Normen
AVG §67a Abs1 Z2;
AVG §67c Abs1;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
FrG 1997 §56 Abs1;
AVG §67a Abs1 Z2;
AVG §67c Abs1;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
FrG 1997 §56 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid vom 10. Dezember 1998 (hg. Zl. 99/02/0021) wird, soweit mit ihm die Beschwerde wegen Anhaltung in Schubhaft zurückgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, soweit mit ihm die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid zurückgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten. Der weitere angefochtene Bescheid vom 11. Dezember 1998 (hg. Zl. 99/02/0022) wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von (insgesamt) S 25.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Der Beschwerdeführer - nach seinen Angaben ein Kosovo-Albaner - überschritt gemeinsam mit anderen unter Zuhilfenahme von Schleppern am 4. August 1998 gegen 04.30 Uhr illegal die Staatsgrenze von der Slowakei nach Österreich, indem er mit einem Schlauchboot die March überquerte. Er wurde in der Folge gegen 14.00 Uhr desselben Tages im Gemeindegebiet von Angern aufgegriffen.
In einer mit 5. August 1998 datierten (Beginn: 00.00 Uhr) Niederschrift erklärte der Beschwerdeführer, er wolle in Österreich um Asyl ansuchen.
1.2. Mit einem - gleichfalls mit 5. August 1998 datierten Bescheid - wurde über den Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt von dessen Durchsetzbarkeit und zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Dieser Bescheid ist nach seinem Spruch sogleich vollstreckbar.
1.3. Die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf verhängte mit einem mit 5. August 1998 datierten Bescheid hierauf ein Aufenthaltsverbot bis zum 3. August 2003 über den Beschwerdeführer.
1.4. In der Folge wurde versucht, den Beschwerdeführer - nach seinen Behauptungen beim Grenzübergang Marchegg - am 5. August 1998 außer Landes zu schaffen. Dies unterblieb jedoch nach den Feststellungen der belangten Behörde in dem dem hg. Verfahren Zl. 99/02/0022 zu Grunde liegenden bekämpften Bescheid auf Grund der Tatsache, dass die Rückübernahme des Beschwerdeführers durch slowakische Grenzorgane verweigert wurde.
1.5. Mit dem im hg. Verfahren Zl. 99/02/0021 bekämpften Bescheid der belangten Behörde vom 10. Dezember 1998 wies diese die Beschwerde, mit der sich der Beschwerdeführer gegen die (Anhaltung in) Schubhaft wandte, als verspätet eingebracht zurück.
1.6. Mit dem weiteren angefochtenen Bescheid vom 11. Dezember 1998 wies die belangte Behörde die als Maßnahmenbeschwerde gemäß §§ 67a Abs. 1 Z. 2, 67c AVG bezeichnete Beschwerde des Beschwerdeführers mangels (richtig) Beschwer zurück.
1.7. Der Beschwerdeführer bekämpft beide erwähnte Bescheide vor dem Verwaltungsgerichtshof jeweils wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:
2.1. Zum Bescheid vom 10. Dezember 1998 (hg. Zl. 99/02/0021):
2.1.1. Die belangte Behörde hat die Zurückweisung der an sie gerichteten Beschwerde wegen Verspätung damit begründet, dass der Bescheid über die Anhaltung in Schubhaft am 4. August 1998 zugestellt worden sei; die Beschwerdefrist habe sohin am 15. September 1998 geendet. Die am 16. September 1998 zur Post gegebene Beschwerde sowie die am 17. September 1998 per Telekopie dem UVS Niederösterreich übermittelte Beschwerdeschrift seien daher verspätet.
2.1.2. Die belangte Behörde hat dabei verkannt, dass sich die an sie gerichtete Beschwerde auch gegen die Anhaltung in Schubhaft gewandt hat. Gemäß § 72 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75/1997, hat der, der gemäß § 63 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen. Derartige Beschwerden im Sinne des § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG sind gemäß § 67c Abs. 1 AVG innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat, sofern er aber durch sie behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, ab dem Wegfall dieser Behinderung einzubringen.
Der Beschwerdeführer befand sich unbestritten am 5. August 1998 (noch) in Schubhaft. Die am 16. September 1998 zur Post gegebene Beschwerde hätte daher - soweit sie sich auf die Anhaltung in Schubhaft bezog - nicht wegen Verspätung zurückgewiesen werden dürfen. Die belangte Behörde hat insofern den bekämpften Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er in dem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
2.1.3. Der Beschwerdeführer hat mit der an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde aber erkennbar auch noch den Schubhaftbescheid (als solchen) bekämpft. Insoweit verweist er zutreffend vor dem Gerichtshof darauf, dass ihm im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat keine Gelegenheit gegeben worden sei, zur von der belangten Behörde aufgegriffenen Verspätung der Beschwerde Stellung zu nehmen. (Der Beschwerdeführer geht mit seinem Vorbringen selbst nicht davon aus, dass er etwa durch die Anhaltung in der Schubhaft und daher durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gehindert war, von seinem Beschwerderecht - rechtzeitig - Gebrauch zu machen, so dass der Verwaltungsgerichtshof diese Frage nicht zu prüfen hatte.) Der Beschwerdeführer hat zwar in seiner an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde angegeben, dass ihm der Bescheid vom 5. August 1998 bereits am 4. August 1998 um 23.50 Uhr zugestellt worden sei. Er hat aber weiters (Pkt. 6 seines Vorbringens) ausgeführt, dass der zeitliche Konnex dem fremdenpolizeilichen Akt nicht entnommen werden könne; es sei nicht nachvollziehbar, wie ein Schubhaftbescheid vom 5. August 1998 bereits am 4. August 1998 um 23.50 Uhr hätte übernommen werden können, wenn die belangte Behörde nach der von ihr aufgenommenen Niederschrift am 5. August 1998 um 00.00 Uhr mit der Amtshandlung begonnen habe.
