VwGH 2000/03/0264

VwGH2000/03/026415.11.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des TK, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Marburger Kai 47, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 16. Juni 2000, Zl. UVS 30.2-56/1999-15, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §24 Abs1 lita;
StVO 1960 §4 Abs1 litc;
StVO 1960 §4 Abs5;
VStG §6;
VwRallg;
StVO 1960 §24 Abs1 lita;
StVO 1960 §4 Abs1 litc;
StVO 1960 §4 Abs5;
VStG §6;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 16. Juni 1998 um ca.

21.50 Uhr in Graz, Grillparzerstraße Nr. 4, als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Personenkraftwagens 1. im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" gehalten;

2. obwohl sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden gestanden sei, an der Feststellung des Sachverhaltes nicht mitgewirkt, weil er sich von der Unfallstelle entfernt habe; 3. obwohl sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden gestanden sei, nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt. Er habe dadurch 1. § 24 Abs. 1 lit. a StVO 1960, 2. § 4 Abs. 1 lit. c leg. cit und 3. § 4 Abs. 5 leg. cit. verletzt und wurde hiefür mit Geldstrafen von 1. S 700,-- (24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe),

2. S 3.000,-- (vier Tage Ersatzfreiheitsstrafe) und 3. S 2.000,-- (3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) bestraft. In der Begründung stellte die belangte Behörde fest, dass gegen 21.30 Uhr des Tattages ein mit Bodenmarkierungsarbeiten beauftragtes Organ des Straßen- und Brückenbauamtes des Magistrates Graz hinsichtlich des im Bereich eines durch entsprechende Straßenverkehrszeichen kundgemachten Halte- und Parkverbotes abgestellten PKWs des Beschwerdeführers den Abschleppdienst angefordert habe. Der beim Abschleppunternehmen beschäftigte Zeuge P. habe das Fahrzeug des Beschwerdeführers auf eine Abschleppbrille gehoben und es so befestigt, dass die angehobenen Vorderräder auf der Abschleppbrille mit Sicherungsbolzen befestigt gewesen seien, während sich die hinteren Räder noch auf der Fahrbahn befunden hätten. Danach sei P. ca. eine Fahrzeuglänge nach vor gefahren, sodass sich das Abschleppfahrzeug bereits außerhalb des Verbotsbereiches befunden habe, und habe angehalten, um die Unterschrift des Auftraggebers für die Abschleppung zu bekommen. Als dann der Beschwerdeführer mit Unterhose und Badeschuhen bekleidet auf die Straße gekommen sei und sich zum Fahrzeug begeben habe, sei P. ungefähr in die Position zurück gefahren, in welcher er vorher das Fahrzeug aufgenommen habe. Der Beschwerdeführer habe den Zeugen aufgefordert, den Personenkraftwagen von der Abschleppbrille zu stellen. P. habe vom Beschwerdeführer die Einsichtnahme in einen Lichtbildausweis sowie in den Zulassungsschein vor Aushändigung des Fahrzeuges gefordert, worauf der Beschwerdeführer auf die sofortige Herausgabe des Fahrzeuges beharrt habe. Als dem der Zeuge P. nicht nachgekommen sei, sei der Beschwerdeführer in seinen Personenkraftwagen gestiegen, habe das Fahrzeug gestartet und sei im Rückwärtsgang soweit zurück gefahren, dass die Vorderreifen sich nicht mehr auf der Abschleppbrille befunden hätten. Sie hätten sich jedoch so mit den Sicherungsbolzen verkeilt, dass es nicht gelungen sei, das Fahrzeug von der Hebevorrichtung zu lösen. Die Vorderreifen hätten sich noch in einer Entfernung von 20 cm bis 30 cm von der Fahrbahnoberfläche befunden. Die Sicherungsbolzen hätten sich offenbar durch die mit Vollgas bewirkte abrupte Rückwärtsbewegung stark verbogen. Auch das Fahrzeug des Beschwerdeführers sei beschädigt worden. Nachdem der Beschwerdeführer festgestellt habe, dass ihm ein Weiterfahren nicht mehr möglich sei, sei er aus seinem Fahrzeug ausgestiegen und habe sich vom Tatort entfernt. Der Zeuge

