VwGH 97/09/0133

VwGH97/09/013328.7.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Händschke, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des N in Klagenfurt, vertreten durch Dr. Hans-Dieter Sereinig, Rechtsanwalt in Ferlach, Hauptplatz 8, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 13. Februar 1997, Zl. 99/8-DOK/96, betreffend Disziplinarstrafe des Verweises nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §94 Abs1;
BDG 1979 §94 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung, soweit der Beschwerdeführer mit ihm schuldig erkannt wurde, durch Verstoß gegen § 43 Abs. 1 und Abs. 2 BDG 1979 eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen zu haben und soweit über ihn die Disziplinarstrafe des Verweises verhängt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahr 1954 geborene Beschwerdeführer steht als Revierinspektor (Wachebeamter im Exekutivdienst der Zollwache; Verwendungsgruppe W2) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er war im für das gegenständliche Disziplinarverfahren maßgeglichen Zeitraum (1994/1995) als Kontrollposten (Kassendienst) beim Zollamt Loibltunnel diensteingeteilt.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 13. Februar 1997 hat die belangte Behörde über die gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 14. Juni 1996 erhobenen Berufungen wie folgt zu Recht erkannt:

"Der Berufung des Disziplinaranwaltes wird nicht stattgegeben. Der Berufung des Beschuldigten wird teilweise Folge gegeben.

Der Spruch des erstinstanzlichen Erkenntnisses wird gemäß § 62 Abs. 4 AVG iVm § 105 BDG 1979 abgeändert:

Der Beschuldigte hat, indem er den Austritt einer Tauchpumpe (BW 10 A) auf dem Formular U 34 durch Erteilung der zollamtlichen Bestätigung mit Datum 29. April 1994 bestätigte, obwohl diese an dem bestätigten Tage nicht zur Ausfuhr gestellt wurde und er sich vom Vorliegen der für die Erteilung der Bestätigung erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen vorschriftswidrig nicht überzeugt hat (Punkt I.2.), eine Dienstpflichtverletzung iSd § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 iVm § 91 leg. cit. begangen.

Hingegen wird der Beschuldigte von der Anschuldigung, den Austritt eines Einbaukühlers der Marke "Whirlpool" auf dem Formular U 34-1 durch Erteilung der zollamtlichen Bestätigung mit Datum 8. April 1994 bestätigt zu haben, obwohl dieser an dem bestätigten Datum nicht zur Ausfuhr gestellt wurde, gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 freigesprochen (Punkt I.1.).

Der Ausspruch über die Strafe wird dahingehend abgeändert, dass über den Beschuldigten gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 die Disziplinarstrafe des Verweises verhängt wird.

Den Berufungswerber aufzuerlegende Kosten sind im Berufungsverfahren nicht erwachsen."

Zur Begründung des aufrechterhaltenen Schuldspruches führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe die zollamtliche Bestätigung der Ausfuhr der Tauchpumpe BW 10 A mit 29. April 1994 nachträglich erteilt und damit gravierend gegen seine Dienstpflichten verstoßen. Eine nachträgliche (nach Ausfuhr der Waren aus Österreich erfolgende) Bestätigung sei nach dem Erlass des Bundesministerium für Finanzen vom 9. Juli 1993, GZ UM-400/24-III/2/93, nur dann zulässig, wenn der Nachweis erbracht werde, dass die Liefergegenstände durch den ausländischen Abnehmer in Erfüllung des Umsatzgeschäftes in das Ausland verbracht worden seien. Für nachträgliche Austrittsbestätigungen sei - i.S. des Erlasses des BMF - das Zollamt und nicht der Zollbedienstete zuständig. Für diese Verfehlung sei der Beschwerdeführer zur Verantwortung zu ziehen (die weiteren Ausführungen betreffen die Strafbemessung).

Gegen diesen Bescheid im Umfang seines Schuld- und Strafausspruches richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Teil des angefochtenen Bescheide in dem Recht verletzt, nicht der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung schuldig erkannt und dafür disziplinär bestraft zu werden. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid - erkennbar im Umfang der Anfechtung - "wegen Rechtswidrigkeit" kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 94 BDG 1979 regelt die Verjährung. Nach Abs. 1 dieser Gesetzesstelle darf der Beamte wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht

1. innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder

2. innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung,

eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde. Durch die 2. BDG-Novelle 1993 (BGBl. Nr. 16/1994) wurde dem § 94 Abs. 1 leg. cit. folgender Satz angefügt:

"Sind von der Dienstbehörde vor Einleitung des Disziplinarverfahrens im Auftrag der Disziplinarkommission notwendige Ermittlungen durchzuführen (§ 123 Abs. 1 zweiter Satz), verlängert sich die unter Z. 1 genannte Frist um sechs Monate".

