VwGH 2000/05/0081

VwGH2000/05/00814.7.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Mag. Inge Hofer in Wels, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Oberösterreichiscshen Landesregierung vom 14. März 2000, Zl. BauR-012497/1-2000-Ka/Pa, betreffend Untersagung einer Bauausführung (mitbeteiligte Partei: Stadt Wels, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO OÖ 1976 §41 Abs2 litb;
BauRallg;
BauTG OÖ 1994 §2 Z20 idF 1998/103;
BauTG OÖ 1994 §2 Z31 idF 1998/103;
BauTG OÖ 1994 §7 idF 1998/103;
VwRallg;
BauO OÖ 1976 §41 Abs2 litb;
BauRallg;
BauTG OÖ 1994 §2 Z20 idF 1998/103;
BauTG OÖ 1994 §2 Z31 idF 1998/103;
BauTG OÖ 1994 §7 idF 1998/103;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist grundbücherliche Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 1217, KG Wels, bestehend aus den Grundstücken Nr. 1766 und 1768. Mit einer am 6. Juli 1999 bei der Baubehörde eingelangten Eingabe zeigten die Eltern der Beschwerdeführerin gemäß § 25 Abs. 1 Z. 2 BO an, dass sie ein Carport (überdachte PKW-Abstellfläche) mit den Außenausmaßen von 6 m mal 2,90 m und einem Pultdach mit einer Höhe von 2,50 m an der höheren, und 2,35 m an der niedrigeren Seite errichten wollten. Dem der Anzeige beigelegten Plan ist zu entnehmen, dass das Carport an einer Längsseite und an der Vorderseite offen sein soll, die schmale Rückseite sowie die zweite Längsseite sollte im unteren Teil, annähernd bis zur halben Höhe mit einer Holzgitterkonstruktion abgeschlossen sein, während der darüber befindliche Teil offen bleiben sollte.

Mit Schreiben vom 27. Juli 1999 führte der Bausachverständige der mitbeteiligten Stadt Wels aus, die Grundstücke Nr. 1768 und 1769 wiesen eine Gesamtfläche von 404 m2 auf. Für diese Liegenschaft komme der "Stadtregulierungsplan" zur Anwendung, der keine Festlegungen für Nebengebäude beinhalte. Demnach kämen die Bestimmungen der Oö. Bauordnung und des Oö. Bautechnikgesetzes sowie der Oö. Bautechnikverordnung zur Anwendung. Nach den zwingenden Bestimmungen des § 7 Oö. Bautechnikgesetz dürfe, soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlege, das Ausmaß der mit Nebengebäuden bebauten Fläche des Bauplatzes oder des zu bebauenden Grundstückes 10 % der Gesamtfläche nicht übersteigen. Auf der Liegenschaft befänden sich außer dem Hauptgebäude bereits zwei Nebengebäude (Garagen) mit einer bebauten Fläche von 51,17 m2. Demnach bestehe bereits durch die vorhandenen Nebengebäude eine Überschreitung des § 7 des OÖ Bautechnikgesetzes. Eine weitere Bebauung mit Nebengebäuden sei daher nicht mehr zulässig, daher auch nicht das angezeigte Carport im Ausmaß von 18,6 m2.

Dieses Schreiben wurde den Eltern der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht, die daraufhin mitteilten, dass nunmehr die Beschwerdeführerin als Miteigentümerin des genannten Grundstückes im Grundbuch aufscheine und Rechtsnachfolgerin ihrer Eltern sei. Die Bauanzeige sei im Einverständnis mit der Beschwerdeführerin erfolgt.

