VwGH 99/18/0258

VwGH99/18/025831.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des L R, geboren am 7. Juni 1967, in Schwaz, vertreten durch Dr. Peter Grauss und Dr. Gernot Moser, Rechtsanwälte in 6130 Schwaz, Archengasse 9/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 14. Dezember 1998, Zl. III 96-10/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
FrG 1997 §37;
StVO 1960 §5 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
FrG 1997 §37;
StVO 1960 §5 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 14. Dezember 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 Z. 2 und den §§ 37 bis 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei vom Bezirksgericht Schwaz mit Strafverfügung vom 31. August 1994 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden.

Weiters sei er von der Bezirkshauptmannschaft Schwaz wie folgt rechtskräftig verwaltungsbehördlich bestraft worden:

am 30. Oktober 1991 wegen Verwendung eines Kfz am 30. Oktober 1991, obwohl dessen linker Hinter- und beide Vorderreifen nicht mehr auf der ganzen Lauffläche die gesetzliche Mindestprofiltiefe aufwiesen;

am 29. März 1993 wegen Übertretung des § 4 Abs. 1 iVm § 22 Abs. 1 Z. 1 Meldegesetz und des § 3 Abs. 1 iVm § 22 Abs. 1 Z. 1 Meldegesetz zu Geldstrafen von je S 500,-- wegen Unterlassung der Ab- bzw. Anmeldung an näher bezeichneten Unterkünften innerhalb von drei Tagen vor oder nach Aufgabe der Unterkunft bzw. Zuzug zu dieser;

am 31. März 1993 wegen Übertretung des § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 zu einer Geldstrafe von S 1.000,-- wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet zwischen 1. Februar 1993 und 28. März 1993;

am 1. September 1994 wegen Übertretung des § 82 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz zu einer Geldstrafe von S 500,--, weil er am 14. August 1994 während einer Verkehrskontrolle Gendarmeriebeamte lautstark beschimpft und dabei wild mit den Händen gefuchtelt habe; er habe sich dadurch trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrgenommen hätten, aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung behindert;

am 9. Februar 1995 wegen Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO (gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO) und des § 64 Abs. 1 KFG zu Geldstrafen von S 8.000,-- und S 3.000,-- wegen Verweigerung des so genannten "Alko-Tests" und Lenkens eines Kfz ohne gültige Lenkerberechtigung;

am 9. Februar 1995 wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO (gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO) und des § 64 Abs. 1 KFG zu Geldstrafen von S 10.000,-- und S 3.000,-- wegen Lenkens eines Kfz im öffentlichen Straßenverkehr in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand und ohne im Besitz einer gültigen Lenkerberechtigung zu sein;

am 29. Juni 1995 wegen Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG und des § 24 StVO zu Geldstrafen von S 2.500,-- und S 500,-- wegen Lenkens eines Kfz ohne gültige Lenkerberechtigung und Missachtung eines behördlichen Halte- und Parkverbotes;

am 19. Dezember 1997 wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO (§ 99 Abs. 1 lit. a StVO) zu einer Geldstrafe von S 11.000,-- wegen Lenkens eines Kfz am 7. Dezember 1997 in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand.

Das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers auf Grund der rechtskräftigen Bestrafungen zwischen 1991 und 1997 zeige deutlich seine negative Einstellung gegenüber der Rechtsordnung, wodurch der Eindruck entstehe, dass er nicht gewillt sei, Rechtsvorschriften in erforderlicher Weise zu achten und sein Verhalten den Gesetzen anzupassen, woraus sich die berechtigte Folgerung ergebe, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG). Die rechtskräftigen Bestrafungen wegen

§ 5 Abs. 1 bzw. § 5 Abs. 2 StVO (§ 99 Abs. 1 StVO) vom 19. Dezember 1997 bzw. vom 9. Februar 1995 und wegen

§ 82 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz vom 1. September 1994 erfüllten als mehr als einmalige rechtskräftige Bestrafung im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG diesen Tatbestand.

Ein relevanter Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG liege vor. Dieser Eingriff mache das Aufenthaltsverbot im Grund des § 37 Abs. 1 FrG jedoch nicht unzulässig. Die sich im Gesamtfehlverhalten manifestierende Neigung des Beschwerdeführers, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele der Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer dringend geboten (vgl. die wirkungslos gebliebene Androhung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes durch die Bezirkshauptmannschaft Schwaz mit Schreiben vom 13. Oktober 1994 und das Schreiben des Beschwerdeführers vom 6. April 1995 an die Bezirkshauptmannschaft Schwaz, worin er sich für seine Straftaten im Gastland entschuldigt und versprochen habe, in Zukunft keine Straftaten mehr zu begehen, welches Versprechen er nicht eingehalten habe.).

Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen schwer. Der Beschwerdeführer halte sich seit 1989 im Bundesgebiet auf, wobei sein Aufenthalt jedoch erst 1991 legalisiert worden sei. Er arbeite als Hilfsarbeiter und sei dementsprechend gut integriert, habe intensive private Bindungen, woraus sich eine Desintegration in Bosnien-Herzegowina, wo er aufgewachsen sei, ergebe. Er habe gute Kontakte zu seinen drei Geschwistern, welche gut integriert und mit jeweils eigener Familie in Österreich lebten. Das Gewicht seiner familiären Interessen werde durch seine Volljährigkeit, den Umstand, dass er mit seinen Geschwistern und deren Familien nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebe und selbst keine eigene Familie habe, verringert. Diese Interessen wögen jedoch - im Hinblick auf die Neigung des Beschwerdeführers zu schweren (Verwaltungs)Straftaten - höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei. Die körperliche Unversehrtheit von Menschen, die der Beschwerdeführer durch seine Straftat nach § 83 Abs. 1 StGB direkt und durch seine wiederholten Straftaten nach § 5 StVO indirekt angegriffen habe, habe einen großen öffentlichen Stellenwert und ein großes "öffentliches Gewicht".