Gemäß § 96 BDG 1979 sind Disziplinarbehörden 1. die Dienstbehörden, 2. die Disziplinarkommission, 3. die Disziplinaroberkommission.

Die §§ 109 und 110 BDG 1979 regeln die Disziplinaranzeige. Nach § 109 Abs. 1 dieser Gesetzesstelle hat der unmittelbar oder mittelbar zur Führung der Dienstaufsicht berufene Vorgesetzte (Dienstvorgesetzte) bei jedem begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung die zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen zu pflegen und sodann unverzüglich im Dienstwege der Dienstbehörde Disziplinaranzeige zu erstatten. Erweckt der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung auch den Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung, so hat sich der Dienstvorgesetzte in dieser Eigenschaft jeder Erhebung zur enthalten und sofort der Dienstbehörde zu berichten. Diese hat gemäß § 84 der Strafprozessordnung 1975, BGBl. Nr. 631, vorzugehen. Vor einer Disziplinaranzeige an die Dienstbehörde ist zufolge Abs. 2 leg. cit. abzusehen, wenn nach Ansicht des Dienstvorgesetzten eine Belehrung oder Ermahnung ausreicht.

Nach § 110 Abs. 1 leg. cit. hat die Dienstbehörde auf Grund der Disziplinaranzeige oder des Berichters des Dienstvorgesetzten

  1. 1. eine Disziplinarverfügung zu erlassen oder
  2. 2. die Disziplinaranzeige an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission und an den Disziplinaranwalt weiterzuleiten.

    Die Dienstbehörde kann nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle von der Erlassung einer Disziplinarverfügung oder der Weiterleitung der Disziplinaranzeige absehen, wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Dienstpflichtverletzung unbedeutend sind. Auf Verlangen des Beamten ist dieser hievon formlos zu verständigen.

    § 123 BDG 1979 regelt die Einleitung des Disziplinarverfahrens im Verfahren vor der Disziplinarkommission. Nach Abs. 1 dieser Gesetzesstelle hat der Vorsitzende der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführen.

    Die Verjährung ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen aufzugreifen. Dem Umstand, dass der Beschwerdeführer den Einleitungsbeschluss des Disziplinarkommission bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes nicht bekämpfte, bzw. dass in seiner Beschwerde zur Verjährung kein Vorbringen erstattet wurde, kommt keine rechtserhebliche Bedeutung zu (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 16. November 1995, Zl. 93/09/0001).

    Dass im Beschwerdefall hinsichtlich des Sachverhaltes, welcher der mit dem angefochtenen Bescheid angelasteten Dienstpflichtverletzung (betreffend eine Ausfuhrbestätigung vom 29. April 1994 für eine Tauchpumpe) zu Grunde liegt, Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer erstattet worden wäre, andere Hemmungsgründe (nach § 94 Abs. 3 oder 4 BDG 1979) vorgelegen seien, oder die Dienstbehörde im Auftrag der Disziplinarkommission notwendige Erhebungen durchzuführen hatte, ist den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Die Verjährungsfrist betrug daher im Beschwerdefall sechs Monate ab Kenntnis der Disziplinarbehörde (hier der Dienstbehörde) von der Dienstpflichtverletzung.

    In der von der Dienstbehörde (Finanzlandesdirektion für Kärnten) an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission erstatteten Disziplinaranzeige wird ausgeführt, die Dienstpflichtverletzung des Beschwerdeführers sei der Dienstbehörde "am 24. März 1995 zur Kenntnis gelangt".

    Geht man von diesem in der Disziplinaranzeige genannten Beginn des Laufes der Verjährungsfrist nach § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 aus, dann wurde der Einleitungsbeschluss gegenüber dem beschuldigten Beamten in Ansehung der mit dem angefochtenen Bescheid angelasteten Dienstpflichtverletzung aber nicht innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist erlassen (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. März 1998, Zl. 96/09/0070, und vom 25. Juni 1992, Zl. 91/09/0190), erfolgte die Zustellung des Einleitungsbeschlusses an den Beschwerdeführer nach der Aktenlage doch erst am 19. Oktober 1995.

    Die belangte Behörde hat daher, in dem sie den Beschwerdeführer wegen einer bereits verjährten Dienstpflichtverletzung schuldig erkannte und disziplinär bestrafte, statt auch in diesem Umfang einen Freispruch zu fällen, den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Dieser war schon aus diesen Erwägungen im Umfang seiner Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

    Wien, am 28. Juli 2000

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