VwGH 2000/12/0182

VwGH2000/12/018217.8.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des B in E, vertreten durch Dr. Jörg Baumgärtel, Rechtsanwalt in Wien I, Himmelpfortgasse 14, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Mai 2000, Zl. 116.494/7-II/2/00, betreffend Kündigung des provisorischen Dienstverhältnisses, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
BDG 1979 §10 Abs2;
BDG 1979 §10 Abs4 Z4;
BDG 1979 §10 Abs4;
BDG 1979 §109 Abs2 idF 1997/I/061;
DVG 1984 §12 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3;
AVG §68 Abs1;
BDG 1979 §10 Abs2;
BDG 1979 §10 Abs4 Z4;
BDG 1979 §10 Abs4;
BDG 1979 §109 Abs2 idF 1997/I/061;
DVG 1984 §12 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht seit 1. Dezember 1995 als Sicherheitswachebeamter in einem provisorischen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; er war zum Zeitpunkt des ihm als Kündigungsgrund primär angelasteten Verhaltens im 3. Wiener Gemeindebezirk diensteingeteilt.

Mit Bescheid der Dienstbehörde erster Instanz vom 25. Jänner 2000 wurde das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 zum 31. Jänner 2000 gekündigt. Das Dienstverhältnis endete - so der erstinstanzliche Spruch - unter Berücksichtigung der Kündigungsfrist mit Ablauf des 30. April 2000, wobei der Berufung aber die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde.

In der Begründung dieses Bescheides wird im Wesentlichen auf eine dem Beschwerdeführer erteilte Ermahnung nach § 109 BDG 1979 wegen eines nach dem Bundes-Gleichbehandlungsgesetz relevanten Verhaltens hingewiesen und dann als Anlass für die Auflösung des Dienstverhältnisses der folgende Vorfall genannt:

"Am 2.8.1999, gegen 20.00 Uhr, haben sie zusammen mit Inspektor Josef S, im Bereich des Bahnhofes Wien-Mitte Dienst versehen. Dort kam es zu einer Amtshandlung mit dem Elektromonteur B Franz und seinem Arbeitskollegen SCH Albin. Da die beiden Personen ausweislos waren wurden sie in ein Arbeitszimmer des Bahnhofes Wien-Mitte geführt wo unter anderem eine Fahndungsanfrage durchgeführt wurde. Im Zuge dieser Amtshandlung entfachten die Genannten ein heftiges Streitgespräch mit ihnen über die Sinnhaftigkeit der von ihnen und Inspektor S geführten Amtshandlung.

Im Verlaufe der verbalen Auseinandersetzung verhielt sich B Franz zurückhaltend während SCH Albin lautstark und präpotent mit ihnen weiter diskutierte. B F., dem das Verhalten des SCH A. missfiel, fragte sie sinngemäß: 'Soll ich dem SCH eine runterhauen, damit er seinen Mund hält oder machen sie das mit ihrem Knüppel?'

Daraufhin zogen sie ihre Dienstwaffe 'Glock 17', richteten diese gegen SCH A. und unterstrichen diese Handlung sinngemäß mit den Worten: 'Schlagen tu ich ihn nicht, wenn, dann erschieß ich ihn!'

Im Anschluss daran haben sie ihre Dienstwaffe wieder im Holster verstaut. Abschließend händigten sie den beamtshandelten Personen eine Visitenkarte aus, wobei ihnen eine Beschwerde sowie eine Publizierung in der Zeitschrift 'NEWS' in Aussicht gestellt wurde."

In der Begründung wird auch noch darauf hingewiesen, dass sich die Personalvertretung gegen die Kündigung des Beschwerdeführers ausgesprochen, die belangte Behörde aber die Fortsetzung der Kündigung verfügt habe.

In der dagegen erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer auf die Verständigung der Staatsanwaltschaft Wien vom 28. September 1999, nach der die gegen ihn wegen des als Kündigungsgrund ihm angelasteten Verhaltens am 2. August 1999 erstattete Strafanzeige geprüft worden und seitens der Staatsanwaltschaft kein Grund zu einer strafgerichtlichen Verfolgung habe gefunden werden können (Einstellung gemäß § 90 Abs. 1 StPO). Auf Grund dieser Entscheidung sei davon auszugehen, dass das Verhalten des Beschwerdeführers rechtlich einwandfrei gewesen sei; die Dienstbehörde dürfe nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung kommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, im März 1998 sei der Beschwerdeführer auf Grund von bestimmten Vorfällen (sexistische Äußerungen im Kollegenkreis; Herzeigen von "oben-ohne"-Fotos von Kolleginnen) nach § 109 BDG 1979 ermahnt worden.