In der Folge untersagte der Magistrat der Stadt Wels mit Bescheid vom 2. August 1999 die Ausführung des angezeigten Bauvorhabens. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass auf der Liegenschaft bereits zwei Nebengebäude mit einer bebauten Fläche von 51,17 m2 errichtet seien, es sei daher mit Rücksicht auf die Gesamtfläche von 404 m2 eine weitere Bebauung mit Nebengebäuden nicht mehr zulässig. Im Spruch ist ausgeführt, dass hinsichtlich des mit Eingabe von Herrn Erich Hofer und Frau Josefa Hofer vom 6. Juli 1999, nunmehrige Rechtsnachfolgerin Frau Mag. Inge Hofer, angezeigten Bauvorhabens die Bauausführung untersagt werde. Als Bescheidadressatin scheint die Beschwerdeführerin auf, der Bescheid wurde den Eltern der Beschwerdeführerin zur Kenntnisnahme übermittelt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, das Carport sei kein Nebengebäude. Erst wenn ein Raum allseits von Wänden umschlossen sei, seien lichte Raumhöhen gegeben. Ein Bau ohne Wände sei aber weder ein Raum noch ein Gebäude.

Mit Bescheid vom 31. Jänner 2000 hat der Stadtsenat der mitbeteiligten Stadt Wels die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Das Carport stelle sich als Nebengebäude dar, das wegen der Überschreitung von 10 % der Gesamtfläche durch die vorhandenen Nebengebäude nicht mehr errichtet werden könne.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 14. März 2000 abgewiesen. Sie teilte im Wesentlichen die Rechtsansicht der Gemeindebehörden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Entgegen dem Beschwerdevorbringen lässt schon der erstinstanzliche Bescheid klar erkennen, an wen der Bescheid gerichtet ist, dies geht nicht nur aus dem Spruch hervor, sondern auch aus der Zustellverfügung.

Strittig ist, ob das eingangs geschilderte Carport ein Nebengebäude im Sinne der §§ 2 und 7 des Oö. Bautechnikgesetzes ist.

Gemäß § 2 Z. 20 des Oö. Bautechnikgesetzes, LGBl. Nr. 67/1994 in der Fassung LGBl. Nr. 103/1998, ist ein Gebäude ein begehbarer überdachter Bau mit einer lichten Raumhöhe von mindestens eineinhalb Meter. § 2 Z. 31 leg. cit. definiert ein Nebengebäude als ein Gebäude mit höchstens einem Geschoß über dem Erdboden und einer Traufenhöhe bis zu 3 m über dem Erdgeschoßfußboden, das im Vergleich zur gegebenen oder voraussehbaren Hauptbebauung nur untergeordnete Bedeutung hat und nicht Wohnzwecken dient; ob im Fall der Verbindung mit einem Hauptgebäude ein angebautes Nebengebäude vorliegt oder eine bauliche Einheit mit dem Hauptgebäude, also ein Zubau zu diesem, hängt von der baulichen Gestaltung und dem funktionalen Zusammenhang der als selbstständige Gebäude oder als bloße Gebäudeteile zu qualifizierenden Baukörper ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bisher mit dem Gebäudebegriff bzw. dem Begriff "Nebengebäude" nach dem Oö. Bautechnikgesetz in der Fassung LGBl. Nr. 103/1998 noch nicht auseinandergesetzt.

Die Oö. Bauordnung 1976 hat in ihrem § 41 Abs. 2 lit. b Gebäude wie folgt definiert: "Im Sinne des Abs. 1 ist unter Gebäude ein überdachter Bau mit einer lichten Raumhöhe von mindestens eineinhalb Meter zu verstehen". Zu dieser Definition hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass unter einem Gebäude eine bauliche Anlage zu verstehen ist, durch die ein allseits umschlossener Raum gebildet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. April 1998, Zl. 94/05/0217, und die dort angeführte hg. Vorjudikatur). In seinem Erkenntnis vom 15. Juni 1999, Zl. 95/05/0242, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf das bereits zitierite Erkenntnis vom 16. April 1998 ausgeführt, dass zum Gebäudebegriff die Qualifikation "allseits umschlossen" erforderlich sei, ein 10 cm breiter Schlitz unter dem Dach mit einer Breite von ca. 2 m könne an der Qualifikation "allseits umschlossen" nichts ändern.

