VwGH 94/18/0396

VwGH94/18/039618.1.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des am 15. Februar 1966 geborenen S T in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1070 Wien,

Neubaugasse 12-14/20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 16. Mai 1994, Zl. UVS-06/06/00538/93, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §15 Abs1;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
GrKontrG 1969 §10 Abs1;
GrKontrG 1969 §15 Abs1 litb;
VStG §44a Z1;
FrG 1993 §15 Abs1;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
GrKontrG 1969 §10 Abs1;
GrKontrG 1969 §15 Abs1 litb;
VStG §44a Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 21. Oktober 1993 wurde der Beschwerdeführer 1. wegen Übertretung des § 15 Abs. 1 lit. b iVm § 10 Abs. 1 Grenzkontrollgesetz mit einer Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe vier Tage) und 2. wegen Übertretung des § 82 Abs. 1 Z. 4 iVm § 15 Abs. 1 Fremdengesetz mit einer Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage) belegt. Die dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretungen wurden wie folgt umschrieben: "Der Beschuldigte ist (ad 1.) am 6. September 1993 unter Entziehung der Grenzkontrolle in einem LKW versteckt nach Österreich eingereist und hat sich (ad 2.) bis zum 8. September 1993 (stellte an diesem Tag einen Asylantrag) ohne Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet aufgehalten."

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. Mai 1994 gab der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) der Berufung gegen Spruchpunkt 2 des vorgenannten Straferkenntnisses keine Folge. (Hinsichtlich des Spruchpunktes 1 war die Angelegenheit dem Unabhängigen Verwaltungssenat Burgenland gemäß § 6 AVG abgetreten worden.)

2. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem "Recht auf Nichtbestrafung" nach dem Fremdengesetz verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt, den Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten unter Verzicht auf Erstattung einer Gegenschrift vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 15). Gemäß der letztgenannten Bestimmung halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Teiles und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind (Z. 1), oder wenn ihnen eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt wurde (Z. 2), oder solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 zukommt (Z. 3).

2. Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, unter anderem die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Diese muss also im Spruch so eindeutig umschrieben sein, dass kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist. Dabei ist die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Juni 1984, Slg. Nr. 11.466/A).

Eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes nach § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG kommt rechtens nur in Betracht, wenn keine der in § 15 Abs. 1 (Z. 1 bis 3) leg. cit. angeführten Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthaltes gegeben ist. Im hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1998, Zl. 96/21/0507, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass die Annahme einer Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes des Beschwerdeführers aus der Verneinung bloß eines Teiles der im § 15 Abs. 1 FrG genannten drei alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes mit dem Gesetz nicht im Einklang steht. Zur näheren Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das zitierte Erkenntnis verwiesen.

Die belangte Behörde hat Spruchpunkt 1 des Straferkenntnisses vom 21. Oktober 1993 an den UVS Burgenland abgetreten. Dadurch, dass sie der Berufung gegen Spruchpunkt 2 dieses Straferkenntnisses nicht Folge gab, hat sie einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid in diesem Punkt inhaltlich übereinstimmenden Bescheid erlassen. Die Umschreibung der Tat im Spruch reduzierte sich demnach darauf, dass sich der Beschwerdeführer " bis zum 8. 9. 1993 ohne Aufenthaltsberechtigung" im Bundesgebiet aufgehalten habe.

Diese Umschreibung des Tatvorwurfes ist unvollständig, weil zum einen nicht alle Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet verneint werden und zum anderen der Deliktszeitraum hinsichtlich des Beginnes nicht konkretisiert ist. Der Spruch verstößt daher gegen § 44a Z. 1 VStG. Da die belangte Behörde dies nicht erkannte und keine entsprechenden Konsequenzen daraus zog, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das Beschwerdevorbringen einzugehen war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Vorlage des angefochtenen Bescheides in einfacher Ausfertigung ausreichend gewesen wäre.

Wien, am 18. Jänner 2000

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