Am 2. August 1999, gegen 20.00 Uhr, habe er zusammen mit einem Kollegen im Bereich des Bahnhofes Wien-Mitte Dienst versehen. Im Zuge einer Amtshandlung mit zwei Männern, die keinen Ausweis bei sich gehabt und daher zur Durchführung einer Fahndungsanfrage in ein Arbeitszimmer des Bahnhofes Wien-Mitte geführt worden seien, habe er seine Dienstwaffe gezogen und sie gegen eine der beiden Personen, die ein heftiges Streitgespräch mit ihm geführt habe, in Anschlag gebracht. Zufolge der Aussage des anwesenden Sicherheitswachebeamten habe er diese Handlung mit folgenden Worten unterstrichen: "Schlagen tu ich ihn nicht, wenn, dann erschieße ich ihn!" Das Ziehen der Dienstpistole sei auch von einem der beiden Männer in der niederschriftlichen Einvernahme bestätigt worden. Im Zuge der mit dem Beschwerdeführer darüber aufgenommenen Niederschriften sei das Inanschlagbringen der Dienstpistole, das von ihm im Übrigen bei seiner Dienststelle nicht gemeldet worden sei und erst durch die Mitteilung des an der Amtshandlung beteiligten Kollegen bekannt geworden sei, zunächst dahin gehend erläutert worden, dass einer der Männer unvermutet auf ihn zugekommen sei und er daher diese Maßnahme zum Zwecke der Eigensicherung gesetzt hätte. In der Folge habe der Beschwerdeführer jedoch angegeben, dass es sich dabei um eine möglicherweise vermeidbare Überreaktion gehandelt habe und dass er nicht sicher sei, ob seine Vorgangsweise richtig gewesen sei.

Am 25. August 1999 habe daraufhin seine Dienstbehörde gegen ihn Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien wegen des Verdachtes nach § 107 StGB erstattet. Diese Anzeige sei in der Folge am 15. September 1999 gemäß § 90 StPO zurückgelegt worden, wobei begründend in der Note der Staatsanwaltschaft ausgeführt worden sei: "Anhalten der Dienstwaffe erfolgte offenbar in einer Überreaktion, im Endergebnis kann nicht mit Erfolg in Richtung § 107 Abs. 1 StGB verfolgt werden."

Mit Schreiben vom 26. August 1999 sei dem Beschwerdeführer schließlich mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, sein Dienstverhältnis gemäß § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 zu kündigen. In seiner darauf durch seinen Rechtsvertreter abgegebenen Stellungnahme habe er im Wesentlichen eingewendet, dass keinerlei Gründe gegeben seien, die nur annähernd eine Dienstpflichtverletzung bewiesen, sodass ein Kündigungsverfahren durch nichts zu begründen sei.

Am 6. September 1999 sei gegen den Beschwerdeführer die Disziplinaranzeige erstattet und in der Folge ein derzeit noch anhängiges Disziplinarverfahren eingeleitet worden.

Von der beabsichtigten Kündigung sei auch der Fachausschuss verständigt worden. Dieser habe sich gegen die Kündigung ausgesprochen und - nachdem keine Einigung mit der Dienstbehörde erzielt habe werden können - die Vorlage der Angelegenheit gemäß § 10 Abs. 6 PVG an die Zentralstelle verlangt. Der Bundesminister habe daraufhin schließlich nach Beratung am 20. Dezember 1999 entschieden, das Kündigungsverfahren fortzusetzen.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid sei darauf das provisorische Dienstverhältnis des Beschwerdeführers gekündigt worden, wobei sein Verhalten bei der Amtshandlung am 2. August 1999 als grober Verstoß gegen § 43 Abs. 2 BDG 1979 bewertet worden sei und daher weder die persönliche noch die charakterliche Eignung des Beschwerdeführers für den Sicherheitswachdienst gegeben sei.

