VwGH 2000/05/0120

VwGH2000/05/01204.7.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Adolf Prokesch in Enzersfeld, vertreten durch Dr. Horst Auer, Rechtsanwalt in Wien I, Börseplatz - Börsegasse 10, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. Mai 2000, Zl. RU1-V-00041/00, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. WET Wohnungseigentümer Gemeinnützige Wohnbaugesellschaft m.b.H. in Wien VIII, Josefstädter Straße 51,

2. Gemeinde Enzersfeld, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1 Z2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z3;
BauRallg;
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1 Z2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z3;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und dem ihr angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Am 9. Juni 1999 beantragte die erstmitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für den Neubau eines Wohnhauses mit 12 Wohneinheiten auf dem Grundstück Nr. 499, KG 11024 Enzersfeld. Das zu bebauende Grundstück weist die Widmung Bauland-Agrargebiet auf, ein Bebauungsplan wurde nicht erlassen. Das Bauvorhaben soll zum anrainenden Grundstück Nr. 827, dessen Eigentümer der Beschwerdeführer ist, einen Abstand von 5 m einhalten.

Über dieses Bauvorhaben wurde eine mündliche Verhandlung für den 24. Juni 1999 anberaumt, zu der der Beschwerdeführer als Anrainer geladen wurde. Anlässlich der Bauverhandlung hat der Beschwerdeführer nach den Ausführungen in der Beschwerde gegen das Vorhaben des Erstmitbeteiligten Einwendungen mit der Begründung erhoben, dass ein derartig großes Bauvorhaben auf der Nachbar-Liegenschaft ihn sowohl in der Freiheit seines Eigentums als auch in seiner persönlichen Freiheit einengen würde. Dieses Vorbringen sei (lediglich) mit dem Satz: "Durch das gegenständliche Projekt fühle ich mich in meiner persönlichen Freiheit eingeengt" in das Protokoll über die genannte Bauverhandlung aufgenommen worden.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. August 1999 wurde der erstmitbeteiligten Partei die beantragte Baubewilligung erteilt. Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers, in der ausgeführt wurde, dass das Bauvorhaben mit dem Flächenwidmungsplan nicht übereinstimme und auch nicht ortsüblich sei, hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde das Gutachten eines bautechnischen Amtssachverständigen eingeholt. Dieser führte nach Darstellung des Beurteilungsraumes aus, das Bauvorhaben weise zwei Hauptgeschosse auf, es entspreche den Anforderungen des § 54 der NÖ Bauordnung 1996, da es weder in seiner Anordnung auf dem Grundstück noch der Höhe gegenüber dem erhobenen Bestand auffallend

abweiche. Was den Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfenster

zulässiger Gebäude auf den Nachbargrundstücken betreffe, seien bei Einhaltung der vorgesehenen Abstände zu den Grundstücksgrenzen keine Beeinträchtigungen von zukünftigen Bebauungen zu erwarten.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 24. Februar 2000 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. Mai 2000 keine Folge gegeben. Das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Bauverhandlung am 24. Juni 1999, zu der er nachweislich persönlich geladen worden sei, sei keine Einwendung im Sinne des § 42 AVG, da er damit keine Verletzung von Nachbarrechten im Sinne der NÖ Bauordnung 1996 geltend gemacht habe; daher habe der Beschwerdeführer seine Parteistellung im Baubewilligungsverfahren verloren. Es wäre daher seine Berufung vom Gemeinderat zurückzuweisen gewesen. Die Rechte des Beschwerdeführers seien jedoch nicht dadurch verletzt worden, dass der Gemeinderat die Berufung als unbegründet abgewiesen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200-0, haben in Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 2 und § 35 Parteistellung bzw. können erlangen:

  1. 1. der Bauwerber und/oder der Eigentümer des Bauwerks
  2. 2. der Eigentümer des Baugrundstücks
  3. 3. die Eigentümer der Grundstücke, die mit dem Baugrundstück eine gemeinsame Grenze haben oder von diesen durch eine öffentliche Verkehrsfläche, ein Gewässer oder einen Grüngürtel mit einer Breite bis zu 14 m getrennt sind (Nachbarn), und

    4. die Eigentümer eines ober- oder unterirdischen Bauwerks auf den Grundstücken nach Z. 2 und 3, z.B. Superädifikat, Baurechtsobjekt, Keller, Kanalstrang (Nachbarn).