P. habe ihm noch erklärt, er werde die Polizei verständigen. Der sodann herbei gerufene Meldungsleger habe sich nach Besichtigung der Schäden in die Wohnung des Beschwerdeführers begeben, wo er dessen Gattin angetroffen habe. Diese habe erklärt, ihr Mann sei vor kurzer Zeit vom Tennisspielen nach Hause gekommen und habe auf Grund einer Herzerkrankung um 22.00 Uhr noch einen Termin bei seinem Hausarzt Dr. S. gehabt. Er sei daher, nachdem er auf die Straße hinunter gelaufen sei und vom Lenker des Abschleppwagens die sofortige Rückgabe seines PKWs gefordert habe, wieder in die Wohnung zurück gekommen und habe in weiterer Folge vor dem Eintreffen der Polizei die Wohnung verlassen. Gegen 22.20 Uhr habe sich der Beschwerdeführer in Anwesenheit des Polizeibeamten bei seiner Gattin gemeldet, wobei diese nach einem kurzen Gespräch den Hörer an den Meldungsleger weitergegeben habe. Zunächst habe sich Dr. S. gemeldet und dann seinerseits den Hörer an den Beschwerdeführer weiter gegeben. Der Meldungsleger habe den Beschwerdeführer unter Hinweis auf den an beiden Fahrzeugen entstandenen Schäden aufgefordert, an den Unfallsort zurück zu kehren. Der Beschwerdeführer habe erwähnt, dass er ein Herzleiden habe, und sei nicht bereit gewesen, der Aufforderung nachzukommen. Er habe darauf hingewiesen, dass seine Gattin alles Weitere erledigen werde. In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde vom Vorliegen eines mit dem Verhalten des Beschwerdeführers in ursächlichem Zusammenhang stehenden Verkehrsunfalles mit Sachschaden aus. Dass der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungs- und Verständigungspflicht im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. c und Abs. 5 StVO 1960 nicht nachgekommen sei, stehe unbestritten fest. Einen schuldausschließenden Notstand habe der Beschwerdeführer nicht darzutun vermocht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer hat zwar erklärt, den Bescheid "seinem gesamten Inhalt nach" anzufechten, doch betreffen die weiteren Ausführungen in der Beschwerde ausschließlich die Verwaltungsübertretungen nach § 4 Abs. 1 lit. c und Abs. 5 StVO 1960. Der angefochtene Bescheid wird daher tatsächlich nur in Ansehung dieser Verwaltungsübertretungen, nicht jedoch auch jener nach § 24 Abs. 1 lit. a StVO 1960 bekämpft.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs. 1 genannten Personen gemäß § 4 Abs. 5 StVO 1960 die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Der Beschwerdeführer meint, dass der Schaden an der Hebevorrichtung des Abschleppfahrzeuges nicht einem Verkehrsunfall zuzuordnen sei, weil "der Versuch des Freibekommens des rechtswidrig in Verwahrung genommenen, mit den Antriebsrädern ca. 20 cm bis 30 cm über der Fahrbahn arretierten Fahrzeuges, mit dem Straßenverkehr nicht im Zusammenhang steht". Es liege vielmehr ein "faktisches Verhalten des Beschwerdeführers gegen einen unrechtmäßigen Abschleppversuch seines Fahrzeuges" vor.

Damit verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage:

Als Verkehrsunfall ist jedes plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende Ereignis anzusehen, welches sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zuträgt und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat (vgl. die bei Messiner, Straßenverkehrsordnung10, S. 99, zitierte Rechtsprechung).

Unter Straßenverkehr ist die räumliche Fortbewegung von Personen oder Sachen ohne oder mit technischen Hilfsmitteln sowie die Gesamtheit der diesem Zweck dienenden Einrichtungen zu verstehen (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 1968, B 445/67).

