Normen
EStG 1988 §16 Abs1;
EStG 1988 §20 Abs1 Z2;
EStG 1988 §35;
EStG 1988 §16 Abs1;
EStG 1988 §20 Abs1 Z2;
EStG 1988 §35;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 15.000 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde für den Beschwerdeführer, einen Speditionskaufmann, im Instanzenzug die Arbeitnehmerveranlagung für 1996 durchgeführt und dabei eine Gutschrift von 6.300 S festgesetzt.
In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im Jahr 1996 bei der S-AG und der H-GmbH als Dienstnehmer gearbeitet. Er habe in diesem Jahr auch den Grundwehrdienst geleistet.
In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Veranlagungsbescheid habe er u.a. eingewendet, die mit dem Bescheid erfassten Bezüge der S-AG stimmten nicht mit den ihm ausgehändigten (Monats-)Lohnzetteln überein. Auf Vorhalt der belangten Behörde habe er vorgebracht, er könne nach Überprüfung seiner Kontoeingänge nicht nachvollziehen, dass es sich bei der Differenz um eine Lohnnachzahlung gehandelt habe. Die vom Finanzamt angesetzten Bezüge ergäben sich, wie dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers entgegenzuhalten sei, aus den ihm ordnungsgemäß gemäß § 84 Abs. 1 EStG 1988 vom Arbeitgeber übermittelten Daten. Es bestünden keine Zweifel an der Richtigkeit der vom Arbeitgeber bekannt gegebenen Beträge.
Der Beschwerdeführer habe durch die Vorlage eines Bescheides der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 12. Oktober 1998 die pauschale Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen wegen Behinderung beantragt. Der vorgelegte Bescheid zeige aber eine Minderung der Erwerbsfähigkeit lediglich für zwei kurze Zeiträume des Jahres 1996, jeweils nach einem Unfall, auf. Bei einer nur zeitlich begrenzten Arbeitsunfähigkeit seien die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 nicht gegeben.
Der Beschwerdeführer habe sich auch dagegen gewendet, dass von ihm geltend gemachte Aufwendungen (von 11.000 S) für Arbeitskleidung nicht als Werbungskosten anerkannt worden seien. Mit einem Vorhalt sei er darüber befragt worden, um welche Kleidung es sich gehandelt habe. In der Vorhaltsbeantwortung habe er sodann vorgebracht, es habe sich um einen für die Arbeit benötigten Anzug gehandelt. Nach Ansicht der belangten Behörde könnten keine Werbungskosten anerkannt werden, weil Aufwendungen für bürgerliche Kleidung zu den Kosten der Lebensführung gehörten, und zwar auch dann, wenn die Kleidung tatsächlich nur während der Arbeitszeit getragen werde und deren Verwendung im Interesse des Arbeitgebers liege.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt vor, das Finanzamt habe bei der Arbeitnehmerveranlagung seine Bezüge von der S-AG mit 117.179 S angenommen. Er habe in der Berufung darauf verwiesen, dass sich aus den (Monats-)Lohnzetteln Bruttobezüge von lediglich 115.446,05 S ergäben, und die entsprechenden (Monats-)Lohnzettel vorgelegt. Das Finanzamt habe die Berufung mit Berufungsvorentscheidung abgewiesen und dabei bekannt gegeben, dass es Rücksprache mit der S-AG gehalten und dabei ermittelt habe, dass er im Februar 1996 eine Nachzahlung von 1.733,67 S erhalten habe. Er habe im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz eingewendet, eine Nachzahlung von 1.733,6 S nicht erhalten zu haben. Im Hinblick auf diese Einwendung hätte die belangte Behörde nicht von den ihr vorliegenden Daten des Arbeitgebers ausgehen, sondern von diesem den Nachweis der Auszahlung des strittigen Betrages einholen müssen. Der Beschwerdeführer habe weiters in seiner Berufung darauf hingewiesen, dass die einbehaltene Lohnsteuer nach den (Monats-)Lohnzetteln 7.839,70 S betragen habe, das Finanzamt aber zu Unrecht nur von einem Betrag von 7.764,30 S ausgegangen sei. Die belangte Behörde habe mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung abgewiesen, sei auf die Einwendungen gegen die Höhe der einbehaltenen Lohnsteuer aber gar nicht eingegangen.
