Normen
61995CJ0351 Kadiman VORAB;
ARB1/80 Art14 Abs1;
ARB1/80 Art7;
AuslBG §4c idF 1997/I/078;
61995CJ0351 Kadiman VORAB;
ARB1/80 Art14 Abs1;
ARB1/80 Art7;
AuslBG §4c idF 1997/I/078;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Arbeitsmarktservice hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice vom 1. Oktober 1998 gerichtet, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsbürgers, auf Ausstellung eines Befreiungsscheines gemäß § 4c Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) abgewiesen wurde. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer ab dem 4. März 1992 bis zum 9. Oktober 1994, an welchem Tag der ihm erteilte Sichtvermerk seine Gültigkeit verloren habe, somit zunächst zwei Jahre, sieben Monate und sechs Tage rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei und somit seinen ordnungsgemäßen Wohnsitz gehabt habe. Erst seit dem 1. August 1996 könne der Beschwerdeführer wieder eine reguläre Anwesenheit in Österreich aufweisen, was zum Entscheidungszeitpunkt, dem 1. Oktober 1998, einem neuerlichen Zeitraum eines ordnungsgemäßen Wohnsitzes von zwei Jahren und zwei Monaten entspreche. Der Beschwerdeführer weise somit keinen mindestens fünfjährigen ordnungsgemäßen Aufenthalt im Bundesgebiet auf; daher könne ihm ein Befreiungsschein gemäß § 4c Abs. 2 AuslBG im Hinblick auf das Nichtvorliegen eines Aufenthaltsrechtes vom 10. Oktober 1994 bis zum 31. Juli 1996 nicht erteilt werden.
In der Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit beantragt. Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für rechtswidrig und meint, dass die Unterbrechung seines Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet nicht zu seinen Lasten herangezogen werden dürfe. Im Hinblick auf das Urteil des EuGH im Fall Kadiman seien für die Berechnung des Zeitraumes gemäß Art. 7, erster Satz, erster Gedankenstrich des Beschlusses des nach dem Abkommen zwischen der EWG und der Türkei aus 1963 eingerichteten Assoziationsrates, Nr. 1/80 auch jene Zeiten zu berücksichtigen, in denen der Betroffene nicht im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels gewesen sei, wenn die zuständige Behörde im Aufnahmemitgliedstaat die Ordnungsgemäßheit seines Wohnsitzes im nationalen Hoheitsgebiet nicht aus diesem Grund in Frage gestellt hat, sondern ihm vielmehr eine neue Aufenthaltserlaubnis erteilt hat. Der Beschwerdeführer habe nämlich (nach einem erfolglosen Verlängerungsantrag) einen neuerlichen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz bereits am 31. Juli 1995 gestellt, dem erst im Hinblick auf den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. August 1996 mit Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit Gültigkeitsbeginn vom 1. August 1996 im zweiten Rechtsgang durch den Magistrat der Stadt Wien stattgegeben worden sei. Auch treffe die im angefochtenen Bescheid enthaltene Begründung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer ein aus Art. 7 ARB 1/80 abgeleitetes Recht vor Inkrafttreten des Assoziationsabkommens in Österreich nicht habe geltend machen können, im Hinblick auf die entgegenstehende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz sei auf § 2 Abs. 3 Z. 4 Aufenthaltsgesetz-AufG gegründet und daher nicht als ein Erstantrag zu qualifizieren, sondern als ein Antrag auf Erteilung einer weiteren Bewilligung, dies ergebe sich aus der Intention des Gesetzgebers. Daher sei der Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Zeit zwischen seiner Antragstellung und der schließlichen Erteilung der Aufenthaltsbewilligung als ordnungsgemäß zu beurteilen gewesen. Sollte aber die Auffassung vertreten werden, dass die Zeiten des Aufenthaltes ohne nationalstaatliche Berechtigung deswegen nicht als ordnungsgemäß zu betrachten seien, weil die Versagung der Aufenthaltsbewilligung vor der Erfüllung der dreijährigen Wartefrist des Art. 7 Abs. 1 erster Gedankenstrich erfolgte, so sei zu entgegnen, dass der EuGH bereits in seinem Urteil Kadiman festgestellt habe, dass die Anwartschaftszeiten nach dieser Bestimmung nicht zur Gänze nationalstaatlich zu beurteilen seien, sondern gemeinschaftlichen Schutz genössen. Die von den Mitgliedstaaten vorgeschriebenen Voraussetzungen zur Verlängerung des Aufenthaltstitels innerhalb dieser Anwartschaftszeiten müssten den vom EuGH im genannten Urteil angeführten Zielsetzungen für die