VwGH 96/19/1241

VwGH96/19/12415.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des am 22. August 1953 geborenen D M in Wien, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Dezember 1995, Zl. 304.202/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verfügte nach der Aktenlage über einen von der österreichischen Botschaft in Belgrad am 10. Februar 1995 ausgestellten Touristensichtvermerk mit einer Gültigkeitsdauer bis 9. August 1995. Er beantragte am 11. Juli 1995 (Einlangen bei der erstinstanzlichen Behörde) im Wege der österreichischen Botschaft in Budapest die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, wobei er unter der Rubrik "derzeitiger Wohnsitz" jeweils eine näher bezeichnete Anschrift sowohl in Jugoslawien als auch in Wien angab. Als Aufenthaltszweck wurde die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit unter Hinweis auf eine "gegründete Firma" geltend gemacht. Der Landeshauptmann von Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom 26. September 1995 gemäß § 4 Abs. 1 AufG ab. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 4. Dezember 1995 wies der Bundesminister für Inneres diese Berufung gemäß § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei nach der auf seinen eigenen Angaben beruhenden Aktenlage mit einem Touristensichtvermerk, welcher von 10. Februar 1995 bis 9. August 1995 gültig gewesen sei, eingereist und wolle seinen damit begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern. Unbeschadet seines Vorbringens sei bei der Beurteilung seines Antrages allein maßgeblich, dass § 5 Abs. 1 AufG zwingend die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließe, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliege. Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG liege ein solcher vor, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden solle. Gerade im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen habe die belangte Behörde festgestellt, dass unter Abwägung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers mit den öffentlichen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK die öffentlichen Interessen überwögen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer vorerst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte ihre Behandlung mit Beschluss vom 1. März 1996, B 282/96, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 FrG 1992 lautete auszugsweise:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"

Der Beschwerdeführer verfügte noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung, weshalb die Bestimmung des § 113 Abs. 6 oder 7 FrG 1997 auf den gegenständlichen Fall keine Anwendung findet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG 1992 folgende Rechtssätze - von denen abzugehen kein Anlaß besteht - geprägt:

Für die Beurteilung der Frage, ob der in Rede stehende Sichtvermerksversagungsgrund vorliegt, ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1997, Zlen. 96/19/0285 bis 0288). Die Bestimmung bezweckt, die Fortsetzung des Aufenthaltes von Fremden im Bundesgebiet im Anschluss an touristische Aufenthalte nicht zu gestatten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zl. 97/19/1439). Die Frage, ob eine beantragte Bewilligung zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen "soll", ist nach der Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung zu prüfen. Der in Rede stehende Sichtvermerksversagungsgrund ist dann verwirklicht, wenn sich der Fremde in dem für die Entscheidung der Behörde maßgeblichen Zeitpunkt - also jenem der Bescheiderlassung - im Anschluss an eine mit Touristensichtvermerk erfolgte Einreise im Bundesgebiet aufhält (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 96/19/0032). Ein nahtloser Anschluss der zu erteilenden Bewilligung an die Geltungsdauer des Touristensichtvermerkes ist für den in Rede stehenden Versagungstatbestand nicht vorausgesetzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juli 1993, Zl. 93/18/0293). Bedeutungslos ist es auch, ob der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung vor oder nach der mit dem Touristensichtvermerk erfolgten Einreise gestellt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1995, Zl. 95/19/0500). Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG 1992 gestützten Entscheidung eine Bedachtnahme auf die durch Art. 8 MRK geschützten Rechte des Fremden aus den im - auch von der Beschwerde angeführten - Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, Slg. Nr. 13.497, dargelegten Gründen nicht zu erfolgen hat (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 96/19/0032).

Der Beschwerdeführer bestreitet weder die Feststellung der belangten Behörde, er sei mit einem Touristensichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist noch, sich im Anschluss daran weiterhin im Bundesgebiet aufgehalten zu haben. Er räumt vielmehr sowohl im Verwaltungsverfahren (vgl. die am 19. Oktober 1995 - also nach Ablauf des bis 9. August 1995 gültigen Touristensichtvermerkes - in Wien zur Post gegebene Berufung, wobei beim Absender eine Wiener Adresse aufscheint) als auch in seiner Beschwerde ausdrücklich ein, mit einem Touristensichtvermerk eingereist zu sein und sodann die Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz beantragt zu haben. Darüber hinaus stellt er nicht in Abrede, auch im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde im Bundesgebiet aufhältig gewesen zu sein.

Angesichts der vom Beschwerdeführer gemachten Angaben hatte die belangte Behörde hinreichende Anhaltspunkte für ihre Annahme, dieser halte sich im Zeitpunkt ihrer Entscheidung weiterhin im Bundesgebiet auf. Hat der Beschwerdeführer aber das Bundesgebiet im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht wieder verlassen, so kann die Heranziehung des Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG durch die belangte Behörde nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Auch aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. März 1995, B 2259/94 (= Slg. Nr. 14.091), ist für den Standpunkt der Beschwerde nichts zu gewinnen. Diesem Erkenntnis lag ein Bescheid zu Grunde, mit dem die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mangels einer für Inländer ortsüblichen Unterkunft sowie des Lebensunterhaltes (§ 5 Abs. 1 AufG) versagt wurde, und der den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Privat- und Familienleben wegen Unterlassung der bei verfassungskonformer Auslegung des § 5 Abs. 1 AufG gebotenen Interessenabwägung verletzte.

Die Beschwerde macht weiters verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Wortfolge "ist zu versagen, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden soll" in § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG 1992 geltend und regt die Anfechtung dieser Norm beim Verfassungsgerichtshof an.

Der Verwaltungsgerichtshof - der diese Bedenken nicht teilt - sieht sich nicht veranlasst, dieser Anregung zu folgen, wobei diese Bedenken bereits (im Übrigen wortident) in der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde vorgetragen worden sind. Auch beim Verfassungsgerichtshof sind jedoch diesbezüglich - wie sich auch aus der Begründung des Ablehnungsbeschlusses ergibt - keine verfassungsrechtlichen Bedenken entstanden.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 5. Mai 2000

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