In welchem Ausmaß im Streitjahr Bezüge von der S-AG an den Beschwerdeführer gezahlt worden sind, ist eine Sachverhaltsfeststellung, die die belangte Behörde gemäß § 167 Abs. 2 BAO in freier Beweiswürdigung zu treffen hatte. Die Beweiswürdigung unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle insoweit, als es sich um die Beurteilung handelt, ob in ausreichendem Ausmaß Ermittlungen gepflogen worden sind und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. September 1998, 96/15/0257).
Der Beschwerdeführer hat in der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für 1996 die Dauer der Beschäftigung bei der S-AG mit 1. bis 18. Jänner und 29. Juli bis 31. Dezember 1996 angegeben. Er hat sechs Monatsbezugszettel (jeweils zum Ultimo des Jänner, August, September, Oktober, November und Dezember) vorgelegt. Aufgrund des Berufungsvorbringens hat das Finanzamt bei der S-AG angefragt und die Auskunft erhalten, dass der Beschwerdeführer im Februar 1996 eine Nachzahlung von 1.733,67 S erhalten habe. Nachdem auf diesen Umstand in der Berufungsvorentscheidung hingewiesen worden ist, hat der Beschwerdeführer im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vorgebracht, er habe bereits am 29. Jänner 1996 seinen Präsenzdienst angetreten, "und daher von der (S-AG) keine Bezüge mehr erhalten". Erst als ihm vorgehalten worden sei, es liege im Wesen von Nachzahlungen, für vergangene Zeiten geleistet zu werden, hat er vorgebracht, er müsse nach Überprüfung seiner Kontoauszüge feststellen, dass er "eine Nachzahlung nicht nachvollziehen kann", ohne aber etwa die Vorlage der Kontoauszüge (für Feber 1996) anzubieten. Wenn die belangte Behörde bei dieser Sachlage im Hinblick darauf, dass die S-AG als bezugsauszahlenden Stelle dem Finanzamt Daten gemäß § 84 Abs. 1 EStG 1988 übermittelt hat, davon ausgegangen ist, diese übermittelten Daten entsprächen den tatsächlichen Gegebenheiten, so hält die Beweiswürdigung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle stand.
Mit dem Vorbringen betreffend die einbehaltene Lohnsteuer zeigt der Beschwerdeführer allerdings einen relevanten Verfahrensfehler auf. Auf den vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgelegten Monatsbezugszetteln ist "LSt. lfd" in Höhe von insgesamt 7.839,70 S ausgewiesen, während das Finanzamt und ihm folgend die belangte Behörde von einer einbehaltenen und einer anrechenbaren Lohnsteuer von jeweils 7.764,30 S ausgegangen ist. Auf das diesen Umstand betreffende Berufungsvorbringen ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht eingegangen. Solcherart hat sie ihrer Verpflichtung zur Begründung ihrer Entscheidung nicht entsprochen. Aus der Begründung muss sich nämlich, wie der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom 28. Mai 1997, 94/13/0200, zum Ausdruck gebracht hat, ergeben, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, dass gerade der festgestellte und nicht ein anderer Sachverhalt vorliege. Dabei hat sich die Behörde auch mit dem Vorbringen der Partei auseinander zu setzen.
Zur Frage der Berücksichtigung der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen bringt der Beschwerdeführer vor, er habe im Verwaltungsverfahren darauf hingewiesen, dass das Verfahren betreffend die Feststellung seiner Erwerbsminderung noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei. Es sei nämlich beim Verwaltungsgerichtshof unter der Zahl 98/09/0350 eine Beschwerde gegen den Bescheid des "Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales" anhängig. Die belangte Behörde hätte die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes abwarten oder den Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zumindest aliquot für jene Zeiträume gewähren müssen, für welche die Minderung der Erwerbsfähigkeit festgestellt sei.
