Normen
AVG §69 Abs1 Z1;
AVG §69 Abs3;
KOVG 1957 §86 Abs1;
AVG §69 Abs1 Z1;
AVG §69 Abs3;
KOVG 1957 §86 Abs1;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 25.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 12. Dezember 1990 hat die am 10. Oktober 1920 geborene Beschwerdeführerin dem zuständigen Landesinvalidenamt für Oberösterreich mitgeteilt, dass ihr Gatte Franz Adelinger am 11. Dezember 1990 verstorben sei. Sie ersuchte, "die nötigen Schritte in die Wege zu leiten" und beantragte gleichzeitig Witwenrente.
Daraufhin übermittelte ihr das Landesinvalidenamt für Oberösterreich ein Antragsformular, welches von ihr unterfertigt und mit dem Datum 25. März 1991 versehen retourniert wurde. Auf die in diesem Formblatt gestellte Frage "Haben Sie bei einem Sozialversicherungsträger oder aus dem öffentlichen Dienst eine Pension beantragt?" fügte sie in dem hiefür vorgesehenen Platz "SV Gewerbl. Wirtschaft" ein. Über Ersuchen des Landesinvalidenamtes für Oberösterreich wurde durch das Gemeindeamt der Gemeinde H am 26. März 1991 mit der Beschwerdeführerin das Formblatt zur "Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse ab Jänner 1991" ausgefüllt. Auch hier gab sie als Beruf "Pensionist" und über Frage nach anderweitig gestellten Anträgen auf Pension oder andere Geldleistungen, über die noch nicht entschieden worden sei (eine Frage, die sie mit "ja" beantwortet hatte) bekannt, bei der "SV Gewerbl. Wirtschaft" unter Angabe der PS-Nr. eine Pension beantragt zu haben sowie auf die Frage nach "Naturaleinkünften" ein Wohnrecht in Höhnhart Nr. 55 samt freier Beleuchtung und Beheizung, an. Diese Angaben wurden von einem Vertreter der Gemeinde (Unterschrift unleserlich) als geprüft und für richtig befunden und auch von der Beschwerdeführerin selbst unterfertigt, die mit dieser Unterschrift u.a. auch - laut Formularvordruck - zur Kenntnis nahm, dass sie verpflichtet sei, "jede Änderung in den Einkommensverhältnissen oder im Familienstand binnen zwei Wochen dem Landesinvalidenamt anzuzeigen" und erkläre, ihre Einkommensverhältnisse "vollständig und wahrheitsgetreu angegeben" zu haben.
Daraufhin wurde ihr mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Oberösterreich vom 21. Mai 1991 die Witwengrundrente nach ihrem am 11. Dezember 1990 verstorbenen Ehemann gemäß §§ 35 Abs. 1 und 2 sowie 51 Abs. 2 KOVG 1957 gewährt.
Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Oberösterreich vom 29. Oktober 1991 wurde ihr darüber hinaus gemäß §§ 13, 35 Abs. 3 und 51 Abs. 2 KOVG eine Zusatzrente zur Witwengrundrente gewährt.
Erst im April 1997 erlangte das Landesinvalidenamt davon Kenntnis, dass die Beschwerdeführerin seit dem 1. Jänner 1991 auch eine deutsche Rente von der Landesversicherungsanstalt Oberbayern, die ihr mit Bescheid vom 8. März 1991 auf Grund ihres am 4. Jänner 1991 gestellten diesbezüglichen Antrages zuerkannt worden war, bezieht. Auch im Verfahren über die deutsche Rente hatte die Beschwerdeführerin die von der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft bezogene (österreichische) Pension nicht angegeben. Mit Schreiben vom 18. Juni 1997 brachte das Bundessozialamt Oberösterreich der Beschwerdeführerin diese Umstände zur Kenntnis und ersuchte um entsprechende Stellungnahme. Daraufhin wurde vom Sohn der Beschwerdeführerin, A, am 14. Juli 1997 dem Bundessozialamt Oberösterreich zur Kenntnis gebracht, dass seine Mutter (die Beschwerdeführerin) seit 1993 an immer stärker werdenden Gedächtnisschwund leide. Sie sei zwar noch in der Lage, sich selbst zu waschen und anzukleiden, jedoch Wäsche waschen, bügeln, das Reinigen der Wohnung, kochen und einkaufen sowie das Begleiten bei Arztbesuchen und Hilfe beim Einnehmen von Medikamenten werde von ihm selbst, seiner Frau und seinen Kindern erledigt. Da weder er noch seine Frau etwas von der Antragstellung bzw. Einvernahme gewusst habe, könne er auch keine Auskunft erteilen. Diesem Schreiben war eine ärztliche Bestätigung des praktischen Arztes Dr. B vom 14. Juli 1997 angeschlossen, wonach bei der Beschwerdeführerin eine fortschreitende Zerebralsklerose mit Nachlassen des Gedächtnisses und der Gehirnleistung bestehe.
