VwGH 2000/13/0075

VwGH2000/13/007531.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fössl, über die Beschwerde des Dkfm. P in W, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland jeweils vom 27. Februar 1998, Zlen. RV/0071 - 08/02/97 und RV/0681 - 08/02/97, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1995 und Einkommensteuer für das Jahr 1996, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115 Abs1;
EStG §34 Abs8;
BAO §115 Abs1;
EStG §34 Abs8;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 2.500 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Im Beschwerdefall ist strittig, ob dem Beschwerdeführer für Aufwendungen für die Berufsausbildung seines Sohnes Andreas außerhalb des Wohnortes im Zeitraum September bis Dezember 1995 und Jänner bis Dezember 1996 die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 gebührt.

Im Berufungsschriftsatz vom 11. Oktober 1996 betreffend den Einkommensteuerbescheid 1995 machte der Beschwerdeführer geltend, das Finanzamt habe u.a. "vergessen" eine außergewöhnliche Belastung wegen des auswärtigen Studiums seines Sohnes ab September 1995 an der Technischen Universität in Wien zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer verfüge über einen Doppelwohnsitz in Waidhofen/Thaya, S.-Gasse, und in Wien, H.-Straße. Der Hauptwohnsitz (auch des Sohnes) befinde sich in Waidhofen/Thaya.

Nach einer abweisenden Berufungsvorentscheidung für das Jahr 1995 vom 19. Dezember 1996 betonte der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, dass er schon mehrmals dem Finanzamt gegenüber (so beispielsweise im Rahmen der Familienbeihilfe, die ebenfalls vom Finanzamt Waidhofen/Thaya erledigt werde) darauf hingewiesen habe, dass der Familienwohnsitz (überwiegende Haushaltsführung) in Waidhofen/Thaya liege. Auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen habe sich insbesondere seit 1993 wegen seines beruflichen Engagements (mehr als durchschnittlich 70 Stunden pro Woche Tätigkeit bei der N-GmbH in Waidhofen/Thaya) von Wien nach Waidhofen/Thaya verlagert. Es werde daher die Zuerkennung des Pauschbetrages für auswärtige Berufsausbildung für seinen in Wien studierenden Sohn beantragt.

In den angefochtenen Bescheiden blieben die strittigen Pauschbeträge in Bezug auf das auswärtige Studium des Sohnes unberücksichtigt. Im (erst)angefochtenen Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1995 wird zur Begründung ausgeführt, der Beschwerdeführer gebe zwar an, dass der Wohnort der Kinder in Waidhofen/Thaya gewesen sei, er habe aber gleichzeitig eine Bestätigung der Technischen Universität Wien über den Studienerfolg seines Sohnes vorgelegt, auf der die Adresse Wien, H-Straße, (ein weiterer Wohnsitz des Beschwerdeführers) vermerkt sei. Die belangte Behörde sei daher nach "freier Überzeugung" zu dem Schluss gelangt, dass der Sohn des Beschwerdeführers während der Monate Oktober 1995 bis Dezember 1995 in Wien gewohnt habe, zumal der Beschwerdeführer in Wien eine Wohnung besessen habe. Auch die Argumentation des Beschwerdeführers, dass der Familienwohnsitz schrittweise nach Waidhofen/Thaya verlegt worden sei, könne der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen, weil der Gesetzgeber zur Anerkennung des Pauschbetrages nicht auf den Familienwohnsitz, sondern auf den jeweiligen Wohnort abstelle. - In der Begründung des die Einkommensteuer für das Jahr 1996 betreffenden angefochtenen Bescheides wird auf die Begründung des erstangefochtenen Bescheides verwiesen.

Nach dem Inhalt der nach § 24 Abs. 2 VwGG mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Zuerkennung des Pauschbetrages nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 für die Zeit des Studiums seines Sohnes Andreas an der Technischen Universität in Wien verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 gelten Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 1.500 S pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegen die Zuerkennung des Pauschbetrages nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 rechtfertigende (Verpflegungs)Mehraufwendungen idR bereits dann vor, wenn eine Teilnahme an den Familienmahlzeiten zu den üblichen Essenszeiten nicht möglich ist; das Gegenteil wäre von der Behörde auf Grund eines gesetzmäßigen Verfahrens begründet festzustellen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 1993, 93/14/0078, vom 29. Juni 1995, 93/15/0104, und vom 27. Mai 1999, 97/15/0043). Für das Entstehen derartiger Mehraufwendungen ist es nicht von Bedeutung, ob sich das auswärts (außerhalb des Familienwohnortes) studierende Kind am Studienort in einem Studentenheim, in einer Mietwohnung oder allenfalls in einer weiteren im Besitz des Steuerpflichtigen stehenden Wohnung aufhält. Es ist damit entgegen der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebrachten Ansicht entscheidungswesentlich, wo sich der Familienwohnort des Beschwerdeführers (mit der Möglichkeit des Unterhaltsberechtigten zur Teilnahme an der familiären Haushaltsführung und Verpflegung) befand. Mit dem Abstellen nur "auf den jeweiligen Wohnort" (ohne Feststellungen über die Lage des Familienwohnortes zu treffen) hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Die angefochtenen Bescheide waren daher nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG. Ein Kostenersatz in Form des für die Beschwerde und die Stellungnahme zur Gegenschrift beantragten Schriftsatzaufwandes (jeweils inklusive Briefporto) konnte gemäß § 49 Abs. 1 VwGG idF BGBl. I Nr. 88/1997 nicht zugesprochen werden, weil der Beschwerdeführer tatsächlich nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Mai 1998, 97/02/0546).

Wien, am 31. Mai 2000

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