VwGH 95/15/0137

VwGH95/15/013731.10.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des H in P, vertreten durch Dr. Martin Wandl und Mag. Wolfgang Krempl, Rechtsanwälte in St. Pölten, Kremser Gasse 19, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 28. Juli 1995, Zl. GA 7 - 1097/95, betreffend Haftung für Abgabenschuldigkeiten, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §201;
BAO §224 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
BAO §201;
BAO §224 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Haftungsbescheid vom 11. Oktober 1994 nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer nach § 9 Abs. 1 i.V.m. § 80 Abs. 1 BAO als Haftungspflichtigen für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der M-GmbH in der Höhe von 62.046 S in Anspruch. Bei den Abgabenschuldigkeiten handelte es sich um Umsatzsteuer und Alkoholabgabe für die Jahre 1989 bis 1991. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, der Beschwerdeführer, der im Streitzeitraum Geschäftsführer (und Gesellschafter) der M-GmbH gewesen sei, hätte für die Abgabenentrichtung sorgen müssen. Da der Beschwerdeführer dies unterlassen habe und der Rückstand infolge schuldhafter Pflichtverletzung nicht habe eingebracht werden können, sei die Haftung auszusprechen gewesen.

In der Berufung vom 2. November 1994 hielt der Beschwerdeführer fest, die Abgabenschuldigkeiten laut Bescheid setzten sich aus Umsatzsteuer 1989 bis 1991 von 56.746 S und Alkoholabgabe 1989 bis 1991 von 5.300 S auf Grund einer durchgeführten Betriebsprüfung zusammen. Der Beschwerdeführer machte geltend, er habe seine Geschäftsführertätigkeit bei der M-GmbH mit 1. April 1992 beendet. Sein Nachfolger habe ihm die Entlastung erteilt. Im Zeitpunkt der Übergabe habe gegenüber dem Finanzamt keine Verbindlichkeit bestanden, weshalb er auch nicht zur Haftung herangezogen werden könne. Die im Haftungsbescheid angeführten Abgabenschuldigkeiten seien von seinem Nachfolger zu entrichten, weil dieser ihm (dem Beschwerdeführer) noch immer einen Teil des Kaufpreises schulde. Eine eventuelle Nachzahlung aus den Jahren 1989 bis 1991 sei mit den offenen Kaufpreisforderungen gegenzurechnen. Weiters habe er bei dem Verkauf der M-GmbH an seinen Nachfolger eine Bürgschaft gegenüber der Bank in der Höhe von 1 Million S übernommen, für die er nun, weil sein Nachfolger den Darlehensrückzahlungen nicht nachgekommen sei, in Anspruch genommen werde. Auch für diese Zahlungen bestehe ein Gegenverrechnungsanspruch gegenüber seinem Nachfolger.

Nach der Aktenlage wurde mit gerichtlichem Beschluss vom 6. April 1995 der am 9. September 1994 über das Vermögen der M-GmbH eröffnete Konkurs nach Vollzug der Schlussverteilung nach § 139 Abs. 1 KO aufgehoben.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 17. Mai 1995 gab das Finanzamt der Berufung keine Folge. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, die Haftung erstrecke sich auf Abgaben, deren Zahlungstermin (Fälligkeitszeitpunkt) in die Zeit der Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers gefallen sei. Er sei daher verpflichtet gewesen, die im Haftungsbescheid berücksichtigten Abgaben gemäß § 80 BAO zu entrichten.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte der Beschwerdeführer vor, die M-GmbH habe sich seit der Gründung am 23. Mai 1989 bis zum 29. Februar 1992 zu 25 % in seinem Besitz befunden. In dieser Zeit sei er auch Geschäftsführer der M-GmbH gewesen. Mit einem notariellen Abtretungsvertrag vom 7. April 1992 seien seine Gesellschaftsanteile an seinen Nachfolger übertragen worden. Zum Zeitpunkt der Übergabe der Geschäftsführung an den Nachfolger habe auf dem Steuerkonto der M-GmbH kein Rückstand bestanden. Ob und aus welchen Gründen die Wiederaufnahme der Besteuerungsverfahren erfolgt sei, entziehe sich seiner Kenntnis. Er habe keinen Einfluss auf die Vorschreibung der mit dem Haftungsbescheid vorgeschriebenen Abgaben gehabt. Er habe keine Parteistellung gehabt und auch keine Bescheidausfertigung über diese Abgaben bekommen. Es könne daher von ihm nicht überprüft werden, ob diese Vorschreibungen zu Recht erfolgt seien. Er habe die M-GmbH in einem geordneten finanziellen Rahmen übergeben. Es liege außerhalb seines Einflussbereiches, dass es zum Konkurs der M-GmbH gekommen sei. In dem Zeitpunkt, in dem er die Geschäftsführung zurückgelegt habe, sei die M-GmbH zahlungsfähig gewesen. Die Vorschreibung der Umsatzsteuer und der Alkoholabgabe für die Jahre 1989 bis 1991 sei am 18. Jänner 1994 und damit zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem er nicht mehr Geschäftsführer der M-GmbH gewesen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Die Uneinbringlichkeit der dem Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Abgabenschuldigkeiten bei der M-GmbH stehe aufgrund der Aufhebung des Konkursverfahrens fest. Unbestritten sei, dass dem Beschwerdeführer bis zur Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der M-GmbH oblegen sei. Es sei Sache des Vertreters, die Gründe anzuführen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegende Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. Der Beschwerdeführer habe nicht behauptet, dass für die Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Zeit seiner Geschäftsführung keine Mittel zur Verfügung gestanden wären. Der Umstand, dass die haftungsgegenständlichen Abgabennachforderungen erst zu einem Zeitpunkt vorgeschrieben worden seien, in dem der Beschwerdeführer nicht mehr über die Mittel der Gesellschaft verfügt habe, sei unbeachtlich. Die Ursache der verspäteten Abgabenfestsetzung sei nämlich die laut Betriebsprüfungsbericht vom 15. Dezember 1993 und Strafverfügung vom 20. April 1994, auf deren Ausführungen verweisen werde, festgestellte Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht. Bei Abgaben, welche die M-GmbH selbst zu berechnen und abzuführen gehabt habe, sei maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beschwerdeführer könne die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung die Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben sei.