Mit Bescheid des Bundessozialamtes für Oberösterreich vom 30. Juni 1998 wurde das mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Oberösterreich vom 29. Oktober 1991 rechtskräftig abgeschlossene Verfahren betreffend den Anspruch auf Zusatzrente gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 86 Abs. 1 KOVG von Amts wegen wieder aufgenommen, der Bescheid vom 29. Oktober 1991 behoben und festgestellt, dass über die Leistung neu zu entscheiden sei (Spruchpunkt I). Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gemäß § 13 Abs. 3 und 9 KOVG über die Zusatzrente ab 1. Jänner 1991 jeweils für ein Kalenderjahr im Nachhinein abgesprochen werde (Spruchpunkt II dieses Bescheides). Die Behörde erster Instanz begründete nach Wiedergabe der in Anwendung gebrachten gesetzlichen Bestimmungen die Wiederaufnahme des Verfahrens damit, der Tatbestand des § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG liege auch dann vor, wenn der Bescheid in einer Art zustande gekommen sei, dass die Partei vor der Behörde objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung in Irreführungsabsicht gemacht habe und diese Angaben dann dem Bescheid zugrunde gelegt worden seien. Das Verschweigen wesentlicher Umstände sei dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen. Ob Irreführungsabsicht vorliege, entziehe sich als interner Willensvorgang der unmittelbaren menschlichen Kenntnis, das Vorliegen einer solchen Absicht könne daher nur aus den das rechtswidrige Verhalten der Partei begleitenden Umständen geschlossen werden. Dem Zusatzrentenbewilligungsbescheid sei zugrunde gelegen, dass die Beschwerdeführerin außer der Pension der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft und einem freien Wohnrecht mit Beleuchtung und Beheizung über kein weiteres Einkommen verfüge. Wie sich nunmehr jedoch herausgestellt habe, sei ihr über ihren Antrag vom 4. Jänner 1991 mit Bescheid der Landesversicherungsanstalt Oberbayern vom 18. März 1991 rückwirkend ab 1. Jänner 1991 eine Witwenrente zuerkannt worden. Wäre dieser Umstand der Behörde rechtzeitig bzw. zur Zeit der Erlassung des Zusatzrentenbewilligungsbescheides bekannt gewesen, so wäre es zu einer wesentlich anders lautenden Entscheidung über die Zusatzrente gekommen. Auf Grund des Antrages auf Witwenversorgung vom 14. Dezember 1990 sei der Beschwerdeführerin ein Formblatt zur Beantwortung von Fragen über ihre Einkommensverhältnisse, die für den Anspruch auf Zusatzrente von grundlegender Bedeutung seien, übermittelt worden. Darin habe sie auch die Vollständigkeit und Wahrheitsgemäßheit ihrer Angaben unterschriftlich bestätigt. Auf die Frage, ob sie bei einem Sozialversicherungsträger oder aus dem öffentlichen Dienst eine Pension beantragt habe und gegebenenfalls bei welcher Stelle, habe sie aber lediglich die Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft angegeben. Auch in dem durch das Gemeindeamt H über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse verwendeten Fragebogen habe sie trotz Hinweises auf die Folgen des Verschweigens wesentlicher Umstände nicht angeführt, dass sie eine Rente aus der deutschen Sozialversicherung beantragt bzw. zuerkannt erhalten habe. Auch aus der Begründung des Zusatzrentenbewilligungsbescheides sei ersichtlich gewesen, dass diese einkommensabhängige Leistung nur unter Berücksichtigung der Pension aus der Sozialversicherung der Gewerblichen Wirtschaft sowie unter Einbeziehung des freien Wohnrechts mit Beleuchtung und Beheizung bemessen, nicht aber auch das Einkommen aus der deutschen Rente berücksichtigt worden sei. Auch dieser Bescheid habe den Hinweis enthalten, wonach jede bekannte Veränderung