Nach Wiedergabe der Rechtslage und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Erprobungscharakter des provisorischen Dienstverhältnisses führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter aus, in Würdigung des gesamten vorliegenden Sachverhaltes sei nunmehr evident, dass das Verhalten des Beschwerdeführers bei der Amtshandlung am "20.8.1999" (richtig wohl: "2. August 1999"), in deren Rahmen er ohne ersichtliche Notwendigkeit seine Dienstwaffe gegen eine dritte Person in Anschlag gebracht habe, jedenfalls ein pflichtwidriges Verhalten im Sinne des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 darstelle. Es sei davon auszugehen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben eines Wachebeamten nicht erhalten bleiben könne, wenn dieser unbegründet eine Waffe gegen einen Menschen richte. Der Kündigungstatbestand des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 sei daher als verwirklicht zu betrachten. Die Rechtfertigung des Beschwerdeführers, es habe sich dabei um eine Überreaktion gehandelt, könne an dieser Beurteilung nichts ändern, weil gerade von einem Exekutivbeamten auf Grund seines Aufgabenbereiches gefordert werden müsse, dass er auch in Konfliktsituationen bzw. im Umgang mit aggressiven Personen sachlich bleibe und insbesondere bei der Wahl der ihm zur Verfügung stehenden Mittel nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit vorgehe. Aus dem Umstand, dass das strafgerichtliche Verfahren gegen den Beschwerdeführer eingestellt worden sei, sei für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen, weil sein Verhalten zwar keinen strafrechtlichen Tatbestand erfülle, ungeachtet dessen aber ein pflichtwidriges Verhalten darstelle. Zum Einwand, es möge mit der Kündigung bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens zugewartet werden, sei schließlich zu entgegnen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frage der Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses losgelöst von einem allfälligen Disziplinarverfahren zu beurteilen sei.

Zusammenfassend vertrete die belangte Behörde daher die Ansicht, dass das Fehlverhalten des Beschwerdeführers bei der genannten Amtshandlung einen groben Verstoß gegen § 43 Abs. 2 BDG 1979 darstelle und somit den in Rede stehenden Kündigungsgrund des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 verwirkliche. Im Ergebnis müsse dem Beschwerdeführer daher - nicht zuletzt auch unter Heranziehung der ausgesprochenen Ermahnung wegen eines Verstoßes gegen das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz - die Eignung für den Dienst als Sicherheitswachebeamter abgesprochen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, der ihm angelastete Vorfall vom 2. August 1999 stelle - abgesehen von der Ermahnung - die erste negative Auffälligkeit seinerseits in einem mehr als vierjährigen Dienstverhältnis in einem diesbezüglich sensiblen Bereich dar. Was die Ermahnung betreffe, könne ihr nach seiner Meinung im Kündigungsverfahren keine entscheidende Bedeutung zukommen, weil es sich dabei lediglich um eine "erzieherische Maßnahme" ohne vorangegangenes "objektiviertes Ermittlungsverfahren" handle, gegen die kein Rechtsmittel möglich sei.

Zum Vorfall vom 2. August 1999 sei zu erwidern, dass die ihm vorgeworfene "Selbsteinsicht" einer Überreaktion in der Niederschrift am 4. August 1999 nicht negativ, sondern im Gegenteil positiv für ihn auszulegen sei. Er habe dabei die Sache im Rückblick betrachtet. Da die Tätlichkeiten - die er befürchtet habe - ausgeblieben seien, sei er davon ausgegangen, dass es eventuell nicht notwendig gewesen wäre, die Dienstwaffe zu ziehen. Es könne im Nachhinein aber nicht mehr gesagt werden, ob die Amtshandlung mit einem "linderen Mittel" ebenfalls ohne Verletzung einer der beteiligten Personen ausgegangen wäre. Gehe man davon aus, dass sich der Beschwerdeführer während der Amtshandlung auf Grund der plötzlichen Stimmungsänderung und des fordernden und stark gestikulierenden Zuschreitens des "Beamtshandelten" auf ihn sowie des teilnahmslosen Verhaltens seines sehr jungen und unerfahrenen Kollegen in einer außergewöhnlichen Stresssituation befunden habe und daher zum Eigenschutz sowie zum Schutz seines Kollegen die Waffe gezogen habe, so irre die belangte Behörde in ihrer Ausführung, wenn sie dieses Verhalten als "ohne ersichtliche Notwendigkeit" bezeichne. Unter diesem Blickwinkel sei vielmehr eine völlig korrekte Amtshandlung vollzogen worden. Die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Äußerung sei nicht gefallen. Dies schon allein deshalb, weil es andernfalls niemals zu einer Einstellung des Verfahrens wegen gefährlicher Drohung seitens der Staatsanwaltschaft hätte kommen können. Die belangte Behörde habe in dem der Beschwerde zu Grunde liegenden Bescheid auf die Einstellung der von der Behörde erstatteten Anzeige durch die Staatsanwaltschaft zwar hingewiesen, sei aber offensichtlich davon ausgegangen, dass die angesprochene Überreaktion nicht "in einer, wie aus dem Sachverhalt hervorgehenden und auch hier erwähnten Stresssituation" erfolgt sei. Dieser Umstand sei von der Behörde vielmehr im gesamten Verfahren nicht berücksichtigt worden. Die Tatsache, dass der Vorgesetzte den Beschwerdeführer mit einem jungen und unerfahrenen Kollegen auf Streife geschickt habe, impliziere zum einen, dass der Vorgesetzte als Repräsentant der Dienstbehörde der Meinung gewesen sei, dass der Beschwerdeführer ein ausgezeichneter und verlässlicher Beamter sei, der solchen Situationen gewachsen sei. Zum anderen unterstreiche es das bisherige vorbildliche Verhalten des Beschwerdeführers. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf die Ausführungen der belangten Behörde hinzuweisen, dass das gesamte dienstliche und außerdienstliche Verhalten während des provisorischen Dienstverhältnisses zu prüfen sei, um einer Kündigung zuzustimmen; es mute befremdend an, dass es auf Grund einer, aus der Sicht der Behörde - aber in einer Stresssituation -, gemachten Fehlleistung sofort zu der strengsten Reaktion, nämlich der Kündigung, komme. Selbst wenn die belangte Behörde diesen Argumenten nicht folge, liege eine gewisse Verantwortung auch beim Dienstgeber selbst, der einen, wie aus dem Bescheid hervorgehe, offensichtlich noch nicht so erfahrenen provisorischen Beamten mit einem nach der Dienstprüfung zum ersten Mal im Außendienst stehenden Kollegen gemeinsam auf Streife schicke. Auch das eingeleitete Disziplinarverfahren sei bisher nicht weiter verfolgt und dem Beschwerdeführer daher die Möglichkeit genommen worden, vor einer unabhängigen Behörde sich von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen frei beweisen zu können.