Der Beschwerdeführer hat damit hinreichend dargelegt, dass er das Zustellungsdatum 4. August 1998 für unzutreffend oder doch für aufklärungsbedürftig ansieht. Die belangte Behörde hat dem nur entgegengehalten, dass es sich bei der Datierung des Schubhaftbescheides mit 5. August 1998 zweifelsfrei um einen Schreibfehler handle.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag dem so nicht zu folgen. Die belangte Behörde übersieht nämlich - worauf der Beschwerdeführer zutreffend hinweist - dass auch die Niederschrift über die Vernehmung des Beschwerdeführers mit 5. August 1998 (Beginn: 00.00 Uhr) datiert ist. Desgleichen weist auch der weitere oben angeführte Bescheid über das Aufenthaltsverbot das Datum 5. August 1998 auf; nach dem Akteninhalt wurde dieser Bescheid dem Beschwerdeführer am 5. August 1998 um 00.40 Uhr zugestellt.
Wenn auch die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Erlassung des beabsichtigten Aufenthaltsverbotes zulässig ist, so wäre es im Hinblick auf die aufgezeigten Umstände doch Sache der belangten Behörde gewesen, das genaue Zustelldatum des Bescheides über die Anhaltung in Schubhaft aufzuklären, jedenfalls aber dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Äußerung einzuräumen.
Da der Beschwerdeführer vor dem Gerichtshof vorbringt, im Falle eines entsprechenden Vorhaltes hätte er dargelegt, die Zustellung des verfahrensgegenständlichen Bescheides sei erst am 5. August 1998 erfolgt (die dagegen erhobene Beschwerde somit rechtzeitig), kann dem Verfahrensmangel auch die Relevanz nicht abgesprochen werden.
Der angefochtene Bescheid vom 10. Dezember 1998 war daher - soweit mit ihm über die gegen den Schubhaftbescheid gerichtete Beschwerde abgesprochen wurde - wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Auf die Frage des Zutreffens des Ausspruches über den Kostenersatz im bekämpften Bescheid war infolgedessen nicht weiter einzugehen.
2.2. Zum Bescheid vom 11. Dezember 1998 (hg. Zl. 99/02/0022):
2.2.1. Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid, mit dem sie die Beschwerde des Beschwerdeführers mangels Beschwer als unzulässig zurückwies, damit, dass unter "Abschiebung" eine verwaltungsbehördliche Maßnahme zu verstehen sei, die dazu diene, einen Fremden, gegen den ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar sei, zur Ausreise zu verhalten, bzw. die Ausreise eines solchen Fremden auch tatsächlich zu bewirken. "Begrifflich" könne von einer Abschiebung also nur dann die Rede sein, wenn der Fremde tatsächlich und auf Dauer das Bundesgebiet verlassen habe; das tatsächliche und dauerhafte Verlassen des Bundesgebietes bilde sohin ein wesentliches Element, damit überhaupt von einer Abschiebung als einem anfechtbaren Verwaltungsakt die Rede sein könne. Im vorliegenden Fall sei der Beschwerdeführer zwar zur Bundesgrenze verbracht worden, es sei jedoch nicht "zu einer dauerhaften Ausreise des Fremden" gekommen. Eine Abschiebung im Sinne des § 56 FrG 1997 liege somit nicht vor. Der Beschwerdeführer sei daher auch durch das verwaltungsbehördliche Handeln nicht beschwert, weshalb es ihm an einem wesentlichen Element der sachlichen Beschwerdelegitimation mangle.
2.2.2. Es trifft zu, dass die Abschiebung - im Beschwerdefall käme allenfalls auch eine Zurückschiebung in Betracht - erst mit der dauernden Außerlandesschaffung des Fremden abgeschlossen ist. Nach § 56 Abs. 1 FrG 1997 können nämlich Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar ist, von der Behörde zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn (erstens) die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint oder (zweitens) sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind oder (drittens) auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen oder (viertens) sie dem Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind. Die belangte Behörde übersieht jedoch, dass Gegenstand der an sie gerichteten Beschwerde ausdrücklich die (unbestrittene) versuchte Abschiebung des Beschwerdeführers von seinem Aufenthaltsort in den Räumlichkeiten des GÜP Marchegg über die slowakische Grenze war und sich gegen die damit verbundene Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt richtete.
Damit kann aber nicht von vornherein eine Beschwer ausgeschlossen werden, die den Beschwerdeführer zur Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde betreffend die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt während oder durch die versuchte Abschiebung berechtigt.
Da die belangte Behörde ihren Bescheid ausschließlich - wie erwähnt - auf das Fehlen einer Beschwer infolge Nichtdurchführung der Abschiebung stützte, war daher dieser Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Auf die Frage, ob eine Maßnahmenbeschwerde wegen - behaupteter - Unzulässigkeit der Abschiebung eines Asylwerbers überhaupt zulässig ist, brauchte dabei nicht eingegangen zu werden.
3.0. Die Kostenentscheidung in beiden Verfahren gründet sich jeweils auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. Juli 1999
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