VwGH 99/03/0085

VwGH99/03/008523.2.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerden des S S in Wien, vertreten durch Dr. Hubert Hasenauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Doblhoffgasse 7, gegen die beiden auf Grund von Beschlüssen des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 19. Oktober 1998, Zl. LGS-W Abt. 12/1218/56/1998, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §24;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §37 idF 1998/I/148;
AlVG 1977 §24;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §37 idF 1998/I/148;

 

Spruch:

I. Der (zu hg. Zl. 99/03/0087) angefochtene Bescheid, mit dem über den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung der Notstandshilfe vom 2. Jänner 1998 abgesprochen wurde, wird hinsichtlich des für den Zeitraum ab dem 1. Oktober 1998 getroffenen Abspruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im Übrigen wird die Beschwerde gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. II. Der (zu hg. Zl. 99/03/0085) angefochtene Bescheid, mit dem über den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung der Notstandshilfe vom 7. August 1998 abgesprochen wurde, wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge des Beschwerdeführers vom 2. Jänner 1998 und 7. August 1998 auf Gewährung der Notstandshilfe abgewiesen. In den Begründungen dieser Bescheide stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer letztmalig vom 27. Februar 1989 bis 21. Mai 1989 Arbeitslosengeld in der ihm gebührenden Bezugsdauer bezogen habe. Nach Erschöpfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld habe er vom 22. Mai 1989 bis 14. Mai 1990, vom 15. Juni 1990 bis 5. August 1990, vom 2. September 1990 bis 17. Juli 1991, vom 10. August 1991 bis 23. August 1991, vom 2. September 1991 bis 29. September 1991, vom 7. September 1992 bis 30. September 1992 und vom 30. Juli 1993 bis 30. September 1993 Notstandshilfe bezogen. Die von ihm vom 27. Juni 1994 bis 31. Juli 1997 - mit Unterbrechungen - bezogene Notstandshilfe habe widerrufen werden müssen, da er in seinen Anträgen auf Notstandshilfe vom 27. Juni 1994 und vom 7. Juli 1995 nicht die Tatsache seines Studiums angegeben habe. Einen Anspruch auf Fortbezug der Notstandshilfe habe er mit den Anträgen vom 2. Jänner 1998 bzw. 7. August 1998 erst nach Ablauf der im § 37 AlVG angeführten Dreijahresfrist geltend gemacht. Ferner heißt es in den Begründungen der angefochtenen Bescheide:

"An den taxativ aufgezählten Tatbeständen des § 15 Abs. 2 AlVG - welche ausschließlich geeignet wären, die Dreijahresfrist gemäß § 37 AlVG im Ablauf zu hemmen - konnte die Berufungsbehörde in Ihrem Fall lediglich Zeiten des Bezuges von Krankengeld vom 16.09.94 bis 18.09.94 und vom 14.07.96 bis 28.07.96 (das sind insgesamt 22 Tage) erblicken. Da Sie seit 1990 insgesamt nur 150 Tage in arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung standen, haben Sie auch keine neue Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erworben.

Da auf Grund der unter die Tatbestände des § 15 Abs. 2 AlVG zu subsumierenden Zeiten des Krankengeldbezuges eine Verlängerung (Hemmung) der Fortbezugsfrist von drei Jahren gemäß § 37 AlVG lediglich um 22 Tage möglich ist, konnte auch die Berufungsbehörde nur feststellen, dass die Fortbezugsfrist auf Notstandshilfe (wäre unter Berücksichtigung der 22 Tage des Bezuges von Krankengeld der 22.10.96) gemäß § 37 AlVG versäumt wurde".

Gegen diese Bescheide richteten sich die vorliegenden Beschwerden. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde erwogen:

Vorweg ist zu bemerken, dass es sich bei der Zuerkennung von Notstandshilfe um einen zeitraumbezogenen Abspruch handelt. Legt die Behörde in solchen Fällen den Endpunkt des Zeitraumes, über welchen sie abspricht, in ihrem Bescheid nicht fest, so ist von dem jeweiligen Bescheid im Allgemeinen der gesamte Zeitraum bis zur Erlassung des Bescheides - somit gemäß § 66 Abs. 4 AVG bis zur Erlassung des Berufungsbescheides - umfasst. Dies trifft für die beiden hier angefochtenen (Berufungs-)Bescheide zu und bedeutet, dass mit diesen Bescheiden über die Anträge des Beschwerdeführers vom 2. Jänner 1998 bzw. 7. August 1998 jeweils für den Zeitraum bis zur Erlassung der angefochtenen Bescheide negativ abgesprochen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1991, Zl. 91/08/0036).