Ermöglichung einer dauerhaften Eingliederung der Familie des türkischen Wanderarbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat entsprechen. Sonst könnten die Mitgliedstaaten während dieser Wartezeit von vornherein nach ihrem Gutdünken bestimmen, wem diese Rechte eingeräumt werden sollten. Dies würde nach Ansicht des EuGH dazu führen, dass der genannte Beschluss des Assoziationsrates ausgehöhlt und jeder praktischen Wirksamkeit beraubt würde. Die belangte Behörde hätte daher zum Schluss kommen müssen, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Antragstellung zumindest die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 erster Gedankenstrich erfüllt habe, da er sich zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Grund der nachträglichen Sanierung der Aufenthaltszeiten durch den Berufungsbescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. August 1996 bereits ordnungsgemäß im Bundesgebiet aufgehalten habe.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift, und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 4c AuslBG i.d.F. BGBl. I Nr. 78/1997, lautet:
"Türkische Staatsangehörige
§ 4c. (1) Für türkische Staatsangehörige ist eine Beschäftigungsbewilligung von Amts wegen zu erteilen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 erster und zweiter Unterabsatz oder nach Art. 7 erster Unterabsatz oder nach Art. 7 letzter Satz oder Art. 9 des Beschlusses des Assoziationsrates EWG-Türkei-ARB-Nr. 1/1980 erfüllen.
(2) Türkischen Staatsangehörigen ist von Amts wegen ein Befreiungsschein auszustellen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz oder nach Art. 7 zweiter Unterabsatz des ARB Nr. 1/1980 erfüllen.
(3) Die Rechte türkischer Staatsangehöriger auf Grund der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bleiben unberührt. Für die Verfahrenszuständigkeit und die Durchführung der Verfahren gemäß Abs. 1 und 2 gelten, soweit dem nicht Bestimmungen des ARB Nr. 1/1980 entgegenstehen, die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes."
Art. 6, 7 und 14 des Beschlusses des Assoziationsrates
EWG-Türkei (ARB Nr. 1/1980) lauten:
Art. 6
(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat
- nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
- nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung
- vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleich Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaats eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
- nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.
(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.
(3) Die Einzelheiten der Durchführung der Absätze 1 und 2 werden durch einzelstaatliche Vorschriften festgelegt.
Art. 7
Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,
- haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumen Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben;
- haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.
Die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, können sich unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedstaat dort auf jedes Stellenangebot bewerben, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war.
...
Art. 14
(1) Dieser Abschnitt gilt vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind.
(2) Er berührt nicht die Rechte und Pflichten, die sich aus den einzelnen Rechtsvorschriften oder zweiseitigen Abkommen zwischen der Türkei und den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ergeben, soweit sie für ihre Staatsangehörigen keine günstigere Regelung vorsehen."
Der EuGH hat in seinem Urteil vom 17. April 1997 in der Rechtssache Selma Kadiman gegen Freistaat Bayern, C-351/95 , u. a. Folgendes ausgeführt:
"29 ... (D)ie in Artikel 7 Satz 1 genannten ordnungsgemäßen
Wohnsitzzeiten von bestimmter Dauer (setzen) zwangsläufig voraus, dass die Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, im Aufnahmemitgliedstaat zu ihm ziehen, während dieser Zeiten ein Aufenthaltsrecht haben; denn mit der Verweigerung eines solchen Rechts würde die den Betroffenen eröffnete Möglichkeit, im Gebiet des Mitgliedstaats ihren Wohnsitz zu haben, gerade verneint. Außerdem wäre die den betroffenen Familienangehörigen gewährte Genehmigung, im Gebiet des Aufnahmemitgliedstaats zu dem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen, ohne Aufenthaltsrecht völlig wirkungslos.
