Normen
BauG Vlbg 1972 §25 Abs3 lita;
BauG Vlbg 1972 §25 Abs3 lita;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom 14. September 1995, Zl. 95/06/0013, zu entnehmen.
Daraus ist festzuhalten, dass der erstmitbeteiligten Partei (kurz: Bauwerberin) mit Bescheiden des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom 22. Dezember 1981 und vom 4. November 1983 die Baubewilligung für die Errichtung eines Neubaues (Wohn- und Geschäftshaus) auf einem Grundstück im Gemeindegebiet erteilt wurde.
Mit Vorvertrag vom 18. Juni 1984 und Kaufvertrag vom 23. Juli 1984 erwarb der Beschwerdeführer von der erstmitbeteiligten Partei eine Wohnungseigentumseinheit im gegenständlichen Objekt. Mit Beschluss des zuständigen Bezirksgerichtes vom 17. September 1984 wurde sein Eigentumsrecht grundbücherlich einverleibt.
Am 7. September 1984 hatte die Bauwerberin die Erteilung der Baubewilligung für verschiedene Planabweichungen beantragt. Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 3. Oktober 1984 wurde die Baubewilligung für diese Planabweichungen erteilt. Der Beschwerdeführer war diesem Verfahren nicht beigezogen worden. Über seine Aufforderung wurde ihm der Baubewilligungsbescheid vom 3. Oktober 1984 am 22. Oktober 1991 zugestellt. Dagegen erhob er mit Schriftsatz vom 2. November 1991 Berufung mit der Begründung, er habe die erforderliche Zustimmung nicht erteilt, weshalb das Gesuch abzuweisen gewesen wäre. Die Zustimmung des Grundeigentümers (Miteigentümers) müsse nämlich liquid nachgewiesen werden. Er beantrage den erstinstanzlichen Bescheid zwecks neuerlicher baubehördlicher Prüfung des gegenständlichen Antrages aufzuheben (Durchführung einer Bauverhandlung).
Aus dem weiteren Verfahrensgang ist festzuhalten, dass die Berufung mit Berufungsbescheid vom 8. März 1994 abgewiesen wurde; der dagegen erhobenen Vorstellung wurde mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 22. August 1994 keine Folge gegeben. Dieser Vorstellungsbescheid wurde mit dem eingangs genannten Vorerkenntnis vom 14. September 1995, Zl. 95/06/0013, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil die belangte Behörde verkannt habe, dass es nicht Sache der Baubehörde sei, selbstständig zu beurteilen, ob der Miteigentümer - soweit ihm zivilrechtlich ein Zustimmungsrecht zukomme - durch die Bauführung tatsächlich beeinträchtigt werde, demnach, ob er nach den Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes oder gemäß einem Vertrag bauliche Maßnahmen zu dulden verpflichtet sei oder nicht. Das Gesetz sehe vielmehr als Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung der Baubewilligung nur das tatsächliche Vorliegen der Zustimmung vor, welche - jedenfalls soweit ein Zustimmungserfordernis zu bejahen sei - nur durch eine rechtskräftige Entscheidung des Zivilgerichtes ersetzt werden könne.
Der Vorvertrag vom 18. Juni 1984 habe liquid die erforderliche Zustimmung des Beschwerdeführers als Miteigentümer im konkreten Bauverfahren schon deshalb nicht zu ersetzen vermocht, weil sich diese (vertragliche) Zustimmung auf kein konkretes, durch Pläne belegtes Vorhaben bezogen habe. Selbst die fehlende Zustimmung eines Miteigentümers, die durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werde, könne nur für ein konkretes, durch Baupläne erfasstes Projekt gelten.
Aus der weiteren Entwicklung ist festzuhalten, dass mit Bescheid der Berufungsbehörde vom 22. Mai 1997 das Berufungsverfahren gemäß § 38 AVG über Antrag der Bauwerberin vom 3. Juni 1996 bis zum Vorliegen "eines gerichtlichen Urteiles über den Feststellungsantrag" (gemeint: hinsichtlich der Klagsführung der Bauwerberin gegen den Beschwerdeführer auf Zustimmung zum Vorhaben) ausgesetzt werde.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung.
