VwGH 96/21/0662

VwGH96/21/06625.10.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des am 5. September 1965 geborenen M in Linz, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 18. April 1996, Zl. St 90/96, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes aus 1992, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54;
VwGG §28 Abs1 Z4;
AVG §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54;
VwGG §28 Abs1 Z4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 18. April 1996 wurde gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Zaire, in diesem Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei; seine Abschiebung nach Zaire sei somit zulässig.

Dies begründete die belangte Behörde damit, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt im Wesentlichen behauptet habe, er wäre seit Oktober 1992 Mitglied der PDC und innerhalb dieser Partei Informant zwischen der Zentrale und den Mitgliedern gewesen. Auf Grund seiner Aktivitäten wäre er zweimal inhaftiert worden. Nachdem er das erste Mal vom 10. Oktober 1993 bis zum 20. Jänner 1994 im Gefängnis "Camp Kokolo" festgehalten worden wäre, wäre er mit der Auflage, seine Aktivitäten einzustellen, freigelassen worden. Das zweite Mal wäre er im Gefängnis "Camp Shashi" eingesperrt gewesen und wäre, nachdem er dort vom 16. Februar 1994 bis zum 30. April 1994 gewesen wäre, geflüchtet. Im Zuge seiner Festhaltungen wäre er auch mit "Peitschen" am ganzen Körper geschlagen worden, wovon er offene Wunden und Schwellungen davongetragen hätte. Spuren der Verletzungen wären nicht mehr sichtbar. Es wäre zumindest 50-mal vorgekommen, dass ein Wärter ihm etwa 15 bis 20 Schläge verabreicht hätte. Unter Peitsche verstehe er einen Gürtel aus Leder. Manchmal wäre er auch mit Gummiknüppeln misshandelt worden.

Der Beschwerdeführer sei am 11. Juli 1994 zur Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens dem Dr. G. vorgeführt worden. Aus dessen Gutachten gehe im Wesentlichen hervor, dass mit apodiktischer Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass Folterungen in der Art und Weise und in der Häufigkeit, wie es der Beschwerdeführer angegeben habe, stattgefunden hätten, da nicht versorgte Platzwunden der Haut immer mit Narben abheilten, welche jedoch absolut nicht zu attestieren wären.

Die belangte Behörde führte weiter aus, dass es einen medizinischen Beweis für die vom Beschwerdeführer angegebenen Misshandlungen nicht gebe. Dem Beschwerdeführer sei das Gutachten zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt worden, zu Unklarheiten Stellung zu nehmen. Diese habe er damit erklärt, nur gesagt zu haben, dass er Schwellungen und Schürfwunden von den Misshandlungen davongetragen hätte und niemals gesagt hätte, dass er offene blutende Wunden gehabt hätte. Auf den Vorhalt, dass dem Beschwerdeführer die Niederschrift vom 29. Juni 1994 übersetzt zur Kenntnis gebracht worden sei und dass er dies mit seiner Unterschrift bestätigt habe, habe der Beschwerdeführer erklärt, dass er Schürfwunden gehabt hätte und dies offene blutende Wunden wären. Einerseits könnte er nicht sagen, dass der Arzt seine Arbeit nicht gut gemacht hätte, andererseits könnte er aber auch nicht sagen, nicht gefoltert worden zu sein, obwohl dies der Fall gewesen wäre.

Der Asylantrag des Beschwerdeführers sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. August 1994 abgewiesen worden, ebenso die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Juni 1995.

Der Beschwerdeführer habe zur Begründung seines Antrages gemäß § 54 Abs. 1 FrG noch vorgebracht, dass er Mitglied der Sozialdemokratisch-Christlichen Partei in Zaire sei und in dieser Funktion Versammlungen organisiert hätte. Er wäre Informant zwischen der Zentrale und der Parteibasis gewesen. Auf Grund dieser Tätigkeit wäre er zweimal inhaftiert worden, wo er auch mit einem Ledergürtel und Gummiknüppel geschlagen worden wäre. Abschließend habe er aus dem Jahresbericht von Amnesty International 1994 einen Situationsbericht zur Lage in Zaire wiedergegeben.

Die erkennende Behörde könne einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Fremde während des Verfahrens vor den verschiedenen Instanzen im Wesentlichen gleich bleibende Angaben mache und wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erschienen. Bereits die Erstbehörde habe in ausführlichster Weise die widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers wiedergegeben. Diesen erstinstanzlichen Ausführungen schließe sich die belangte Behörde an, insbesondere werde darauf verwiesen, dass die Angaben des Beschwerdeführers bezüglich der Misshandlungen in der Haft durch ein ärztliches Gutachten widerlegt bzw. in den Bereich der Unglaubwürdigkeit verwiesen worden seien. (Als weitere "Widersprüche" bzw. Unstimmigkeiten in den Angaben des Beschwerdeführers hatte die Behörde erster Instanz ausgeführt, der Beschwerdeführer habe angegeben, Mitglied der PDC zu sein, die zwar nicht verboten wäre, deren Mitglieder jedoch verfolgt würden. Er habe weiters angegeben, im November 1993 Parteiversammlungen organisiert zu haben, zu diesem Zeitpunkt habe er sich jedoch seinen Angaben zufolge auch in Haft befunden. Ferner gebe der Beschwerdeführer an, als relativ unbedeutendes Mitglied der PDC massiv verfolgt zu sein, während man den Gruppenleiter seiner Organisation namens Mugenge völlig in Ruhe ließe. Völlig absurd erscheine der Behörde erster Instanz, dass sich der Beschwerdeführer nach einer angeblich lebensbedrohenden Haft, aus der ihm - weil ihm ein Wachsoldat eine Uniform gegeben hätte - die Flucht gelungen wäre, sich mit einem Taxi zu einer Behörde, nämlich dem Finanzministerium begeben hätte, um die Kosten der Taxifahrt ersetzt zu erhalten. Der Beschwerdeführer habe angegeben, zur Nachtzeit zum Finanzministerium in Kinshasa gefahren zu sein, und dass er sich dort von einem Freund seine Spesen, offensichtlich die Taxifahrt, habe ersetzen lassen. Auf den Vorhalt, dass er zur Nachtzeit wohl niemanden im Finanzministerium hätte antreffen können, habe er seine Aussage dahingehend geändert, dass er nicht zum Finanzministerium, sondern zum Wohnort des Freundes gefahren wäre. Weiters erscheine es der Behörde völlig unglaubwürdig, dass ein Aufseher des Gefängnisses, der den Beschwerdeführer gar nicht gekannt hätte, sich in derart große Gefahr begeben sollte, ihm die Flucht durch das Überlassen einer Uniform zu ermöglichen.)