30 Schließlich bilden die Sozialen Bestimmungen des Beschlusses Nr. 1/80, zu denen Artikel 7 Satz 1 gehört, zwar einen weiteren durch die Artikel 48, 49 und 50 des Vertrages geleiteten Schritt zur Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, und der Gerichtshof hat es daher als unabdingbar bezeichnet, dass auf türkische Arbeitnehmer, die die im Beschluss Nr. 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, soweit wie möglich die im Rahmen dieser Artikel des Vertrages geltenden Grundsätze übertragen werden (vgl. Urteile vom 6. Juni 1995 in der Rechtssache C-434/93 , Bozkurt, Slg. 1995, I-1475, Randnrn. 14, 19 und 20, und vom 23. Januar 1997 in der Rechtssache C-171/95 , Tetik, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 20); dennoch genießen die türkischen Staatsangehörigen beim gegenwärtigen Stand des Rechts keine Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft, sondern besitzen nur bestimmte Rechte in dem Aufnahmemitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sie rechtmäßig eingereist sind und in dem sie eine bestimmte Zeit lang eine ordnungsgemäße Beschäftigung ausgeübt haben (vgl. Urteil Tetik, a. a. O., Randnr. 29) oder in dem sie, wenn es sich um Familienangehörige eines türkischen Arbeitnehmers handelt, die Genehmigung erhalten haben, zu dem Arbeitnehmer zu ziehen, und während des in Artikel 7 Satz 1 erster und zweiter Gedankenstrich vorgesehenen Zeitraums ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz hatten. ...
33 Was den Aufenthalt eines Familienangehörigen während dieser ersten drei Jahre betrifft, um den es im Ausgangsverfahren geht, so kann, wie sich aus Randnummer 29 des vorliegenden Urteils ergibt, ein Mitgliedstaat, der dem Betroffenen die Genehmigung zur Einreise erteilt hat, damit er zu dem türkischen Arbeitnehmer ziehen kann, ihm im Anschluss daran zwar nicht das Recht verweigern, sich dort zum Zwecke der Familienzusammenführung aufzuhalten; diesem Mitgliedstaat verbleibt jedoch die Befugnis, dieses Aufenthaltsrecht an Bedingungen zu knüpfen, durch die gewährleistet werden kann, dass die Anwesenheit des Familienangehörigen in seinem Hoheitsgebiet dem Geist und dem Regelungszweck des Artikels 7 Satz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 entspricht.
34 Diese Vorschrift bezweckt, die Beschäftigung und den Aufenthalt des türkischen Arbeitnehmers, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, dadurch zu fördern, dass ihm in diesem Staat die Aufrechterhaltung seiner familiären Bande garantiert wird. ...
36 Die durch Artikel 7 Satz 1 eingeführte Regelung soll somit günstige Voraussetzungen für die Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedstaat schaffen, indem den Familienangehörigen zunächst gestattet wird, bei dem Wanderarbeitnehmer zu leben, und ihre Stellung später durch die Verleihung des Rechts gestärkt wird, in diesem Staat eine Beschäftigung aufzunehmen. ...
46 Artikel 7 Satz 1 erster Gedankenstrich soll die tatsächliche Zusammenführung des türkischen Arbeitnehmers und seiner Familienangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat fördern; daher können die nationalen Behörden grundsätzlich verlangen, dass die Familienangehörigen während der ersten drei Jahre mit dem Wanderarbeitnehmer zusammenleben (siehe insbesondere Randnrn. 37, 38, 41 und 44 des vorliegenden Urteils).
47 Aus dem Geist und dem Regelungszweck dieser Vorschrift folgt somit, dass der Familienangehörige grundsätzlich seinen Wohnsitz während dieser drei Jahre ununterbrochen bei dem türkischen Arbeitnehmer haben muss.
48 Diese Auslegung bedeutet jedoch nicht, dass sich der Betroffene nicht aus berechtigten Gründen für einen angemessenen Zeitraum vom gemeinsamen Wohnsitz entfernen dürfte, z.B. um Urlaub zu machen oder seine Familie im Heimatland zu besuchen. Denn solche kurzzeitigen Unterbrechungen der Lebensgemeinschaft, die ohne die Absicht erfolgen, den gemeinsamen Wohnsitz im Aufnahmemitgliedstaat in Frage zu stellen, müssen den Zeiten gleichgestellt werden, während deren der betroffene Familienangehörige tatsächlich mit dem türkischen Arbeitnehmer zusammengelebt hat. ...