Auf dem Boden dieser Rechtslage ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde vom Vorliegen eines Verkehrsunfalles ausging. Bei dem vom Beschwerdeführer gesetzten Verhalten handelte es sich zumindest um den Versuch der Fortbewegung des sich mit den Hinterrädern noch auf der Fahrbahn einer Straße mit öffentlichem Verkehr befindlichen Fahrzeuges. Die durch dieses Verhalten bewirkte Schadenszufügung steht damit jedenfalls mit dem Straßenverkehr in Zusammenhang und ist daher als ein dem Tatbestand des Verkehrsunfalles zu unterstellendes Ereignis anzusehen.

Ob - wie der Beschwerdeführer behauptet - "das Zurückbringen des Fahrzeuges auf die Fahrbahn ... ausschließlich nach Freistellung der Arretierungsstreben möglich ist", ist für diese Beurteilung nicht rechtserheblich. Für die im § 4 Abs. 1 und 5 StVO 1960 angeordneten Pflichten ist es auch nicht wesentlich, ob das unfallskausale Verhalten rechtswidrig und schuldhaft war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1969, Slg. Nr. 7609/A). Die diese Themenkreise betreffenden Beweisanträge des Beschwerdeführers entbehrten daher der Relevanz.

Für den Beschwerdeführer ist auch nichts gewonnen, wenn er geltend macht, dass er seine Gattin ersucht habe, "alles Weitere zu erledigen". Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 24. Februar 1993, Zl. 92/02/0343) kann zwar die Meldepflicht nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 u.a. auch durch einen Dritten erfüllt werden; das bedeutet aber nicht, dass die Verpflichtung an sich übertragbar wäre, sondern es wird dem Verpflichteten damit lediglich die rechtliche Möglichkeit eingeräumt, sich diesbezüglich auch der Mitwirkung eines Dritten zu bedienen, weshalb der Verpflichtete strafbar bleibt, wenn er sich nicht davon überzeugt, ob der Bote auch den Auftrag im Sinne des Gesetzes befolgt hat. Da der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet hat, sich von der Befolgung seines Auftrages überzeugt zu haben, vermag er mit seinem oben skizzierten Vorbringen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Schließlich beruft sich der Beschwerdeführer darauf, dass ihn die im Zusammenhang mit dem Vorfall aufgetretene Aufregung verbunden mit Herzbeschwerden veranlasst hätte, unverzüglich einen Arzt aufzusuchen, da er ernstlich um seine Gesundheit bzw. sein Leben besorgt gewesen sei. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, einen Notstand oder Putativnotstand darzutun.

Nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 98/03/0043) ist unter Notstand gemäß § 6 VStG ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten zu verstehen, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im Allgemeinen strafbare Handlung begeht. Zum Wesen des Notstandes gehört es somit, dass der Beschuldigte einer unmittelbar drohenden Gefahr für das Leben, die Gesundheit, die Freiheit oder das Vermögen ausgesetzt ist und diese Gefahr zumutbarer Weise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung behoben werden kann. Auch die irrtümliche Annahme eines Notstandes (Putativnotstand) kann entschuldigen, und zwar dann, wenn der Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Notstandes nicht auf Fahrlässigkeit beruhte, dem Beschuldigten also nicht vorwerfbar wäre.

Im Beschwerdefall kann nicht davon gesprochen werden, dass der Beschwerdeführer der von ihm befürchteten Gefahr für Leben und Gesundheit nur durch Begehung der ihm angelasteten Delikte hätte begegnen können. Es wäre für ihn vielmehr nahe gelegen, sich die ihm notwendig erscheinende sofortige ärztliche Hilfe - ohne sich dem weiteren Risiko einer Autofahrt auszusetzen - im Wege des Herbeirufens eines Arztes, allenfalls des Notarztes, zu verschaffen. Für die Annahme, dass dies objektiv nicht möglich oder dem Beschwerdeführer subjektiv nicht zumutbar gewesen wäre bzw. dass sich der Beschwerdeführer hierüber in einem entschuldbaren Irrtum befunden hätte, fehlen jegliche Anhaltspunkte.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. November 2000

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