Mit dem (erstinstanzlichen) Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 18. Februar 1998 wurde der Beschwerdeführer gegenüber der Bauwerberin als Klägerin schuldig erkannt, "dem" das gegenständliche Objekt "betreffenden Plan binnen vierzehn Tagen zuzustimmen, welcher zur Erteilung der Baubewilligung von Planabweichungen am 7.9.1984 eingereicht wurde, am 14.9.1984 bei der Gemeinde Lochau als Baubehörde eingegangen ist und den Bescheidvermerk vom 3.10.1984 zur Zl. 030/0-83-84-4 PE 2 trägt, und diese Zustimmung auch gegenüber der Baubehörde zu erklären".
Der Berufung des Beschwerdeführers gegen dieses Urteiles wurde mit Berufungsurteil vom 4. Juni 1998 nicht Folge gegeben, seine außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 9. Februar 1999 gemäß § 508a Abs. 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. März 1999 wurde der Vorstellung gegen den Bescheid betreffend die Aussetzung des Verfahrens vom 22. Mai 1997 Folge gegeben, dieser Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung (über die Berufung) an die Gemeinde zurückverwiesen.
Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Vorliegen der Zustimmung eines Grundeigentümers zu einem Vorhaben nach § 25 Abs. 3 lit. a des Vorarlberger Baugesetzes (keine Vorfrage, sondern vielmehr) eine Tatbestandsvoraussetzung zur Erteilung einer Baubewilligung sei.
Nach Hinweis auf die zuvor genannten gerichtlichen Entscheidungen heißt es in der Begründung dieser Vorstellungsentscheidung, gemäß § 367 Abs. 1 EO gelte die im Urteil vom 18. Februar 1998 rechtskräftig verfügte Zustimmung des Beschwerdeführers als gegeben.
Die vom Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 3. Oktober 1984 eingebrachte Berufung werde daher abzuweisen sein, weil der Beschwerdeführer durch den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid auf Grund des zwischenzeitig ergangenen Urteiles als nicht in seinen Rechten verletzt anzusehen sei. Andere Berufungsgründe als jene der fehlenden Zustimmung zur Baueingabe seien vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht worden.
Hierauf hat die Berufungsbehörde mit Bescheid vom 21. Mai 1999 die Berufung (abermals) abgewiesen und den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid (vom 3. Oktober 1984) bestätigt. Dies wurde damit begründet, dass die Zustimmung des Beschwerdeführers zum Vorhaben auf Grund der zuvor genannten rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidungen als gegeben anzunehmen sei. Andere Gründe als die fehlende Zustimmung habe er in seiner Berufung nicht vorgebracht.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, in welcher er vorbrachte, die Zustimmung habe nur ihre Gültigkeit "auf Planänderungen die gesetzlich gedeckt" seien, aber nicht für Planänderungen, die gegen das Vorarlberger Baugesetz verstießen. Kein Gericht könne ihn zu ungesetzlichen Handlungen zwingen. Er brachte unter anderem vor, es habe zahlreiche bauliche Änderungen gegeben, viele tragende Wände seien wesentlich verändert worden, Deckenöffnungen im Stiegenhaus seien verändert worden, die Statik sei nicht neu berechnet worden, das Haus sei um 70 cm höher gebaut worden (uam.).
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Vorstellung keine Folge gegeben. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die mangelnde Zustimmung des Beschwerdeführers hinsichtlich der zugrundeliegenden Baueingabe rechtskräftig gerichtlich ersetzt worden sei. Hinsichtlich weiterer Einwendungen des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 3. Oktober 1984, die nun in der Vorstellung enthalten seien, sei der Beschwerdeführer präkludiert.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt vor, gemäß dem Vorerkenntnis vom 14. September 1995 könne seine fehlende Zustimmung, die durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werde, nur für ein konkretes durch Baupläne erfasstes Projekt gelten. Die vorliegendenfalls durch gerichtliche Entscheidung ersetzte Zustimmung des Beschwerdeführers beziehe sich jedoch nicht auf ein konkretes durch Baupläne erfasstes Projekt. Die dem gegenständlichen Vorhaben zugrundeliegenden Pläne entsprächen nämlich nicht der Vorarlberger Baueingabeverordnung, LGBl. Nr. 32/1983. In den vorliegenden Plänen, die nicht einmal maßstabgerecht seien, seien nämlich lediglich die Wände und Ausnehmungen des Bauprojektes dargestellt. Gemäß § 4 der Vorarlberger Baueingabeverordnung habe eine Baubeschreibung alle zur Beurteilung des Vorhabens erforderlichen Angaben zu enthalten, die aus den Plänen nicht ersichtlich seien. Diese Angaben seien in der genannten Bestimmung demonstrativ aufgezählt. Der zugrundeliegende Bauantrag habe keine Baubeschreibung enthalten, obwohl offensichtlich erhebliche, auch statische, Veränderungen vorgenommen worden seien, deren "Neuberechnung" nicht vorliege. Das zugrundeliegende Baugesuch erfülle daher "nicht im Entferntesten" die Bestimmtheitserfordernisse der Vorarlberger Baueingabeverordnung, sodass es an einem konkreten, durch Baupläne erfassten Projekt, mangle. Eine gültige Zustimmung des Beschwerdeführers gemäß § 25 Abs. 3 lit. a des Vorarlberger Baugesetzes liege daher ungeachtet der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidungen nicht vor.