Mit dem vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales wurde eine Berufung gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen Oberösterreich abgewiesen. Aus dem vorgelegten Bescheid ergibt sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 21 Heeresversorgungsgesetz, BGBl. 27/1994, von 100% für den Zeitraum vom 23. bis 25. Februar 1996, von 30% für den Zeitraum vom 26. Februar bis zum 14. März 1996, von 100% für den Zeitraum vom
4. bis zum 6. Juni 1996 und von 40% für den Zeitraum vom 7. Juni bis zum 18. Juni 1996. Da die Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht über drei Monate hinaus mehr als 25% betragen habe, bestehe - so wird in der Begründung jenes Bescheides ausgeführt - kein Anspruch auf eine Beschädigtenrente.
Der mit "Behinderte" überschriebene § 35 EStG 1988 sieht einen Freibetrag für den Falle einer körperlichen oder geistigen Behinderung vor. Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Das Gesetz gibt den Freibetrag als Jahresbetrag an. In § 35 Abs. 2 wird festgelegt, dass die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit durch bestimmt bezeichnete amtliche Bescheinigungen zu erbringen ist.
§ 35 EStG 1988 stellt nicht auf eine vorübergehende, tageweise Minderung der Erwerbsfähigkeit (beim Beschwerdeführer etwa wegen Prellungen oder einer Rissquetschwunde), sondern auf einen für einen längeren Zeitraum bestehenden Zustand ab, und sieht hiefür einen Jahresfreibetrag vor. Nach der Verkehrsauffassung ist unter einer körperlichen oder geistigen "Behinderung" nämlich nur eine längerfristige Einschränkung zu verstehen. Es ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde im Hinblick auf die beim Beschwerdeführer bloß für einen kurzen Zeitraum festgestellte Minderung der Erwerbsfähigkeit einen Jahresfreibetrag iSd § 35 Abs. 3 EStG 1988 auch nicht anteilig zum Ansatz gebracht hat.
Die belangte Behörde war auch nicht gehalten, mit ihrer Entscheidung abzuwarten, bis der Verwaltungsgerichtshof über eine gegen den Bescheid der Schiedskommission eingebrachte Beschwerde entschieden hat. Die Abgabenbehörde hat ihrer Entscheidung die jeweils vorliegende amtliche Bescheinigung
iSd § 35 Abs. 2 EStG 1988 zugrunde zu legen. Auf die verfahrensrechtliche Vorgangsweise bei einer allfälligen nachträglichen Änderung der Bescheinigung (siehe hiezu etwa Ritz, BAO-Kommentar, § 116 Tz 13) braucht im gegebenen Zusammenhang nicht eingegangen zu werden.
Hinsichtlich der als Werbungskosten für Arbeitskleidung geltend gemachten Aufwendungen von 11.000 S für einen Anzug wird in der Beschwerde vorgebracht, der "Arbeitsanzug" sei mit einem Namensschild und einem Firmenemblem versehen und könne daher nicht privat verwendet werden. Der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren vorgebracht, dass er den Anzug ausschließlich zu Berufszwecken verwende. Die belangte Behörde hätte in ihrer Begründung darlegen müssen, aus welchen Gründen im Beschwerdefall keine Arbeitskleidung vorliege.
Die Ansicht der belangten Behörde, Aufwendungen für bürgerliche Kleidung zählten auch dann zu den nichtabzugsfähigen Kosten der Lebensführung, wenn die Kleidung tatsächlich nur in der Arbeitszeit getragen wird, entspricht dem Gesetz (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. September 1990, 89/14/0277). Steuerliche Berücksichtigung können nur Aufwendungen für typische Berufskleidung finden, also für solche Kleidung, die sich nicht für die Nutzung im Rahmen der privaten Lebensführung eignet. Zu Recht ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass mit der Bezeichnung "Anzug" in keiner Weise dargetan ist, es liege typische Berufskleidung vor. Das Vorbringen betreffend das Namensschild und das Firmenemblem ist eine für das verwaltungsgerichtliche Verfahren unbeachtliche Neuerung; es kann daher dahingestellt bleiben, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen bei bürgerlicher Kleidung durch ein Schild bzw. Emblem tatsächlich dauerhaft eine Nutzbarkeit im Rahmen der privaten Lebensführung auszuschließen ist.
Der Bescheid ist allerdings, wie sich aus dem oben Stehenden ergibt, wegen der Feststellungen über die anrechenbare Lohnsteuer mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994.
Wien, am 21. Dezember 1999
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