Da der über den Antrag des Beschwerdeführers vom 2. Jänner 1998 ergangene Abspruch somit auch den Zeitraum miteinschließt, auf den sich der Antrag des Beschwerdeführers vom 7. August 1998 bezieht, hätte sich die belangte Behörde zufolge des Grundsatzes "ne bis in idem" einer Sachentscheidung über letzteren Antrag enthalten müssen. Mit der dennoch getroffenen Sachentscheidung über diesen Antrag hat sie eine ihr nach dem Gesetz nicht zustehende Kompetenz in Anspruch genommen, sodass diese Entscheidung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit behaftet ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1999, Zl. 98/03/0243).

Der (zur hg. Zl. 99/03/0085) angefochtene Bescheid, mit dem über den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung der Notstandshilfe vom 7. August 1998 meritorisch abgesprochen wurde, war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Was die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers vom 2. Jänner 1998 anlangt, so ist davon auszugehen, dass hiefür, weil es sich beim geltend gemachten Anspruch auf Notstandshilfe um einen zeitraumbezogenen Anspruch im Sinne des Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. Nr. 9315/A, handelt und Sonderbestimmungen über die maßgebende Rechtslage fehlen, die in dem betreffenden Zeitraum (also von der Antragstellung bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) geltenden Bestimmungen des AlVG anzuwenden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1992, Zl. 92/08/0097).

Hiebei handelt es sich um folgende Bestimmungen:

a) für die Zeit bis 30.9.1998:

§ 37 AlVG in der Fassung BGBl. Nr. 206/1996:

"Wenn der Arbeitslose den Bezug der Notstandshilfe unterbricht, kann ihm innerhalb von drei Jahren, gerechnet vom Tag des letzten Bezuges der Notstandshilfe, der Fortbezug der Notstandshilfe gewährt werden, sofern er die sonstigen Bedingungen für die Gewährung der Notstandshilfe erfüllt. Die vorstehende Frist verlängert sich darüber hinaus um Zeiträume gemäß § 15 Abs. 2."

§ 15 Abs. 2 AlVG in der Fassung BGBl. Nr. 206/1996:

"Die Rahmenfristen nach § 14 Abs. 1 bis 3 verlängern sich weiters

1. um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland

a) Krankengeld bzw. Wochengeld bezogen hat oder in einer Heil- oder Pflegeanstalt untergebracht gewesen ist;

b) wegen Invalidität, Berufungsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, die nach ihrem Ausmaß der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 8 dieses Bundesgesetzes gleichkommt, eine Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung bezogen hat, und

2. um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Ausland eine der im Z 1 angeführten vergleichbaren Leistungen wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit oder Krankheit bezogen hat, soweit mit dem betreffenden Staat zwischenstaatliche Regelungen über Arbeitslosenversicherung getroffen wurden oder dies in internationalen Verträgen festgelegt ist."

b) für die Zeit ab 1. Oktober 1998:

§ 37 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 148/1998:

"Wenn der Arbeitslose den Bezug der Notstandshilfe unterbricht, kann ihm innerhalb von drei Jahren, gerechnet vom Tag des letzten Bezuges der Notstandshilfe, der Fortbezug der Notstandshilfe gewährt werden, sofern er die sonstigen Bedingungen für die Gewährung der Notstandshilfe erfüllt. Die vorstehende Frist verlängert sich darüber hinaus um Zeiträume gemäß § 15 Abs. 3 bis 5."

§ 15 Abs. 3 bis 5 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 148/1998:

"(3) Die Rahmenfrist verlängert sich weiters um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland

1. Krankengeld bzw. Wochengeld bezogen hat oder in einer Heil- oder Pflegeanstalt untergebracht gewesen ist;

2. nach Erschöpfung des Anspruches auf Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung nachweislich arbeitsunfähig gewesen ist;

3. wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, die nach ihrem Ausmaß der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 8 gleichkommt, eine Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung bezogen hat;

4. einen nahen Angehörigen (eine nahe Angehörige) mit Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 5, 6 oder 7 gemäß § 5 des Bundespflegegeldgesetzes (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze in häuslicher Umgebung gepflegt hat und gemäß § 77 Abs. 6 ASVG oder § 28 Abs. 6 BSVG oder § 33 Abs. 9 GSVG in der Pensionsversicherung weiterversichert war.

(4) Die Rahmenfrist verlängert sich weiters um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Ausland eine der in Abs. 3 angeführten vergleichbaren Leistungen wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit oder Krankheit bezogen hat, soweit mit dem betreffenden Staat zwischenstaatliche Regelungen über Arbeitslosenversicherung getroffen wurden oder dies in internationalen Verträgen festgelegt ist.

(5) Die Rahmenfrist verlängert sich weiters um Zeiträume für die der Arbeitslose einen Sicherungsbeitrag gemäß § 5 d AMPFG entrichtet hat."