Überdies gehe die belangte Behörde auf Grund ihres Hinweises, der Beschwerdeführer sei mit bestimmten Einwendungen präkludiert, offensichtlich rechtsirrig von einem Neuerungsverbot im Rechtsmittelverfahren aus. Dies treffe aber nicht zu.
Die Beschwerde ist berechtigt.
Dem Baugesuch vom 7. September 1984 liegt nicht nur ein Plan, sondern vielmehr ein Plansatz zugrunde, der aus mehreren Plänen besteht. Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass ungeachtet der Diktion "Plan" (Einzahl) im Spruch des erstinstanzlichen Urteiles vom 18. Februar 1998 dieses Urteil dahin zu verstehen ist, dass es sich nicht nur auf einen der Pläne, sondern vielmehr auf den (gesamten) Plansatz, also auf alle vorgelegten Pläne, bezieht, die mangelnde Zustimmung des Beschwerdeführers daher hinsichtlich aller dieser Pläne durch Richterspruch ersetzt wurde (zumal in der Begründung dieses Urteiles - auf S 23 der vorliegenden Ausfertigung - von "Plänen" (Mehrzahl) die Rede ist).
Vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles (und bei der nun gegebenen Verfahrenslage) ist entscheidend, ob das nun verfahrensgegenständliche Bauvorhaben auf Erwirkung einer Änderungsbewilligung durch die vorgelegten Pläne (hinsichtlich derer der Beschwerdeführer auf Grund der zuvor genannten gerichtlichen Entscheidungen als zustimmend zu gelten hat) gehörig determiniert ist, mit anderen Worten, ob diesen Plänen Art und Umfang aller verfahrensgegenständlichen Änderungen zweifelsfrei entnommen werden können oder ob darüberhinaus eine Ergänzung der Pläne (die Vorlage weiterer Pläne, etwa von Schnitten) und/oder ergänzende Angaben (Baubeschreibung) erforderlich sind. Insoweit solche Ergänzungen erforderlich sind, die ja begrifflich von den gerichtlichen Entscheidungen nicht erfasst sein können (weil sie nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens waren), liegt eine entsprechende Zustimmung des Beschwerdeführers zum Vorhaben nicht vor. Beim gegebenen Verfahrensstand hingegen kommt es auf das Fehlen der vom Beklagten vermissten Berechnungen, die zur Beurteilung des Bauvorhabens erforderlich sind (siehe § 1 Abs. 3 lit. c der Baueingabeverordnung, LGBl. Nr. 32/1983), aus dem Blickwinkel des Beschwerdefalles nicht an, weil solche Berechnungen nicht zur Konkretisierung bzw. Determinierung des Projektes, sondern zur Beurteilung seiner baurechtlichen Zulässigkeit erforderlich sind.
Die in der Vorstellungsentscheidung vom 12. März 1999 zum Ausdruck gebrachte Auffassung der belangten Behörde, die Berufung des Beschwerdeführers sei im Hinblick auf die zwischenzeitig ergangenen gerichtlichen Entscheidungen ohne eine solche Prüfung, wie zuvor umschrieben, abzuweisen, ist daher in dieser Form unzutreffend und vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles rechtswidrig. Diesen unzutreffenden Ausführungen kam jedoch keine Bindungswirkung zu, weil es sich nicht um tragende Gründe der Aufhebung, sondern um Schlußfolgerungen der belangten Behörde aus der Aufhebung für das weitere Verfahren auf Grund der Rechtsansicht der belangten Behörde, insofern daher um obiter dicta, handelte. Der Beschwerdeführer war daher keinesfalls gehindert, geltend zu machen, dass die mit den gerichtlichen Entscheidungen ersetzte Zustimmung noch nicht ausreichend sei, und dies näher zu begründen (diesbezüglich besteht daher weder eine Präklusion noch ein Neuerungsverbot).
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 5. Dezember 2000
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