    Nachbarn werden nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. Im Baubewilligungsverfahren werden sie nur dann Parteien, wenn sie diese Rechte spätestens in der Bauverhandlung geltend machen. Beteiligte sind alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden.

    Subjektiv-öffentliche Rechte werden gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen begründet, die

    1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4) sowie

    2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben, gewährleisten und über

    3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der Gebäude der Nachbarn dienen.

    Den Ausführungen in der Beschwerde zufolge hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, dass ein derartig großes Bauvorhaben auf der Nachbarliegenschaft ihn sowohl in der Freiheit seines Eigentums als auch in seiner persönlichen Freiheit einengen würde. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer gegen die Protokollierung seiner Einwendungen mit dem Satz "durch das gegenständliche Projekt fühle ich mich in meiner persönlichen Freiheit eingeengt" keinen Widerspruch erhoben hat, und die Niederschrift daher gemäß § 15 AVG über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis liefert, wäre selbst dann, wenn die Protokollierung so erfolgt wäre, wie der Beschwerdeführer sein Vorbringen angeblich gestaltet hat, für den Beschwerdeführer nichts gewonnen: Die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte werden im § 6 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 taxativ aufgezählt. Ein Widerspruch zum Flächenwidmungsplan auf Grund unzulässiger Immission wurde weder mit der protokollierten Einwendung, noch mit jener, die der Beschwerdeführer nach seinen Angaben tatsächlich erhoben hat, geltend gemacht.

    Hinsichtlich der Bebauungsweise, der Bebauungshöhe, des Bauwichs, der Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässiger Höhe ist den Nachbarn gemäß § 6 Abs. 2 Z. 3 NÖ Bauordnung 1996 lediglich insofern ein Mitspracherecht eingeräumt, als diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster der bewilligten oder bewilligungsfähigen Gebäude der Nachbarn dienen. Den Einwendungen des Beschwerdeführers kann nicht entnommen werden, dass er befürchte, durch das Bauvorhaben werde die ausreichende Belichtung der Hauptfenster seines bestehenden Gebäudes oder zukünftig bewilligungsfähiger Gebäude beeinträchtigt. Mit dem Vorbringen, der Beschwerdeführer erachte sich durch das gegenständliche Projekt in seiner persönlichen Freiheit eingeengt, hat er, wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, kein in § 6 Abs. 1 Z. 2 NÖ Bauordnung 1996 angeführtes subjektiv-öffentliches Recht geltend gemacht. Der Beschwerdeführer hat daher seine Parteistellung im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren gemäß § 42 Abs. 1 AVG in der Fassung der Verfahrensgesetznovelle 1998 verloren.

    Entgegen der Ansicht in der Beschwerde steht einem Nachbarn nach der NÖ Bauordnung 1996 das subjektiv-öffentliche Recht auf Einhaltung der Bestimmung über die Bebauungsweise im "weitesten Sinn" nicht zu, sondern nur dann, wenn diese Bestimmung der Erzielung einer ausreichenden Belichtung dient.

    Wenn in der Beschwerde ausgeführt wird, der Beschwerdeführer hätte von der Baubehörde erster Instanz angeleitet werden müssen, sein Vorbringen so protokollieren zu lassen, dass das von ihm ins Treffen geführte subjektiv-öffentliche Anrainerrecht auch verbal zutreffend umschrieben in das Protokoll aufgenommen werde, so ist darauf hinzuweisen, dass die Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG nicht so weit geht, dass die Partei zur Erhebung von Einwendungen und zu deren inhaltlicher Ausgestaltung angeleitet werden müsste (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, auf Seite 181 unter 4 und 6a angeführte hg. Judikatur).

    Da sohin schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Wien, am 4. Juli 2000

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