Der Bundesminister für Inneres habe mit Bescheid vom 22. Juni 1995 rechtskräftig festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme. Der Begriff des Flüchtlings decke sich mit den Verfolgungsgründen nach § 37 Abs. 2 FrG; es könne daher davon ausgegangen werden, dass diese Verfolgungsgründe nicht vorlägen, weil der Beschwerdeführer im darauf folgenden fremdenpolizeilichen Verfahren keine neuen Tatsachen vorgebracht habe und, was die Fluchtgründe anlange, auf sein Vorbringen im Asylverfahren verwiesen bzw. diese wiederholt habe.

Die Glaubhaftmachung einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG gelinge weder durch allgemein gehaltene Hinweise auf die politische Situation im Heimatstaat noch durch die Verweisung auf Berichte verschiedener, wenn auch namhafter und kompetenter Organisationen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde; eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren gemäß § 54 Abs. 1 FrG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom Antragsteller mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den im Antrag genannten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt durch jene nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen und von der Behörde das Vorliegen konkreter Gefahren für jeden einzelnen Fremden für sich zu prüfen. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 20. Oktober 1998, Zl. 97/21/0867.)

Der Beschwerdeführer verweist in seiner Beschwerde nach einer kurzen Darstellung des Verfahrensganges "auf die vorgebrachten Gründe" und meint, bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass die Voraussetzungen für eine "positive" Feststellung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 iVm § 54 FrG erfüllt seien. Er verweist auf eine im Asylverfahren eingebrachte Verwaltungsgerichtshofbeschwerde und rügt, die belangte Behörde habe überhaupt keine eigene Ermittlungstätigkeit entfaltet, sondern sich auf die Verweisung auf die Ergebnisse des Asylverfahrens beschränkt. Dies sei schon deshalb nicht stichhaltig, weil sich die Gründe des § 37 Abs. 1 und 2 FrG nicht völlig mit den Asylgründen deckten, sodass eigene Ermittlungen im Feststellungsverfahren unerlässlich seien. Dazu komme, dass der Beschwerdeführer im Feststellungsverfahren Argumente vorgebracht habe, die nicht Gegenstand des Asylverfahrens gewesen seien. Dies gelte insbesondere für die mit Schriftsatz vom 8. Jänner 1996 vorgebrachten Gesichtspunkte sowie einen Verweis auf den Jahresbericht von Amnesty International 1994.

Mit diesen Ausführungen gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Soweit der Beschwerdeführer zur Begründung seiner Beschwerde auf Ausführungen in anderen Schriftsätzen verweist, ist darauf hinzuweisen, dass die Erfordernisse einer Beschwerde nach § 28 VwGG nicht durch den Hinweis auf das Vorbringen in früheren Schriftsätzen ersetzt werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 1984, Slg. Nr. 11.542/A).

Der Beschwerdeführer tritt den Ausführungen der belangten Behörde, es liege ein fachärztliches Gutachten vor, wonach mit apodiktischer Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass Folterungen in der Art und Weise und in der Häufigkeit, wie sie der Beschwerdeführer angegeben habe, stattgefunden hätten, nicht entgegen; Zweifel an der Schlüssigkeit dieses Gutachtens werden vom Beschwerdeführer nicht geäußert.

Soweit der Beschwerdeführer meint, die Ausführungen in seinem Schriftsatz vom 8. Jänner 1996 (Antrag gemäß § 54 Abs. 1 FrG) hätten die belangte Behörde zu weiteren (von ihm aber nicht näher spezifizierten) Ermittlungen veranlassen müssen, ist dies nicht stichhaltig, weil dieser Schriftsatz bloß eine zusammengefasste Darstellung seiner Angaben im Asylverfahren und einen Hinweis auf von Amnesty International berichtete Folterungen nicht näher genannter Mitglieder der Christlichen Sozialdemokratischen Partei in Zaire enthält.

Zwar enthält die Berufung des Beschwerdeführers vom 8. Februar 1996 eine etwas ausführlichere Schilderung des Vorbringens des Beschwerdeführers; darin wird auch ausgeführt, dass der Umstand, dass von den ihm zugefügten Misshandlungen keine Narben mehr sichtbar seien, auf die Verwendung einer Salbe zurückzuführen sei, die ihm im Gefängnis zugespielt worden sei. Auch wenn die belangte Behörde auf dieses Vorbringen im Einzelnen nicht eingegangen ist, hält die Beurteilung der (mangelnden) Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers insgesamt - auf Grund der übrigen im angefochtenen Bescheid unwidersprochen aufgezeigten Unstimmigkeiten - einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm insoweit zukommenden Kontrollbefugnis (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) stand.

Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 5. Oktober 2000

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