In der Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, nicht als Haftungspflichtiger nach den §§ 9 und 80 BAO in Anspruch genommen zu werden.

Der Verwaltungsgerichthof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 9 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus Mitteln des Vertretenen entrichtet werden. Der Zeitpunkt, ab dem zu beurteilen ist, ob den Vertreter diese Pflicht getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wäre (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 2000, 98/15/0003).

Unstrittig ist, dass es die Aufgabe des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der M-GmbH von 23. Mai 1989 bis zum 29. Februar 1992 war, die Umsatzsteuer und die Alkoholabgabe für die Jahre 1989 bis 1991 ordnungsgemäß zu berechnen und abzuführen. Die Uneinbringlichkeit der eingeforderten Abgabennachforderungen bei der M-GmbH steht ebenfalls außer Streit. In einem solchen Fall ist es Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertreters (Geschäftsführers) angenommen werden darf (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Mai 1989, 89/14/0044).

Da es somit im Beschwerdefall entscheidungswesentlich auf die schuldhafte Pflichtverletzung in Bezug auf die Nichtentrichtung der strittigen Selbstbemessungsabgaben zu ihren Fälligkeitszeitpunkten ankam, können die in der Beschwerde wiederum vorgebrachten Argumente, der Beschwerdeführer habe den Betrieb nicht in den Konkurs geführt, er habe einen liquiden Betrieb ohne offene Steuerschulden übergeben und die faktische Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen sei auf das Verhalten des Übernehmers zurückzuführen, dahingestellt bleiben (vgl. dazu etwa auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. November 1991, 90/15/0176). Es kommt auch nicht darauf an, ob dem Beschwerdeführer zur Nichtentrichtung der im Haftungsbescheid vorgeschriebenen Abgaben eine - mutwillige - Abgabenhinterziehung oder "auffällige Sorglosigkeit" vorzuwerfen ist. Zur Haftungsinanspruchnahme genügt der Vorwurf bloßen - vom Geschäftsführer zu widerlegendem - Verschuldens, sohin auch leichte Fahrlässigkeit (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1995, 91/13/0037, 0038). Dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Unternehmensübergabe allenfalls eine unrichtige Abgabenbemessung zu verantworten habe bzw. "aus diesem Fehler" eine rechtlich zulässig entstandene Abgabennachforderung resultiert sei, räumt der Beschwerdeführer in der Beschwerde ohnedies auch ein. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind im Übrigen in der dem zur Haftung Herangezogenen durch § 248 BAO ermöglichten Berufung gegen die entsprechenden Abgabenbescheide geltend zu machen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Jänner 2000, 97/15/0191).

Damit kann aber insgesamt nicht erkannt werden, dass die gegenständliche Haftungsinanspruchnahme zu Unrecht erfolgt wäre. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. Oktober 2000

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