Der Vergleich zwischen der Definition des Gebäudebegriffes in § 41 Abs. 2 lit. b Oö. Bauordnung 1976 und jener in § 2 Z. 20 Oö. BauTG zeigt, dass in beiden Fällen von einem überdachten Bau mit einer lichten Raumhöhe von mindestens eineinhalb Metern die Rede ist, die Definition nach dem Oö. BauTG fügt dem lediglich das Erfordernis der Begehbarkeit hinzu. Das Erfordernis der Begehbarkeit ändert aber nichts daran, dass auch nach der derzeitigen Definition von einer lichten "Raumhöhe" auszugehen ist, weshalb, weil ein Raum allseits umschlossen sein muss, auch bei der derzeitigen Gebäudedefinition im Hinblick auf das Erfordernis des "allseits Umschlossenseins" keine Änderung eingetreten ist.

Da gemäß § 2 Z. 31 des Oö. BauTG in der Fassung LGBl. Nr. 103/1998 ein Nebengebäude als ein Gebäude definiert ist, muss auch ein Nebengebäude allseits umschlossen sein.

§ 29 der Oö. Bauordnung 1976 lautete in seinem Abs. 1 wie folgt: "Nebengebäude sind Gebäude mit einer Traufenhöhe bis zu drei Meter über dem Fußboden und einer Gesamthöhe bis zu fünf Meter , die im Vergleich zur gegebenen oder voraussehbaren Hauptbebauung nur untergeordnete Bedeutung haben (zum Beispiel Flugdächer, Schuppen, Garagen und ähnliche Gebäude)." Während der Gesetzgeber der Oö. Bauordnung 1976 in der beispielsweisen Aufzählung ausdrücklich Flugdächer anführte, obwohl diese der Gebäudedefinition als allseits umschlossener Raum nicht entsprachen, hat der Landesgesetzgeber in § 2 Z. 31 des nunmehr geltenden Oö. BauTG den Hinweis auf Flugdächer nicht mehr aufgenommen.

Nun kann aber dem Landesgesetzgeber nicht unterstellt werden, dass das Weglassen eines bisher im Gesetz enthaltenen Elementes auf einem Versehen beruhe, vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass dann, wenn anlässlich der Neudefinition eines Begriffes ein bisher enthaltenes Element wegfällt, der Gesetzgeber ganz bewusst diese Auslassung vorgenommen hat und daher der gesetzlichen Bestimmung eine andere Bedeutung beimessen wollte als im Geltungsbereich der vorigen Rechtslage. Der Hinweis der belangten Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 7. September 1993, Zl. 93/05/0060, in dem eine Eingangsüberdachung als Nebengebäude qualifiziert wurde, geht ins Leere, weil sich dieses Erkenntnis auf die Rechtslage nach der Oö. BauO 1976 bezogen hat.

Auch der Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 23. Dezember 1999, Zl. 99/06/0179, zum Gebäudebegriff nach der Tiroler Bauordnung 1998 vermag die Rechtsansicht der belangten Behörde nicht zu stützen, weil die Definition nach § 2 Abs. 2 TBO 1998 nicht mit jener des § 2 Z. 20 des Oö. BauTG ident ist und überdies dem damaligen Erkenntnis eine bauliche Anlage zu Grunde lag, die mit Seitenmauern aus Plexiglaselementen, die in Metallrahmen eingefügt waren, umschlossen und von einem Schirm überdacht war, der bei Bedarf geöffnet oder geschlossen werden konnte (Schirmbar).