in den rechtlichen Voraussetzungen für den Rentenbezug, insbesondere jede Einkommensänderung, anzuzeigen gewesen wäre. Trotzdem habe sie das Landesinvalidenamt nicht über den ihre wahren Einkommensverhältnisse betreffenden Irrtum aufgeklärt. Da den Umständen nach nicht angenommen werden könne, dass die wiederholte Verletzung der Anzeigepflicht sowie das Belassen des Landesinvalidenamtes in einer irrigen Einkommensannahme auf ein Versehen zurückgehe und auch eine andere einleuchtende Erklärung für ihr Verhalten nicht gefunden habe werden können, müsse angenommen werden, dass sie den Witwenrentenbezug der Landesversicherungsanstalt Oberbayern deswegen verschwiegen habe, um in den Genuss einer höheren Zusatzrente zu kommen. Den Einwendungen der Tochter (Anmerkung: richtigerweise des Sohnes), sie habe seit 1993 an immer stärker werdendem Gedächtnisschwund zu leiden, sei entgegenzuhalten, dass die unvollständigen Angaben bereits vor diesem Zeitpunkt im Jahr 1991 erfolgt seien. Der Tatbestand des Erschleichens im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG 1991 liege daher vor.
Zu Spruchpunkt 2 wurde lediglich ausgeführt, die Zusatzrente sei in dem Ausmaß zu zahlen, als das monatliche Einkommen der Witwe ohne Berücksichtigung der Grundrente den jeweiligen Richtsatzbetrag für Pensionsberechtige auf Witwenpension nicht erreiche.
Mit sieben Bescheiden, jeweils vom 1. Juli 1998 wurden die Ansprüche der Beschwerdeführerin auf Zusatzrente für jeweils ein Jahr (1991 - 1997) in unterschiedlicher Höhe neu berechnet.
Gegen die Bescheide vom 30. Juni 1998 und 1. Juli 1998 erhob die Beschwerdeführerin eine - gemeinsame - Berufung (wobei davon auszugehen ist, dass die Berufung sämtliche mit dem Datum 1. Juli 1998 versehenen Bescheide über die neu errechnete Höhe der Zusatzrente zu bekämpfen beabsichtigte, wie wohl in der Berufung lediglich von einem Bescheid vom 1. Juli 1998 die Rede ist).
Mit den angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde diesen Berufungen keine Folge und bestätigte die bekämpften erstinstanzlichen Bescheide aus den darin angeführten Gründen gemäß § 66 Abs. 4 AVG.
Den erstangefochtenen Bescheid (betreffend die Wiederaufnahme) begründete sie im Wesentlichen damit, die Beschwerdeführerin habe weder bei der Antragstellung auf Gewährung der Witwenversorgung nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz noch bei der Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse die Tatsache der Beantragung einer Rentenleistung seitens der LVA Oberbayern bzw. deren Zuerkennung oder den Bezug bekannt gegeben. Auch nach Erhalt des Zusatzrentenbescheides des BSB Oberösterreich vom 29. Oktober 1991, der eine ausführliche Aufklärung bezüglich einer allfälligen Änderung in den Einkommensverhältnissen enthalten habe, habe die Beschwerdeführerin die Zuerkennung bzw. den Bezug der deutschen Rente nicht gemeldet. Der Rentenzuerkennungsbescheid der LVA Oberbayern sei nachweislich am 13. März 1991 an die Beschwerdeführerin abgefertigt worden. Diese hätte - wenn schon nicht im Zuge des Ausfüllens des Einkommenserhebungsbogens am 26. März 1991 - zumindest nach dem Erhalt des Zusatzrentenbescheides des BSB Oberösterreich vom 29. Oktober 1991 der Versorgungsbehörde die Zuerkennung der deutschen Rente bekannt geben müssen. Mit dem Verschweigen dieses Einkommens seien die gesetzlichen Voraussetzungen für die Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 AVG gegeben. Auf Grund des Bezugs einer Pension in ausländischer Währung sei die Entscheidung über einen allfälligen Zusatzrentenanspruch für jeweils ein Kalenderjahr im Nachhinein gemäß § 13 Abs. 3 und 9 KOVG gesetzlich vorgegeben.