Gemäß § 10 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333, kann das provisorische Dienstverhältnis mit Bescheid gekündigt werden. Nach Ablauf der Probezeit ist die Kündigung nach § 10 Abs. 3 BDG 1979 nur mit Angabe des Grundes möglich. Ein Kündigungsgrund stellt nach § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 pflichtwidriges Verhalten dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 7. Oktober 1998, Zl. 98/12/0278, zu einer vergleichbaren Rechtslage klargestellt, dass pflichtwidriges Verhalten als Kündigungsgrund dessen Schuldhaftigkeit voraussetzt, und in Weiterführung seiner bisherigen Rechtsprechung dargelegt, dass ein Kündigungsverfahren wegen pflichtwidrigen Verhaltens nicht die Durchführung eines Disziplinarverfahrens voraussetzt. Gleichfalls steht auf Grund der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fest, dass die Dienstbehörde im Kündigungsverfahren im Fall einer rechtskräftigen Verurteilung wegen der mit der Rechtskraft verbundenen Bindungswirkung von den dem Schuldspruch zu Grunde gelegten Tatsachenfeststellungen auszugehen hat (vgl. insbesondere das Erkenntnis vom 19. November 1997, Zl. 95/12/0209, mwN).

Im zuletzt genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof zur Kündigung eines provisorischen Exekutivbeamten ausgeführt, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verfolge die Einrichtung des provisorischen Dienstverhältnisses den Zweck, den Beamten auf seine Eignung für den Dienst zu prüfen und nur Beamte in das definitive Dienstverhältnis zu nehmen, die allen Anforderungen entsprechen, die an einen Beamten im Allgemeinen wie in Anbetracht der Verwendung, für die er aufgenommen wurde, gestellt werden müssen. Damit sollen alle sich nicht voll bewährenden Beamten noch vor Erlangung einer unkündbaren Stellung von der Beamtenlaufbahn, für die sich nicht eignen, ausgeschlossen werden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Gründe, die zur Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses führen, eine längere oder eine kürzere Zeit zurückliegen; denn die Dienstbehörde hat nach dem Gesagten das Recht und die Pflicht, vor der Definitivstellung eines Beamten sein ganzes dienstliches oder außerdienstliches Verhalten zu prüfen.

Es trifft auch zu, dass ein "pflichtwidriges Verhalten" im Sinne des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 nicht nur dann vorliegt, wenn es sich über einen längeren Zeitraum erstreckt oder in der gleichen Art immer wiederholt wird. Auch die einmalige Tat eines Beamten kann - ungeachtet seines dienstlichen und außerdienstlichen Wohlverhaltens - derart schwer wiegend sein, dass durch sie der Kündigungsgrund des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 verwirklicht wird. Zu beachten ist allerdings, dass nicht jede einem im provisorischen Dienstverhältnis stehenden Beamten unterlaufene Verletzung auch nur irgendeiner seiner Dienstpflichten schon den Kündigungsgrund des "pflichtwidrigen Verhaltens" nach § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 begründet; dies wird insbesondere dann nicht der Fall sein, wenn die nur zu einem bestimmten Zeitpunkt unterlaufene Pflichtverletzung geringfügig ist, auf bloßer Nachlässigkeit beruht, einmaliger Art war und keine Wiederholung besorgen lässt, also insgesamt ihrer Schwere nach in keinem Verhältnis zur Schwere der Ahndung in Form einer Kündigung steht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. November 1998, Zl. 98/12/0154, mwH).