Es werde daher im Hinblick auf seine Gefährlichkeit für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, auf seine erneute Straffälligkeit trotz der nachweislichen Androhung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für den Fall weiterer Straftaten und im Hinblick auf sein gebrochenes, schriftliches Versprechen vom 6. April 1995, keine weiteren Straftaten zu begehen, vom Ermessen nach § 36 Abs. 1 zum Nachteil des Beschwerdeführers Gebrauch gemacht.

Ein Aufenthaltsverbots-Verbotsgrund gemäß § 38 (§ 35) FrG komme im Fall des Beschwerdeführers nicht zum Tragen. Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche § 39 Abs. 1 FrG und den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen. Die belangte Behörde sei der Ansicht, dass bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nämlich der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, das Verstreichen von fünf Jahren von Nöten sei.

Da der Aufenthalt des Beschwerdeführers nach seinen eigenen Angaben in der Berufung erst mit 11. Dezember 1991 legalisiert worden sei, könne er schon deshalb aus § 35 Abs. 2 (iVm § 38 Abs. 1 Z. 2) FrG nichts gewinnen, weil er die dort genannte zeitliche Voraussetzung nicht erfülle; abgesehen davon sei er von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt worden.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, er unterhalte zu Kroatien "überhaupt keine Kontakte", stimme dies insofern nicht, als er Inhaber eines kroatischen Reisepasses und somit kroatischer Staatsbürger sei. Abgesehen davon, dass bei der Interessenabwägung nach § 37 FrG das in Österreich geführte Privat- und Familienleben maßgeblich sei und ein Aufenthaltsverbot nicht anordne, wohin der Fremde auszureisen habe, allenfalls abgeschoben werde, sei es dem Beschwerdeführer als einem volljährigen, jungen, ledigen Menschen auf Grund des Missbrauchs des Gastrechtes in Österreich zumutbar, sich nach einem weniger als zehnjährigen Aufenthalt in Österreich in seine (neue) Heimat Kroatien zu begeben und dort seinen Lebensmittelpunkt einzurichten.

Dass sich der Beschwerdeführer "bis zum Jahr 1993 nichts (Gravierendes) zu Schulden" habe kommen lassen und dass er "bis zum heutigen Tag nicht mehr strafrechtlich aufgefallen" sei und die Geldstrafen ordnungsgemäß bezahlt habe, ändere nichts an den schweren einschlägigen Straftaten in den Jahren 1995 und 1997 und der daraus hervorleuchtenden Gefährlichkeit seiner Person für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Seine Meldegesetz-, KFGund FrG-Übertretungen rundeten sein Gesamtfehlverhalten nur ab. Das Aufenthaltsverbot werde von den Übertretungen nach § 5 StVO und der Bestrafung nach § 83 Abs. 1 StGB getragen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom 8. Juni 1999, B 198/99).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und begehrt aus diesem Grund die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahren vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht die zu den Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers getroffenen Feststellungen und wendet sich auch nicht gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG verwirklicht und angesichts des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers die im § 36 Abs. 1 (Z. 1) leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei. Auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen begegnet diese Beurteilung keinem Einwand, zumal es sich bei den dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Übertretungen nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 im Hinblick auf die von alkoholisierten Kfz-Lenkern ausgehende große Gefahr für die Allgemeinheit um Gefährdungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit von großem Gewicht handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2000, Zl. 98/18/0218).

2.1. Die Beschwerde hält indes den angefochtenen Bescheid im Grund des § 37 FrG für rechtswidrig und bringt vor, der gesamte Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers sei nunmehr in Österreich, weil er hier arbeite und wohne und auch seine engeren Verwandten, zu denen er ausgezeichneten Kontakt habe, allesamt in Österreich lebten. Er habe zu keinen außerhalb Österreichs wohnenden Personen mehr Kontakt, insbesondere nicht zu Personen in seiner Geburtsstadt in Bosnien-Herzegowina. Die belangte Behörde vermeine zu Unrecht, dass er auf Grund seiner schweren einschlägigen Straftaten in den Jahren 1995 und 1997 eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Es handle sich um Übertretungen nach § 5 StVO, also um Verwaltungsstraftatbestände. Die belangte Behörde habe bei der Abwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG auf die dort genannten Umstände nicht ausreichend Bedacht genommen. Sie hätte bei Berücksichtigung dieser Merkmale zum Schluss kommen müssen, dass die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht gerechtfertigt bzw. unverhältnismäßig sei.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat aufgrund des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich seit 1989, seiner familiären Bindungen zu seinen im Inland lebenden Geschwistern sowie seiner Berufstätigkeit - zutreffend - einen mit dem Aufenthaltsverbot verknüpften Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Sie hat aber - unter Bedachtnahme auf diese persönlichen Interessen - ebenso zutreffend zum Ausdruck gebracht, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme dringend geboten sei, hat doch der Beschwerdeführer durch sein Fehlverhalten insbesondere das gewichtige Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs erheblich beeinträchtigt. Unter Zugrundelegung des dargestellten öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Wenngleich - mit der Behörde - die für den Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich sprechenden persönlichen Interessen nicht unbeträchtlich sind, kommt ihnen doch kein größeres Gewicht zu als dem durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers nachhaltig gefährdeten Allgemeininteresse; dabei war zu berücksichtigen, dass die aus dem Aufenthalt des Beschwerdeführers und seiner Beschäftigung resultierende Integration in Ansehung der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch das besagte Fehlverhalten erheblich beeinträchtigt wurde.

3. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. Mai 2000

Stichworte