VwGH 99/05/0055

VwGH99/05/005531.8.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Christine Neuhuber in Wien, vertreten durch Dr. Peter Hallas, Rechtsanwalt in Mödling, Brühler Straße 75/C/5, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. Juli 1996, Zl. R/1-V-96015/00, betreffend einen baupolizeilichen Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Himberg, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §15;
AVG §47;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §111 Abs1;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1;
BauRallg;
ZPO §292 Abs2;
AVG §15;
AVG §47;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §111 Abs1;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1;
BauRallg;
ZPO §292 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Marktgemeinde hat am 17. August 1994 in Himberg-Velm, Kienersee I, Parzelle Nr. 362/1 in EZ 295, auf dem Baulos 73, das im Miteigentum der Beschwerdeführerin steht, eine Überprüfungsverhandlung durchgeführt, zu der die Beschwerdeführerin geladen worden war. Im Zuge dieses Lokalaugenscheines wurde im Beisein der Beschwerdeführerin u.a. festgestellt, dass auf der genannten Liegenschaft ein Zubau, der bis ca. 0,40 m zur Straßengrundgrenze ragt, im vorderen Bauwich ohne baubehördliche Bewilligung errichtet wurde.

Den in der Verhandlung vom 17. August 1994 getroffenen Feststellungen, wonach u.a. im vorderen Bauwich ein unbewilligter Zubau vorhanden sei, ist die Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten.

Die Beschwerdeführerin wurde darauf aufmerksam gemacht, dass für die planlichen Änderungen nachträglich um Baubewilligung anzusuchen sei, im Zuge der Neueinreichung sei zu prüfen, ob kein Widerspruch zu den Bebauungsvorschriften vorliege.

Mit Bescheid vom 1. September 1994 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde der Beschwerdeführerin den Auftrag, den im vorderen Bauwich errichteten Zubau, der bis zu ca. 0,40 m zur Straßengrundgrenze ragt und ohne baubehördliche Bewilligung errichtet wurde, bis zum 1. März 1995 zu entfernen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 13. Dezember 1995 abgewiesen. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 2. Juli 1996 keine Folge. Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 1. Dezember 1998, B 2704/96-13, abgelehnt. Mit einem weiteren Beschluss vom 9. März 1999 hat der Verfassungsgerichtshof die Angelegenheit über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, auch die mitbeteiligte Gemeinde hat die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 113 Abs. 2 Z. 3 lit. a Nö. Bauordnung 1976, LGBl. 8200-13, hat die Baubehörde den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn für das Bauwerk keine baubehördliche Bewilligung vorliegt und die fehlende Baubewilligung nicht erteilt werden darf, weil das Bauvorhaben nicht zulässig ist.

Die Beschwerdeführerin wiederholt ihre schon in der Berufung und gegenüber der Vorstellungsbehörde vorgetragenen Behauptungen, mit dem Benützungsbewilligungsbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde seien die vom Abbruchauftrag umfassten Baumaßnahmen mitbewilligt worden. Die von der Beschwerdeführerin zitierten Daten finden im vorgelegten Akt keine Deckung, so wurde die Baubewilligung für das Badehaus mit Bescheid vom 29. Juni 1972 erteilt, die Benützungsbewilligung jedoch mit Bescheid vom 27. August 1976 auf Grund der am 26. August 1976 durchgeführten Augenscheinsverhandlung, und nicht, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, mit einem Bescheid vom 26. August 1976 auf Grund einer am 27. August 1976 durchgeführten Verhandlung.