Im Beschwerdefall wird die Nichteignung des Beschwerdeführers für den Exekutivdienst im Kündigungsgrund des pflichtwidrigen Verhaltens gesehen, das durch zwei "Vorfälle" verwirklicht sein soll.

Was den ersten Vorwurf betreffend ein Verhalten im März 1998 betrifft, hätte dieses sachverhaltsmäßig unter Befassung des Beschwerdeführers näher substantiiert werden müssen, um im Rahmen der Kündigung des provisorischen Dienstverhältnisses verwertet werden zu können. Die Tatsache der Ermahnung allein reicht - unbeschadet der Frage, ob gegen eine solche Ermahnung nach § 109 Abs. 2 BDG 1979 in der im Beschwerdefall angewendeten Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 61/1997 eine gesonderte Rechtsschutzmöglichkeit besteht oder nicht - nicht für eine Wertung im Sinne des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 aus.

Hinsichtlich des zweiten Vorfalles teilt der Verwaltungsgerichtshof zwar die Auffassung der belangten Behörde, dass gerade von Exekutivbeamten gefordert werden muss, dass sie auch in Konfliktsituationen bzw. im Umgang mit aggressiven Personen sachlich bleiben und bei der Wahl der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit vorzugehen haben. Er kann sich aber nicht der Auffassung der belangten Behörde anschließen, dass der dem Beschwerdeführer sachverhaltsmäßig angelastete Vorfall bereits dessen Nichteignung für den Exekutivdienst ausweist, selbst wenn der Beschwerdeführer in seiner nachträglichen Einvernahme von einer "Überreaktion" gesprochen hat. Daraus wäre für den Standpunkt der Behörde nur dann etwas zu gewinnen, wenn die Vorgangsweise des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung der damals gegebenen konkreten Tatumstände objektiv betrachtet nicht situationsangemessen bzw. überzogen gewesen wäre. Das kann aber auf Grund der Sachverhaltsangaben, denen nichts Konkretes insbesondere zur Gefährlichkeit (Ungefährlichkeit) der Situation zu entnehmen ist, nicht gesagt werden. Dieser Umstand belastet den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Im Übrigen erweist sich der angefochtene Bescheid aber auch noch aus einem weiteren Grund mit Rechtswidrigkeit behaftet. Die Behörde erster Instanz hat nämlich im Spruch ihres Bescheides das Ende des provisorischen Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers mit Ablauf des 30. April 2000 festgesetzt, aber einer Berufung im Sinne des § 12 Abs. 2 DVG die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid "vollinhaltlich bestätigt". Dieser Bescheid wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers erst am 22. Mai 2000 zugestellt.

Wird in einem solchen Verfahren der zweitinstanzliche Bescheid erst nach Ablauf der im erstinstanzlichen Bescheid verfügten Kündigungsfrist erlassen, so schiebt die der Berufung nach § 12 DVG zuerkannte aufschiebende Wirkung den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus; das provisorische Dienstverhältnis endet diesfalls erst mit der Zustellung des Berufungsbescheides. Das bedeutet, dass die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Verbindlichkeit des Abspruches im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar nicht hinsichtlich der Wirkung der Kündigung, wohl aber hinsichtlich des Termins, zu dem das Dienstverhältnis endet, verändern kann. Die Kündigungsfrist beginnt daher nicht erst mit der Rechtskraft des Bescheides der Rechtsmittelinstanz neuerlich zu laufen, aber für den Fall der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bleibt das provisorische öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis bis zum rechtskräftigen Abspruch der Rechtsmittelinstanz aufrecht (vgl. in diesem Sinne zur Vorgängerregelung das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juli 1966, Slg. N. F. Nr. 6971/A, zum BDG 1979, das Erkenntnis vom 8. September 1980, Zl. 3369/79, oder - für den Fall, dass keine aufschiebende Wirkung eingeräumt worden ist - das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1994, Zl. 94/12/0132).

Da die belangte Behörde im Beschwerdefall den erstinstanzlichen Bescheid vollinhaltlich - also auch hinsichtlich der Festsetzung des Endtermines des Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers - bestätigt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid aus diesem Grund auch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. August 2000

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