Der zweitangefochtene Bescheid enthält außer dem Verweis auf die bekämpfte Entscheidung über die Zusatzrente lediglich folgende weitere Begründung:
"Da die Entscheidung des BSP Oberösterreich vom 30. Juni 1998 bezüglich der Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 AVG zu Recht erfolgt ist, sind die Bescheide über den Anspruch auf Zusatzrente für die Jahre 1991 bis einschließlich 1997 gemäß § 13 Abs. 3 und 9 KOVG 1957 dem Gesetz entsprechend erlassen."
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsverfahren nach den Bestimmungen des AVG, vor allem in ihrem Recht auf ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gemäß §§ 57ff AVG, auf Begründung des Bescheides gemäß § 67 AVG, auf Manuduktion gemäß § 13a AVG sowie in ihrem Recht, dass über eine einmal entschiedene Sache nicht neuerlich entschieden werden darf (§§ 68ff AVG), somit hinsichtlich der Bestimmung über die Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 3 AVG, verletzt. Sie macht - auf das Wesentliche zusammengefasst - zunächst Mängel der Beweiswürdigung geltend, weil auf ihr Berufungsvorbringen kein Bedacht genommen worden sei. Insbesondere hätte die Behörde sich eingehender mit den Gründen befassen müssen, warum die Beschwerdeführerin ihre deutsche Rente nicht angegeben habe. Die Behörde hätte ermitteln müssen wie der Gesundheitszustand, insbesondere die Gedächtnisleistung, der Beschwerdeführerin in diesem Zeitpunkt gewesen sei. Im Übrigen sei aus den von bzw. mit der Beschwerdeführerin ausgefüllten Formblättern keineswegs eindeutig hervorgegangen, dass auch ausländische Einkünfte Gegenstand der Auskunftspflicht gewesen seien. Auch hätte der internationale Datenaustausch der Sozialversicherungsträger eine frühere Kenntnis der Sozialbehörden über diese Umstände ermöglicht. Es fehle jeder Hinweis auf ein absichtliches Verhalten der Beschwerdeführerin.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerden beantragt, und legte die Verwaltungsakten vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der von der belangten Behörde auf den vorliegenden Sachverhalt angewendete § 69 Abs. 1 Z. 1 des Allgemeinen Verfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 51/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 (in Kraft getreten am 1. Jänner 1999) lautet:
"Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist."
Nach Abs. 3 leg. cit. kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1 die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall weder die Fälschung einer Urkunde, noch ein falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung, welche der Beschwerdeführerin zur Last läge, ins Treffen geführt, sondern geltend gemacht, dass das Verschweigen der ausländischen Pensionsleistung der Landessozialversicherung Oberbayern eine Erschleichungshandlung im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG darstelle.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum allgemeinen Wiederaufnahmsgrund der "Erschleichung" eines Bescheides kann von einem Erschleichen nur dann gesprochen werden, wenn der Bescheid seitens der Partei durch eine verpönte Einflussnahme auf die Entscheidungsunterlagen veranlasst wird und die Behörde durch unrichtige Angaben oder durch Verschweigen wesentlicher Umstände mit Absicht irregeführt wurde.
