VwGH 99/02/0112

VwGH99/02/011226.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des J in H, vertreten durch Dr. Josef Deitzer, Rechtsanwalt in Schwechat, Wiener Straße 36-38, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 23. Februar 1999, Zl. Senat-WU-99-034, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
KFG 1967 §103 Abs2;
ZPO §292 Abs2;
ZustG §16 Abs2;
ZustG §16;
ZustG §22 Abs1;
ZustG §7;
AVG §37;
KFG 1967 §103 Abs2;
ZPO §292 Abs2;
ZustG §16 Abs2;
ZustG §16;
ZustG §22 Abs1;
ZustG §7;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. Februar 1999 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Kraftfahrzeuges trotz nachweislicher schriftlicher Aufforderung unterlassen, der Bezirkshauptmannschaft W.-U. binnen zwei Wochen nach der am 3. Februar 1998 erfolgten Zustellung dieser Aufforderung Auskunft darüber zu erteilen, wer dieses Fahrzeug am 16. Dezember 1997 um 11.01 Uhr im Ortsgebiet von Z auf der H-straße nächst der ONr. 37 in Fahrtrichtung S gelenkt habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 Kraftfahrgesetz 1967 begangen. Es sei daher gemäß § 134 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 120 Stunden) zu verhängen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, dass entgegen den Berufungsausführungen des Beschwerdeführers die Aufforderung zur Erteilung der Lenkerauskunft im Wege der Ersatzzustellung ordnungsgemäß zugestellt worden sei.

Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, die Aufforderung zur Erteilung der Lenkerauskunft sei wohl an ihn unter seiner Anschrift M-straße 10 in H adressiert gewesen, jedoch tatsächlich von Frau D. H., Angestellte der Firma Christian F. KEG an der Adresse M-straße 4 in H übernommen worden. Er sei weder Gesellschafter noch Geschäftsführer oder Angestellter der Christian F. KEG, sodass eine Zustellung rechtswirksam nicht erfolgt sei und er mangels Kenntnis von der Aufforderung zur Erteilung der Lenkerauskunft das Tatbild des § 103 Abs. 2 Kraftfahrgesetz 1967 nicht erfüllt habe.

§ 16 Zustellgesetz (ZustG) lautet (auszugsweise):

"§ 16 (1) Kann die Sendung nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

(2) Ersatzempfänger kann jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die - außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt - zur Annahme bereit ist."

Gemäß § 22 Abs. 1 des ZustG ist die Zustellung vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden.

Die vom Zusteller erstellten Zustellnachweise sind öffentliche Urkunden, die den Beweis dafür erbringen, daß die Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist. Der Gegenbeweis ist jedoch gemäß § 292 Abs. 2 ZPO offen. Behauptet jemand, es lägen Zustellmängel vor, so hat er diese Behauptung auch entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzubieten, die die vom Gesetz im Zusammenhang mit einem vorhandenen Rückschein aufgestellte Vermutung der vorschriftsmäßigen Zustellung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. August 1996, Zl. 96/05/0054, mit weiteren Verweisen).

Im Beschwerdefall wurde von der Ersatzempfängerin auf dem Rückschein über die Zustellung der Aufforderung zur Erteilung der Lenkerauskunft nicht etwa das dort vorgesehene Kästchen "Arbeitnehmer des Empfängers" angekreuzt, sondern - an anderer Stelle - lediglich der Vermerk "Ang." angebracht. Der Rückschein kann daher nicht als ordnungsgemäß ausgefüllt angesehen werden und hat daher auch nicht die obzitierte Vermutung der vorschriftsmäßigen Zustellung für sich (vlg. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0109).

In seiner Berufung hat der Beschwerdeführer diesbezüglich nicht bloß auf Vermutungen gegründete Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit des Zustellscheines vorgebracht, sondern konkret behauptet, dass er weder mit der die Sendung als Ersatzempfänger übernehmenden Frau H. noch mit dem Unternehmen, bei welchem diese angestellt war, "etwas zu tun" gehabt habe. Da eine Ersatzzustellung nur unter den im § 16 Abs. 2 ZustG normierten Voraussetzungen zulässig ist und der Beschwerdeführer diese Voraussetzungen hinsichtlich der auf dem Rückschein aufscheinenden Ersatzempfängerin ausdrücklich bestritten hat, bedarf es zur Klärung der Frage der rechtswirksamen Zustellung der Aufforderung zur Erteilung der Lenkerauskunft noch entsprechender Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens und konkreter Feststellungen darüber, an welcher Adresse tatsächlich die Sendung übernommen wurde, und ob die Ersatzempfängerin in Bezug auf den Beschwerdeführer überhaupt als Ersatzempfängerin im Sinne des § 16 Abs. 2 ZustG in Frage kam.

Sollte - wie vom Beschwerdeführer behauptet - eine Ersatzzustellung unzulässigerweise erfolgt sein, bedarf es auch ergänzender Erhebungen darüber, ob und bejahendenfalls wann und in welcher Form dem Beschwerdeführer dieser Bescheid tatsächlich zugekommen ist, um beurteilen zu können, ob allenfalls eine Heilung von Zustellmängeln gemäß § 7 ZustG eingetreten ist (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 27. August 1996, Zl. 96/05/0055, mit weiteren Nachweisen).

Daraus folgt, dass der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Der angefochtene Bescheid musste daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. Mai 2000

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