20. Juni 2001
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