Die Bestimmungen der §§ 15 und 37 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 148/1998 sind gemäß Art. 1 Abs. 46 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 148/1998 mit 1. Oktober 1998 in Kraft getreten.

Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht klar hervor, dass die belangte Behörde ihrer Beurteilung nur die Bestimmungen der §§ 37 und 15 Abs. 2 AlVG in der Fassung BGBl. Nr. 206/1996 zugrundegelegt hat. Dies war für den Zeitraum bis 30. September 1998 auch rechtens. Für den Zeitraum ab 1. Oktober 1998 wären jedoch die Bestimmungen der §§ 37 und 15 Abs. 3 bis 5 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 148/1998 heranzuziehen gewesen, was die belangte Behörde aber unterlassen hat. Sie hat insbesondere keine Prüfung in Bezug auf die durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 148/1998 neu geschaffenen Rahmenfristverlängerungstatbestände vorgenommen.

Aus diesem Grund war der (zur hg. Zl. 99/03/0087) angefochtene Bescheid, mit dem über den Antrag des Beschwerdeführers vom 2. Jänner 1998 abgesprochen wurde, hinsichtlich des für den Zeitraum ab dem 1. Oktober 1998 getroffenen Abspruches gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Im Übrigen, also für den den Zeitraum vom 2. Jänner 1998 bis zum 30. September 1998 betreffenden Abspruch, erweist sich die Beschwerde hingegen als unbegründet. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er tatsächlich bis zum 31. Juli 1997 Notstandshilfe "bezogen" habe, weil für den Zeitraum vom 8. August 1996 bis zum 31. Juli 1997 keine Rückforderung der - für die Zeit vom 27. Juni 1994 bis 31. Juli 1997 widerrufenen - Notstandshilfe erfolgt sei.

Damit ist er nicht im Recht:

Schon aus dem im § 37 AlVG verwendeten Begriff "Fortbezug" der Notstandshilfe ergibt sich klar, dass mit dem "Tag des letzten Bezuges" nicht auf den tatsächlichen Bezug, sondern auf den auf einer rechtmäßigen, nicht widerrufenen Zuerkennung beruhenden Bezug der Notstandshilfe abgestellt wird, müssen doch auch für den "Fortbezug" die sonstigen Bedingungen für die Gewährung der Notstandshilfe erfüllt sein. Wurde die Zuerkennung der Notstandshilfe für einen bestimmten Zeitraum widerrufen, dann ist die Tatsache des Bezuges der Notstandshilfe in diesem Zeitraum für die Anwendung des § 37 AlVG auch dann unbeachtlich, wenn der Empfänger nicht zum Rückersatz des unberechtigt Empfangenen verpflichtet wurde.

Mit dem weiteren Vorbringen, es liege noch keine rechtskräftige Entscheidung über den Widerruf der Notstandshilfe wegen unrichtiger Angaben über die Voraussetzungen zur Gewährung der Notstandshilfe vor, ist der Beschwerdeführer auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 99/03/0086, zu verweisen.

Dass der Beschwerdeführer "an einer rechtzeitigen Antragstellung insofern gehindert war, als er ja ohnehin Notstandshilfe bezogen hat", ist im Anwendungsbereich des § 37 AlVG nicht rechtserheblich. Im Übrigen wäre eine Antragstellung in dem vom Widerruf betroffenen Zeitraum ohnedies - zufolge des Bestehens des Widerrufstatbestandes - erfolglos geblieben.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers begründet es auch keine Rechtswidrigkeit, wenn die Bescheide der belangten Behörde, mit denen über die Anträge vom 2. Jänner 1998 und vom 7. August 1998 abgesprochen wurde, dasselbe Datum und dieselbe Geschäftszahl tragen. Dies mag für die leichte Handhabbarkeit (Zitierbarkeit) im Behördenverkehr unzweckmäßig sein, von einem Mangel einer "ausreichenden Differenzierbarkeit" kann jedoch keine Rede sein.

Dass der belangten Behörde bei der Berechnung der Frist nach § 37 in Verbindung mit § 15 AlVG in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996 eine - sonstige - Rechtswidrigkeit unterlaufen wäre, wurde vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht; auch der Verwaltungsgerichtshof vermag solches nicht zuerkennen.

Die (zur hg. Zl. 99/03/0087 protokollierte) Beschwerde gegen den Bescheid, mit dem über den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung der Notstandshilfe vom 2. Jänner 1998 abgesprochen wurde, war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, soweit sie den Zeitraum vom 2. Jänner 1998 bis 30. September 1998 betrifft.

Die Kostenentscheidungen beruhen auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. Februar 2000

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