Unter einem Erschleichen im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG ist daher nur ein vorsätzliches - nicht bloß kausales oder bloß fahrlässiges - Verhalten der Partei im Zuge des Verfahrens zu verstehen, das darauf abzielt, einen für sie günstigen Bescheid zu erlangen, wobei es sich um die Aufstellung unrichtiger Behauptungen oder um das Verschweigen relevanter Umstände handeln kann (zur diesbezüglichen Gleichartigkeit der Tathandlungen vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2 zu § 69 AVG, unter E Nr. 84, 86, 89, 91 und 93 wiedergegebene ständige verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung). Hierbei muss die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen sein und eine solche Situation bestehen, dass ihr nicht zugemutet werden kann, über die Richtigkeit der Angaben noch Erhebungen von Amts wegen zu pflegen. Wenn es die Behörde allerdings versäumt hat, von den ihr zur Ermittlung des Sachverhaltes ohne Schwierigkeiten offen stehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen, so schließt diese Mangelhaftigkeit des Verfahrens es aus, das Verhalten der Partei unter dem Gesichtspunkt des Erschleichens zu werten und objektiv unrichtige Parteiangaben als ein Erschleichen des Bescheides im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG zu werten (vgl. Walter/Thienel, aaO, E 101). Insoweit die Beschwerdeführerin dazu vorbringt, die Behörde hätte im Wege des internationalen Datenaustausches vom deutschen Rentenanspruch Kenntnis erlangen können, ist ihr im oben bereits dargestellten Sinne entgegenzuhalten, dass dies nur in dem Fall zugetroffen wäre, wenn sie über diesen Pensionsanspruch von der Beschwerdeführerin auch vorher informiert worden wäre, was aber nach ihrem eigenen Vorbringen nicht der Fall gewesen war. Sozusagen prophylaktische Anfragen an sämtliche Europäischen Versicherungsträger ohne konkrete Anhaltspunkte wären für die Sozialbehörden weder zielführend noch zumutbar.
Bei der Prüfung der Frage, ob der Tatbestand des Erschleichens, insbesondere die innere Tatseite (Vorsatz), gegeben ist, bildet das Gesamtverhalten jener Person, der die Erschleichung vorgehalten wird, die Beurteilungsgrundlage. Die Beschwerdeführerin bestreitet das Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens (einer Erschleichungsabsicht) unter anderem mit dem Hinweis auf ihre - wohl auch altersbedingte und für die Jahre ab 1993 objektivierte - verminderte Gedächtnisleistung.
Die Frage, ob die Beschwerdeführerin aber auch schon im Jahre 1991 die Tragweite ihrer Handlungen noch vollständig erkennen konnte oder ob zu diesem Zeitpunkt ihr für die Nachfolgezeit ärztlich bestätigter Gedächtnisschwund bereits Erinnerungslücken zumindest wahrscheinlich gemacht hat, hätte daher Gegenstand einer Sachverständigenbeurteilung sein müssen, weil es sich dabei um eine ausschließlich medizinisch zu beurteilende Frage handelt, zumal im Akt eine ärztliche Bestätigung vom 14. Juli 1997 einliegt, der zur Folge die Beschwerdeführerin an fortschreitender Cerebralsklerose leidet. Fortschreitende schwer wiegende geistige Einbußen werden in der Regel - Unfälle oder sonstige plötzlich auftretende Ereignisse ausgenommen - erst über einen längeren Zeitraum hin für die Umwelt deutlich. Es steht jedenfalls der Behörde nicht an, derartige Fachfragen selbst auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung zu entscheiden. Insbesondere reicht es zur Begründung einer zum Nachteil der Partei ausgehenden diesbezüglichen Einschätzung nicht aus, wenn in einem an einen maschingeschriebenen Aktenvermerk angefügten handschriftlichen Zusatz (aus dem die Urheberschaft im Übrigen nicht hervorgeht) festgehalten wird, "Frau M" (offenbar die Sachbearbeiterin der Behörde erster Instanz) habe mit der Beschwerdeführerin in der fraglichen Zeit Kontakt gehabt und feststellen können, dass diese damals "sehr wohl geistig voll orientiert" und sogar eine "eher resche Persönlichkeit" gewesen sei, abgesehen davon, dass Gedächtnisschwund nicht auch mit dem Schwinden der Persönlichkeitsmerkmale einherzugehen braucht. Insoweit sich daher die Behörde ohne Beiziehung eines Sachverständigen die Beurteilung angemaßt hat, den gesundheitlichen Geisteszustand der Beschwerdeführerin in jenen für die Beurteilung der ihr vorgeworfenen Verschweigungen relevanten Zeitpunkten zu beurteilen, belastete sie ihren Bescheid mit einer Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, bei dessen Vermeidung sie zu einem anderen, für die Beschwerdeführerin günstigeren Bescheid hätte gelangen können.
Der erstangefochtene Bescheid war aus diesem Grunde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Damit ist aber auch dem zweitangefochtenen Bescheid die rechtliche Grundlage entzogen, weshalb auch dieser Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 52 Abs. 1 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 28. September 2000
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