VwGH 2000/11/0066

VwGH2000/11/00664.10.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des W in W, vertreten durch Dr. Walter Anderl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 13. Jänner 2000, Zl. MA 15-II-J 12/99, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

SHG Wr 1973 §13 Abs3;
SHG Wr 1973 §13 Abs4;
SHG Wr 1973 §13 Abs6;
VwRallg;
SHG Wr 1973 §13 Abs3;
SHG Wr 1973 §13 Abs4;
SHG Wr 1973 §13 Abs6;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer für den Zeitraum 11. November 1999 bis 10. Dezember 1999 eine Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nach dem Wiener Sozialhilfegesetz (WSHG) in Höhe von S 7.211,-- zuerkannt. Der Bemessung dieses Betrages lag zu Grunde, dass von einem im Sinne des § 13 Abs. 4 WSHG erhöhten Richtsatz von S 9.089,-- ausgegangen wurde. Eine Mietbeihilfe in Höhe von S 3.030,95 wurde hinzugerechnet und das Einkommen des Beschwerdeführers (Notstandshilfe) in Höhe von S 3.414,--, ein "Selbstbehalt" von S 835,-- und Alimente für einen der beiden Söhne des Beschwerdeführers in Höhe von S 660,-- wurden abgezogen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat Verwaltungsakten vorgelegt und mitgeteilt, dass von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen wird; sie beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 13 Abs. 1 bis 4 und 6 WSHG lauten:

"(1) Die Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes hat unter Anwendung von Richtsätzen zu erfolgen. Die Richtsätze sind durch Verordnung der Landesregierung festzusetzen.

(2) In der Verordnung über die Festsetzung der Richtsätze sind folgende Arten von Richtsätzen vorgesehen: 1. Richtsatz für den Alleinunterstützten, 2. Richtsatz für den Hauptunterstützten, 3. Richtsatz für den Mitunterstützten. Der in Z. 1 bezeichnete Richtsatz hat im Umfang des Abs. 3 den Lebensunterhalt eines Hilfesuchenden zu decken, der keine mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen hat. Die in Z. 2 und 3 bezeichneten Richtsätze haben zusammen den Lebensunterhalt eines Hilfesuchenden, seines Ehegatten oder Lebensgefährten und der sonst mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen im Umfange des Abs. 3 zu decken. Bezieht ein mit dem Hilfesuchenden in Familiengemeinschaft lebender unterhaltsberechtigter Angehöriger von einem außerhalb der Familiengemeinschaft lebenden Dritten eine Unterhaltsleistung, die die Höhe des Richtsatzes für einen Mitunterstützten übersteigt, so ist dieser Angehörige bei der Bedarfsermittlung nicht zu berücksichtigen. Dies gilt sinngemäß auch für Lehrlingsentschädigungen oder für ein allfälliges sonstiges Einkommen dieses Angehörigen.

(3) Der Richtsatz ist so zu bemessen, dass er den monatlichen Bedarf an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege, Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben deckt.

(4) Der Richtsatz kann im Einzelfall überschritten werden, wenn infolge der persönlichen oder familiären Verhältnisse des Hilfesuchenden ein erhöhter Bedarf besteht. Dies gilt insbesondere bei alten, kranken oder behinderten Menschen sowie bei Familien mit Kindern. Bei der Bemessung der Höhe der Geldleistung sind jedenfalls Einkünfte, die dem Hilfesuchenden im Rahmen einer Beschäftigungstherapie oder einer sonstigen individuellen therapeutischen Betreuungsmaßnahme als Leistungsanreiz zufließen (therapeutisches Taschengeld), bis zur eineinhalbfachen Höhe des Taschengeldes gemäß § 13 Abs. 9 nicht anzurechnen.

(6) Der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes, insbesondere die Unterkunft, Bekleidung, Hausrat und Beheizung ist durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken, deren Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falles zu bemessen ist. Bei alten oder erwerbsunfähigen Beziehern wiederkehrender monatlicher Geldleistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes kann dieser Bedarf durch einen Zuschlag zum Richtsatz pauschal abgedeckt werden."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem ebenfalls den Beschwerdeführer betreffenden Erkenntnis vom 27. Juni 2000, Zl. 99/11/0379, zu einer vergleichbaren Konstellation ausgesprochen, dass eine Richtsatzüberschreitung im Einzelfall gemäß § 13 Abs. 4 WSHG nach dem tatsächlichen erhöhten Bedarf des Hilfeempfängers zu bemessen ist. Diese Bemessung bedarf einer Begründung. Es bedeutet einen Begründungsmangel, wenn für den den Richtsatz überschreitenden Betrag ein bestimmter nicht näher begründeter Betrag herangezogen wird, von dem dann Abzüge vorgenommen werden, die im Ergebnis zu einer Verringerung des zunächst für notwendig erachteten Betrag führen.

Was diese Abzüge anlangt, hat der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Vorerkenntnis ausgesagt, dass der Abzug des "Selbstbehaltes" (worunter im gegebenen Zusammenhang der "durchschnittliche Mietbedarf" im Sinne des § 4 Abs. 4 der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe LGBl. Nr. 13/1973 in der für das Jahr 1999 maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 62/1998 zu verstehen ist) in Ansehung der Person des Beschwerdeführers rechtswidrig ist, weil dieser das 65. Lebensjahr noch nicht überschritten hat und jedenfalls im Zeitraum vom 12. Juli bis 10. August 1999 ein Erwerbseinkommen bezogen hat, also nicht - wie von § 4 der Verordnung gefordert - mindestens ein halbes Jahr erwerbsunfähig war.

Der angefochtene Bescheid ist schon aus diesem Grunde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Im Hinblick auf den Inhalt der Begründung des angefochtenen Bescheides und der Beschwerde ist darüber hinaus auszuführen, dass der aufgezeigte Begründungsmangel auch den Umstand mitumfasst, dass dem Beschwerdeführer entgegen seinem ausdrücklichen Begehren im Verwaltungsverfahren unter bloßem Hinweis auf die Richtsatzerhöhung nach § 13 Abs. 4 WSHG kein gesonderter Heizbedarf zuerkannt wurde. Eine Richtsatzerhöhung nach § 13 Abs. 4 WSHG umfasst nach dem Wortlaut des WSHG (§ 13 Abs. 3 und 6) nicht auch den durch den Richtsatz nicht gedeckten, sondern nach den Erfordernissen des Einzelfalles zu bemessenden Bedarf u.a. an Beheizung.

Hingegen stellen die Beschwerdeausführungen, die sich auf die "Alimente" beziehen (dass nämlich der in Anschlag gebrachte Betrag von S 660,-- dem Beschwerdeführer gar nicht zufließt und er seinerseits zur Bezahlung eines Unterhaltsbeitrages für eines seiner Kinder im selben Betrag verpflichtet sei) unzulässige Neuerungen dar.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in dem Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand nach der zitierten Verordnung bereits enthalten ist.

Wien, am 4. Oktober 2000

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