51 Was die Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis des Familienangehörigen des türkischen Arbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat angeht, so bleiben die Mitgliedstaaten zwar befugt, die Voraussetzungen zu regeln, unter denen der Familienangehörige in das Hoheitsgebiet einreisen und sich dort bis zu dem Zeitpunkt aufhalten kann, zu dem er das Recht hat, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben (siehe Randnrn. 32 und 33 des vorliegenden Urteils); gleichwohl stehen die Rechte aus Artikel 7 Satz 1 den Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers nach dieser Vorschrift unabhängig davon zu, ob die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats ein bestimmtes Verwaltungsdokument wie eine Aufenthaltserlaubnis ausstellen (vgl. entsprechend für Artikel 6 des Beschlusses Nr. 1/80 Urteil Bozkurt, a. a. O., Randnrn. 29 und 30).
52 Hinzu kommt, dass in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens dem betroffenen Familienangehörigen die ihm erteilte Aufenthaltserlaubnis nur für einen kurzen Zeitraum entzogen war und dass diese Beschränkung durch Erteilung einer neuen Aufenthaltserlaubnis aufgehoben worden ist, ohne dass die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats aus diesem Grund die Ordnungsmäßigkeit des Wohnsitzes des Familienangehörigen im nationalen Hoheitsgebiet anzweifeln.
53 Unter diesen Umständen ist der Zeitraum, während dessen der Betroffene nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war, nicht geeignet, den Ablauf des in Artikel 7 Satz 1 erster Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 vorgesehenen Zeitraums von drei Jahren zu beeinträchtigen."
Im vorliegenden Fall gehen beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens davon aus, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1992 eine Genehmigung im Sinn des ersten Halbsatzes des Art. 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80, zu seiner in Österreich dem regulären Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Ehegattin zu ziehen, erhalten hat und seither mit dieser in einem gemeinsamen Haushalt in Österreich lebt. An die diesbezügliche Feststellung im angefochtenen Bescheid ist der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG gebunden. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers war unbestritten vom 3. März 1992 bis zum 9. Oktober 1994 rechtmäßig. Ein am 6. September 1994 gestellter (offensichtlich auf § 13 Abs. 1 AufG gegründeter) Verlängerungsantrag wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 18. Oktober 1994 abgewiesen. Am 31. Juli 1995 stellte der Beschwerdeführer im Hinblick auf eine geänderte Rechtslage einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 iVm § 6 Abs. 2 AufG i.d.F. BGBl. Nr. 351/1995; diesem Antrag wurde schließlich nach einer zunächst erfolgten Abweisung im Hinblick auf einen Berufungsbescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. August 1996 im zweiten Rechtsgang mit Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit Gültigkeitsbeginn vom 1. August 1996 stattgegeben. Ab diesem Zeitpunkt war der Aufenthalt des Beschwerdeführers wieder rechtmäßig.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Zeiten des nicht dem innerstaatlichen Recht entsprechenden Aufenthaltes des Beschwerdeführers vom 10. Oktober 1994 bis zum 31. Juli 1996 nicht bewirkt haben, dass die vor diesem Zeitraum liegende Zeit eines rechtmäßigen Aufenthaltes der Beurteilung, ob der Beschwerdeführer in Österreich im Sinn des Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich mindestens fünf Jahre seinen ordnungsgemäßen Wohnsitz hatte, unbeachtlich wäre. Anders als gemäß Art. 6 Abs. 2 ARB Nr. 1/80, der einen türkischen Arbeitnehmer nur bei den darin näher umschriebenen Zeiten der Lösung seiner (unmittelbaren) Bindung an den Arbeitsmarkt des Mitgliedstaates davor bewahrt, gemäß Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 erworbene Rechte zu verlieren, stellt Art. 7 ARB Nr. 1/80 generell auf den Zweck der Familienzusammenführung ab (vgl. das vorgenannte Urteil des EuGH sowie das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1997, Zl. 96/09/0334). Dies gilt auch - wie im vorliegenden Fall - für eine durch die Zurücklegung von Zeiträumen eines ordnungsgemäßen Wohnsitzes von weniger als drei Jahren begründete Anwartschaft, nach Zurücklegung des noch fehlenden Zeitraumes eine Rechtsstellung im Sinn des Art. 7 Satz 1 erster oder zweiter Gedankenstrich zu erlangen.
