VwGH 98/21/0400

VwGH98/21/04005.10.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des I in Straß, geboren am 29. August 1952, vertreten durch Dr. Wilfrid Stenitzer, Rechtsanwalt in 8430 Leibnitz, Hauptplatz 34/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 25. August 1998, Zl. Fr 1159/1997, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
StGB §83 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
AufG 1992;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
StGB §83 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtenen Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen rumänischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 und 2 und Abs. 2 Z. 2 iVm den §§ 37 Abs. 1 und Abs. 2, 38 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf drei Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde auf den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 12. August 1997. (In diesem hatte die erste Instanz die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auf zwei rechtskräftige Bestrafungen nach § 5 Abs. 1 StVO, eine rechtskräftige Bestrafung nach § 5 Abs. 2 StVO sowie eine rechtskräftige Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB gestützt.)

Ergänzend zeigte die belangte Behörde die besonderen, von alkoholisierten Kfz-Lenkern ausgehenden Gefahren für die Allgemeinheit auf und zog daraus sowie aus der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Vergehens der Körperverletzung, die bei der im Grund des § 36 Abs. 1 FrG gebotenen Beurteilung des Gesamtfehlverhaltens mitberücksichtigt werden könne, den Schluss, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Sicherheit gefährde.

Es sei allerdings - so die belangte Behörde weiter - davon auszugehen, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes einen massiven Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers darstelle, zumal dieser seit vier Jahren in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehe, in aufrechter Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin lebe und zu weiteren, in Österreich aufhältigen Personen eine enge Beziehung aufgebaut habe. Auch der Bruder des Beschwerdeführers sowie dessen Gattin lebten in Österreich. Trotz des Bestehens privater und familiärer Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich begegne es im Hinblick auf die sich im Verhalten des Beschwerdeführers manifestierende Gefahr für die öffentliche Sicherheit keinen Bedenken, wenn die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz die Verhängung des Aufenthaltsverbotes trotz des damit verbundenen Eingriffs in sein Privat- und Familienleben zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele für dringend geboten erachtet habe.

An dieser Beurteilung vermöge auch der Hinweis des Beschwerdeführers nichts zu ändern, wonach die Übertretungen der StVO bereits mehr als vier Jahre zurücklägen, sei doch seither keineswegs ein so langer Zeitraum verstrichen, dass eine vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung öffentlicher Interessen ausgeschlossen werden könnte. Überdies habe sich der Beschwerdeführer in dieser Zeit sogar eines gerichtlich strafbaren Deliktes schuldig gemacht.

Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei demnach im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten. Da die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, sei das Aufenthaltsverbot auch iSd § 37 Abs. 2 FrG zulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die belangte Behörde legte unter Verzicht auf die Erstattung einer Gegenschrift die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2).

Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder u. a. mehr als einmal wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 2 StVO 1960 rechtskräftig bestraft worden ist.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, ist zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet. Dabei ist - anders als bei der Frage, ob der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 oder jener der Z. 2 FrG erfüllt ist - nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. August 2000, Zl. 99/18/0446).

Der Beschwerdeführer bestreitet in seiner Beschwerde nicht, wegen der im erstinstanzlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz angeführten Straftaten rechtskräftig bestraft bzw. verurteilt worden zu sein. Er meint zwar, dass die drei Bestrafungen nach § 5 StVO nicht "die Voraussetzung des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG" erfüllten, bezieht sich aber in der Folge auf § 18 (richtig: § 36) Abs. 1 FrG, wenn er ausführt, dass von ihm weder eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit noch anderer im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter öffentlicher Interessen ausgehe.

Der belangten Behörde ist zwar zuzustimmen, dass die drei rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers nach § 5 (zweimal Abs. 1, einmal Abs. 2) StVO den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllen und es sich bei diesen Übertretungen im Blick auf die von alkoholisierten Kfz-Lenkern ausgehende große Gefahr für die Allgemeinheit um Gefährdungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit von großem Gewicht handelt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 99/18/0258). Dennoch vermag der Gerichtshof ihre Auffassung, im konkreten Fall sei gegen den Beschwerdeführer eine Gefährlichkeitsprognose iSd § 36 Abs. 1 FrG zu treffen, nicht zu teilen.

Wie aus dem erstinstanzlichen Bescheid ersichtlich ist, liegen den besagten Übertretungen Tatbegehungen vom 19. Juli 1993, 10. September 1994 und 18. November 1994 zu Grunde. Wegen des seither verstrichenen Zeitraumes können die drei Alkoholdelikte und auch das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Urteil vom 21. Mai 1997; Tathandlung vom 28. Februar 1997) nicht mehr als taugliche Grundlage der auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im August 1998 bezogenen Gefährdungsprognose herangezogen werden. Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Aufenthaltsbehörde - nach Ausweis der Verwaltungsakten am 30. Jänner 1997 - die Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers verlängerte.

Indem die belangte Behörde dies verkannte, unterlag sie einem Rechtsirrtum. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 5. Oktober 2000

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