Die belangte Behörde stützt ihren Rechtsstandpunkt auf einen Hinweis auf die Anmerkung 3 im Kommentar von Neuhofer im O.ö. Baurecht, 4. Auflage, Seite 43. Dort ist angeführt, dass der O.ö. Baurechtsgesetzgeber durch die Ausnahmeregelungen für Abstellplätze-Schutzdächer (§ 6 Abs. 1 Z. 3 Oö. BauTG) und für Ständerbauten u.a. (§ 12 Abs. 8 Oö. BauTG) - jeweils in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 103/1998 - offensichtlich auch Bauten, die nicht allseits umschlossen sind, als "Gebäude" betrachte. Bei diesem Hinweis wird aber übersehen, dass gerade im § 12 Abs. 8 unter der Z. 1 Oö. BauTG offene Ständerbauten, Bootshütten, Flugdächer und ähnliche bauliche Anlagen bis zu 50 m2 bebauter Fläche, unter Z. 2 aber Nebengebäude bis zu 12 m2 bebauter Fläche angeführt sind. Gerade in dieser Bestimmung hat der Landesgesetzgeber daher offensichtlich zwischen offenen Ständerbauten und Nebengebäuden unterschieden; ansonsten wäre die Zulässigkeit von 50 m2 bei offenen Ständerbauten gegenüber nur 12 m2 bei Nebengebäuden nicht verständlich.

§ 6 Abs. 1 Z. 3 des Oö. BauTG kann weder in der Stammfassung noch in der Fassung LGBl. Nr. 103/1998 zur Klärung der Frage beitragen, ob ein Carport als Nebengebäude zu qualifizieren ist:

Diese Bestimmung regelt die Ausnahmen von den Vorschriften betreffend Abstände und Vorgärten und lautet wie folgt:

"(1) Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, gelten die Abstandsbestimmungen zu den seitlichen und zur inneren (hinteren) Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze(n) nicht für:

1. Gebäude, die innerhalb eines geschlossenen bebauten Gebietes gelegen sind;

2. widmungsneutrale Gebäude im Sinn des § 27a Oö. Bauordnung 1994 mit einer bebauten Fläche bis zu insgesamt 50 m2 und einer dem Nachbarn zugewandten Seite bis zu 10 m Länge;

3. mit Schutzdächern versehene Abstellplätze und Garagen als Nebengebäude, auch wenn sie an das Hauptgebäude angebaut und unterkellert sind, mit einer Nutzfläche bis zu insgesamt 50 m2 und einer dem Nachbarn zugewandten Seite bis zu 10 m Länge; ..."

Die Bestimmung verweist somit sowohl auf Gebäude und Nebengebäude als auch auf mit Schutzdächern versehene Abstellplätze, ohne dass daraus erhellen würde, ob mit Schutzdächern versehene Abstellplätze als Nebengebäude zu qualifizieren wären.

§ 6 Abs. 1 Z. 1 bis 3 leg. cit. lautete in der Stammfassung:

"(1) Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, gelten die Abstandsbestimmungen zu den seitlichen und zur inneren (hinteren) Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze(n) nicht für:

1. Gebäude, die von der baubehördlichen Bewilligungspflicht ausgenommen sind;

2.Gebäude, die innerhalb eines geschlossen bebauten Gebietes gelegen sind;

3. mit Schutzdächern versehene Abstellplätze und Garagen, auch wenn sie an das Hauptgebäude angebaut und unterkellert sind, mit einer Nutzfläche bis zu insgesamt 50 m2 und einer den Nachbarn zugewandten Seite von bis zu 10 m Länge;"

Auch aus dieser Bestimmung lässt sich nicht ableiten, dass ein mit einem Schutzdach versehener Abstellplatz ein Nebengebäude ist.

Da die belangte Behörde somit verkannte, dass das Carport mangels Vorliegens einer raumbildenden Anlage kein Nebengebäude im Sinne des § 7 des Oö. BauTG ist, und die Versagung allein darauf gestützt war, dass die Errichtung eines weiteren Nebengebäudes nicht mehr zulässig sei, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 4. Juli 2000

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