Der Beschwerdeführer hatte auch bei einer Zusammenrechnung der Zeiträume seines rechtmäßigen Aufenthaltes noch keinen ordnungsgemäßen Wohnsitz von mindestens fünf Jahren im Sinn des Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich ARB Nr. 1/80 aufzuweisen. Die belangte Behörde hatte im vorliegenden Fall daher zu beurteilen, ob die Zeiten der Unterbrechung der Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes für die Zwecke der Berechnung des fünfjährigen ordnungsgemäßen Wohnsitzes im Sinne von Art. 7 Satz 1 zweiter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 zu berücksichtigen waren, und sie hat dies verneint. Die belangte Behörde hätte hiebei aber darauf Bedacht nehmen müssen, dass diese Frage unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes im vorangeführten Urteil in der Rechtssache Kadiman zu beurteilen ist. In diesem Fall wurde ein Zeitraum von etwa vier Monaten, in dem einer Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers gemäß Art. 6 ARB Nr. 1/80, während dessen ihre Aufenthaltserlaubnis entzogen war - welche Beschränkung durch Erteilung einer neuen Aufenthaltserlaubnis aufgehoben worden war, ohne dass die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaates aus diesem Grund die Ordnungsgemäßheit des Wohnsitzes im nationalen Hoheitsgebiet angezweifelt hätten - bei der Berechnung der Zeit gemäß Art. 7 Satz 1 ARB Nr. 1/80 berücksichtigt (vgl. Randnr. 51 ff des oben zitierten Urteiles). Von Bedeutung ist auch der in den Randnr. 29 und 33 des angeführten Urteiles enthaltene Hinweis auf den "effet utile" des Einleitungssatzes des Art. 7 ARB Nr. 1/80 dergestalt, dass diese Bestimmung zwangsläufig voraussetzt, dass die Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, im Aufnahmemitgliedstaat zu ihm zu ziehen, während dieser Zeit auch ein Aufenthaltsrecht haben; dass mit der Verweigerung eines solchen Rechts die dem Betroffenen eröffnete Möglichkeit, im Gebiet des Mitgliedstaates seinen Wohnsitz zu haben, gerade verneint, und die den betroffenen Familienangehörigen gewährte Genehmigung, im Gebiet des Aufnahmemitgliedstaats zu dem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen, ohne Aufenthaltsrecht völlig wirkungslos wären. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass eine Entziehung oder Verneinung des Rechts, im Sinn des Einleitungssatzes des Art. 7 ARB Nr. 1/80 zu einem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen, nachdem dieses Recht einmal zuerkannt wurde, nur bei ausreichend triftigen, gegen den weiteren Aufenthalt des Familienangehörigen sprechenden Gründen in Frage kommt. Die belangte Behörde hätte dies bei der Beurteilung der Frage berücksichtigen müssen, ob der Zeitraum des Aufenthaltes des Beschwerdeführers vom 10. Oktober 1994 bis zum 31. Juli 1996, in welchem er sich ohne Sichtvermerk und ohne gültige Aufenthaltsbewilligung im Bundesgebiet aufhielt, dennoch als Zeitraum eines ordnungsgemäßen Wohnsitzes im Sinne des Art. 7 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 anzusehen war. Sie hätte sich hiebei näher damit befassen müssen, ob und welche Gründe gegen die Ordnungsgemäßheit des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, der ihm ja schließlich mit der Erteilung einer mit Gültigkeit vom 1. August 1996 an erteilten Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz wieder erlaubt worden war, vorlagen, und ab wann solche Gründe weggefallen sind. Hiebei wäre in Betracht zu ziehen gewesen, ob es sich hiebei um Umstände handelt, die die Entziehung der einmal dem Beschwerdeführer erteilten Genehmigung, zu seiner dem regulären österreichischen Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Familienangehörigen zu ziehen, aus den in Art. 14 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 genannten Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit rechtfertigt.
Solche Feststellungen hat die belangte Behörde jedoch in Verkennung der Rechtslage unterlassen. Wegen dieses sekundären Verfahrensmangels war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG und § 41 AMSG, wobei das Mehrbegehren im Hinblick auf die in § 24 Abs. 3 VwGG angeführte Pauschalgebühr abzuweisen war.
Wien, am 15. März 2000
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