Eine Benützungsbewilligung gemäß § 111 BO, deren Gegenstand und Inhalt ausschließlich die Erlaubnis zur Benützung des Bauwerkes bildet, kann den Baukonsens nicht abändern oder ersetzen. Erteilt die Baubehörde aber unter dem Titel der "Benützungsbewilligung" offensichtlich eine Bewilligung für Abweichungen vom Baukonsens oder erweitert sie diesen, so weist eine solche Benützungsbewilligung, und zwar auch ohne dass dies in ihrer Form zum Ausdruck kommen muss, Merkmale einer Baubewilligung auf (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. April 1996, Zl. 95/05/0320). In der Niederschrift der Baubehörde erster Instanz vom 26. August 1976 über das Ansuchen um Erteilung der Benützungsbewilligung für das mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 29. Juni 1972 bewilligte Bauvorhaben ist festgehalten, dass das "genehmigte Badehaus im Wesentlichen plan-, beschreibungs- und bauordnungsgemäß errichtet wurde". An geringfügigen Planabweichungen seien Dusche und WC in einem Raum untergebracht worden, der Abstellraum sei verkleinert worden. Hinweise dahingehend, dass straßenseitig ein Zubau vorhanden sei, sind dieser Niederschrift nicht zu entnehmen. Diese Niederschrift stellt eine öffentliche Urkunde dar, die gemäß § 47 AVG über ihren Inhalt vollen Beweis macht. Zwar ist der Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges oder der bezeugten Tatsache oder der unrichtigen Beurkundung ebenso zulässig wie der Beweis der Unvollständigkeit derselben, bloß auf Mutmaßungen gegründete Zweifel an der Vollständigkeit der Protokollierung genügen jedoch für den Gegenbeweis nicht. Die Beweislast für die behauptete Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges in der Niederschrift trifft den, der diese Unrichtigkeit behauptet. Er hat konkrete Gründe zur Entkräftung der Beweiskraft der Niederschrift vorzubringen (vgl. hiezu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 348, zu § 47 AVG referierte Rechtsprechung). Diesen Anforderungen wurde das Vorbringen der Beschwerdeführerin weder vor den Verwaltungsbehörden noch vor dem Verwaltungsgerichtshof gerecht. Es ist daher auf Grund der Benützungsbewilligung vom 27. August 1976, deren Bestandteil die Niederschrift bildet, davon auszugehen, dass für die vom Abbruchsauftrag betroffenen durchgeführten baulichen Maßnahmen mit der Benützungsbewilligung keine Baubewilligung erteilt wurde.

Die Beschwerdeführerin meint, dass die derzeit in Kraft stehenden Bebauungsvorschriften für das gegenständliche Grundstück nicht anzuwenden seien, weil die hier betroffenen Baumaßnahmen bereits vor dem Jahr 1977 ausgeführt worden seien. Im vorliegenden Fall müsste die Übergangsvorschrift des § 120 der Nö. Bauordnung 1976 angewendet werden.

Damit verkennt die Beschwerdeführerin jedoch, dass hinsichtlich der Frage, ob eine Baubewilligung erteilt werden kann, von der jetzigen Rechtslage auszugehen ist.

Die Übergangsbestimmung des § 120 BO findet nur dann Anwendung, wenn keine entsprechende Regelung eines im Regime der BO erlassenen Bebauungsplanes oder eines vereinfachten Bebauungsplanes i. S. des § 120 Abs. 1 BO vorliegt. Es steht fest und wird auch von der Beschwerdeführerin nicht angezweifelt, dass bezüglich ihres Grundstückes am 23. Februar 1984 Bebauungsvorschriften vom Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde erlassen worden sind, welche einer baubehördlichen Bewilligung der hier zu beurteilenden baulichen Maßnahmen im Sinne des § 113 Abs. 2 Z. 3 lit. a BO entgegenstehen. Diese Bebauungsvorschriften sind ein Bebauungsplan im Sinne der §§ 3 ff BO. Für die Anwendung der Übergangsbestimmungen des § 120 BO bleibt sohin im vorliegenden Fall kein Raum (vgl. das zu einem anderen Los der gegenständlichen EZ ergangene hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Zl. 97/05/0027). Die Beschwerdeführerin zieht in ihren Beschwerdeausführungen nicht in Zweifel, dass die vom Abbruch betroffenen Gebäude (-teile) den hier anzuwendenden Bebauungsvorschriften widersprechen. Aus den von der mitbeteiligten Gemeinde vorgelegten Beweismitteln ergibt sich, dass keine Bedenken gegen die ordnungsgemäße Erlassung des anzuwendenden Bebauungsplanes bestehen. Die gegenteiligen Behauptungen der Beschwerdeführerin sind nicht stichhältig begründet.

Warum die Bebauungsvorschriften dem Gleichheitsgebot widersprechen sollen, ist auch für den Verwaltungsgerichtshof auf Grund der diesbezüglich vorliegenden Urkunden nicht erkennbar. Insgesamt erweist sich somit die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Mit der Erledigung dieser Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.

Wien, am 31. August 1999

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