Normen
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Am 25. September 1995 erstattete das Arbeitsinspektorat für den
14. Aufsichtsbezirk Anzeige gegen den Mitbeteiligten als den gemäß § 9 VStG strafrechtlich Verantwortlichen für die Firma AGS Gebäude Service GesmbH, und beantragte die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 26 bis § 29a VStG in Verbindung mit § 28 AuslBG mit der Begründung, bei einer Kontrolle durch zwei namentlich genannte Organe des Arbeitsinspektorates sei am 14. September 1995 eine ebenfalls namentlich genannte serbische Staatsangehörige bei der Arbeit als Reinigungskraft im 2. Stock des Kaufhauses Sillpark angetroffen worden. Nach einer Auskunft des Vorarbeiters T. J. habe die Ausländerin nur ihrem Gatten, der bei der Firma AGS Gebäude Service GesmbH beschäftigt sei, geholfen. Dieser Firma sei für die in Rede stehende Ausländerin keine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden, diese selbst verfüge auch weder über Arbeitserlaubnis noch Befreiungsschein. Über schriftliche Aufforderung zur Rechtfertigung teilte der Mitbeteiligte mit Schreiben vom 29. Dezember 1995 mit, die in der Anzeige angeführte Ausländerin sei im Unternehmen des Mitbeteiligten nicht als Reinigungskraft beschäftigt worden und diesem Unternehmen auch nicht bekannt. Daher könne es auch nicht sein, dass sie am 14. September 1995 im Kaufhaus Sillpark für die AGS Gebäudeservice GesmbH Reinigungsarbeiten durchgeführt habe. Im Kaufhaus Sillpark gebe es viele verschiedene Geschäfte und somit auch sehr viele verschiedene Reinigungskräfte. Auch andere Reinigungsfirmen hätten dort Aufträge auszuführen. Möglicherweise sei die genannte Ausländerin für ein einzelnes Geschäft oder auch für ein anderes Reinigungsunternehmen als Reinigungskraft tätig gewesen. Von dem vom Mitbeteiligten vertretenen Unternehmen sei an die Ausländerin jedenfalls nie ein Auftrag für Reinigungsarbeiten erteilt worden, sie sei bei diesem Unternehmen weder gemeldet noch beschäftigt gewesen und habe auch nie irgendeine Art der Entlohnung erhalten.
Die Behörde erster Instanz führte ein Ermittlungsverfahren durch, in dem sie die genannte Ausländerin sowie die zwei bei deren Betretung anwesenden Organe des Arbeitsinspektorates als Zeugen vernahm, nicht aber jenen Vorarbeiter, dessen Angaben von den Organen des Arbeitsinspektorates lediglich in der Anzeige wiedergegeben worden war.
Mit Bescheid vom 27. November 1996 stellte der Stadtmagistrat Innsbruck das gegen den Mitbeteiligten wegen des Verdachtes der Übertretung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG ein, weil der Nachweis der im Sinne der Anlastung erfolgten unbefugten Beschäftigung im Verfahren nicht habe erbracht werden können.
Gegen diesen Bescheid erhob das Arbeitsinspektorat für den
14. Aufsichtsbezirk fristgerecht Berufung mit dem Antrag, in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides der Berufung dahingehend Folge zu geben, dass über den Mitbeteiligten wegen eines Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG eine angemessene Geldstrafe verhängt werde. Die Berufung wurde im Wesentlichen damit begründet, es sei im konkreten Fall entgegen der von der Behörde erster Instanz vertretenen Meinung sehr wohl vom Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinn des § 2 Abs. 2 AuslBG auszugehen. Als Beweis hiefür werde die Einvernahme der Kontrollore vom Arbeitsinspektorat, der in Rede stehenden Ausländerin und des Vorarbeiters T.J. im Rahmen einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. September 1997 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 24 und 51e VStG ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung als unbegründet ab. Nach Darstellung des Verfahrensganges und der Ergebnisse der in erster Instanz erfolgten niederschriftlichen Einvernahmen führte die belangte Behörde sodann im Wesentlichen aus, im Hinblick darauf, dass die von der Ausländerin getätigten Arbeiten offensichtlich gegen Abend durchgeführt worden seien, könne nicht ausgeschlossen werden, dass sie ihrem Mann geholfen habe, damit er seine Arbeit früher beenden könne. Hinzu komme noch, dass im Sillpark verschiedene Geschäfte vorhanden seien und aus der Anzeige nicht klar hervorgehe, wo die genannte Ausländerin gearbeitet habe. Es sei daher auch nicht auszuschließen, dass sie die Putzarbeiten (verbotenerweise) für jemand anderen durchgeführt habe. Gegen die Annahme der Behörde erster Instanz, dass zu wenig Anhaltspunkte für eine unbefugte Beschäftigung seitens des Mitbeteiligten vorgelegen seien, bestünden keine Bedenken. Insbesondere auch deshalb nicht, weil von der Erstbehörde ein ausführliches Beweisverfahren, bei dem die Organe des Arbeitsinspektorates und die Ausländerin einvernommen worden seien, durchgeführt worden sei. Aus diesem Grunde sei es auch nicht erforderlich, diese Personen neuerlich einzuvernehmen, zumal auf Grund der verstrichenen Zeit nicht zu erwarten sei, dass sich die Personen besser erinnern könnten als bei ihrer Einvernahme vor der Erstbehörde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Sie rügt zunächst die - im Übrigen unbegründet gebliebene - Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, welche vom Arbeitsinspektorat beantragt worden sei. Auch hätte die belangte Behörde die beantragte Vernehmung des Vorarbeiters T.J. durchzuführen gehabt, der von der Darstellung der Ausländerin und des Beschuldigten abweichende Aussagen getätigt haben solle. Durch diese Vorgangsweise sei die Amtspartei in unzulässiger Weise in ihren prozessualen Mitwirkungsrechten verletzt worden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Abgesehen vom Nichtvorliegen der behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften infolge Unerheblichkeit der beantragten Beweise seien der belangten Behörde zum Vorteil des Beschuldigten Verfahrensfehler unterlaufen, nämlich die übersehene Verfolgungsverjährung mangels einer nach Ort und Zeit im Sinne der Bestimmung des § 44a VStG konkretisierten Verfolgungshandlung innerhalb der Frist des § 31 VStG, und das Übersehen der Unzulässigkeit der von der Amtspartei eingebrachten Berufung mangels Vorliegens eines begründeten Berufungsantrages.
Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Ansicht vertrat, selbst bei Durchführung der beantragten Beweise hätte die belangte Behörde zu keinem anderen Ergebnis kommen können; eine Relevanz der aufgezeigten Verletzung von Verfahrensvorschriften liege daher nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 51e Abs. 1 und 2 VStG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 lauten:
"Wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder wenn nicht bereits aus der Aktenlage oder auf Grund ergänzender Erhebungen ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, dann ist eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden.
Wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder wenn sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid oder nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder wenn im bekämpften Bescheid eine 3.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, dann kann eine Verhandlung unterbleiben, es sei denn, dass eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt."
Gemäß § 51 i VStG ist dann, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet, oder als es sich um Beweiserhebungen handelt, deren Erörterung infolge des Verzichts auf eine fortgesetzte Verhandlung gemäß § 51e Abs. 3 dritter Satz entfallen ist. Auf die Abhaltung einer gemäß § 51e VStG erforderlichen Verhandlung hat nicht nur der Beschuldigte, sondern auch die Organpartei einen Rechtsanspruch.
Im konkreten Fall hatte das Arbeitsinspektorat für den
14. Aufsichtsbezirk nicht nur die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beantragt, sondern auch die in erster Instanz unterbliebene Einvernahme des Vorarbeiters T.J. mit der Begründung, dessen Aussage ergebe einen Widerspruch zur Verantwortung des Beschuldigten. Damit wurde in der Berufung nicht nur die rechtliche Subsumtion bekämpft, sondern auch die Sachverhaltsgrundlage, auf der sie aufgebaut war. Die belangte Behörde hätte daher die wesentliche, nach wie vor strittige Tatfrage zu klären gehabt, ob die vom Mitbeteiligten (als handelsrechtlicher Geschäftsführer) vertretene Gesellschaft mbH - möglicherweise ohne dessen Kenntnis, nichts desto trotz dieser zurechenbar - am 14. September 1995 die Ausländerin (im Sinn des § 3 Abs. 1 AuslBG) beschäftigt bzw. im Sinn des § 2 Abs. 2 AuslBG verwendet haben könnte, wie sich dies aus den von den Organen des Arbeitsinspektorates geschilderten Gesamtumständen darstellt. Diese Frage hätte belangte Behörde weiters im Hinblick auf § 51e VStG (Unmittelbarkeit des Verfahrens) aber nur durch Verwertung von in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gewonnenen Beweisergebnissen beantworten dürfen. Die belangte Behörde wäre sohin jedenfalls auf Grund des genannten bestrittenen Sachverhaltes verpflichtet gewesen, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen ( vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 9. September 1997, Zl. 96/09/0200, vom 24. November 1997, Zl. 96/09/0028, und vom 18. März 1998, Zl. 95/09/0227, und die jeweils darin angegebene Vorjudikatur), ganz davon abgesehen, dass sie - ohne hierzu überhaupt eine Begründung zu geben und ohne dass eine solche für den Verwaltungsgerichtshof erkennbar gewesen wäre - auf die Einvernahme des von der Amtspartei beantragten Zeugen verzichtet hat. In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, dass die Beweiswürdigung erst nach einer vollständigen Beweiserhebung einsetzen darf; eine vorgreifende Beweiswürdigung, die darin besteht, dass der Wert eines Beweises abstrakt (im Vorhinein) beurteilt wird - wie dies die belangte Behörde zur Begründung der Nichtdurchführung der Verhandlung im Hinblick auf die (neuerliche) Einvernahme der bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen getan hat -, ist unzulässig (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1990, Zl. 90/10/0134). Die Relevanz des aufgezeigten Verfahrensmangels ist bei dieser Sachlage daher jedenfalls anzunehmen.
Hingegen liegt die in der Gegenschrift behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht vor. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass es zur Individualisierung der Tat im Sinne des § 44a VStG nicht der Angabe des Ortes der Ausübung der bewilligungslosen Beschäftigung, sondern jenes des Sitzes des in Rede stehenden Unternehmens bedarf (vgl. den hg. Beschluss vom 18. März 1998, Zl. 96/09/0222, und die dort dazu angegebene Judikatur); auch ist die Angabe einer genauen Uhrzeit im Tatvorwurf nicht erforderlich, sofern damit die Unverwechselbarkeit der inkriminierten Tathandlung gewährleistet ist (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Z. 219, 220, 221 zu § 44a VStG abgedruckte Judikatur). Durch die diese Angaben in ausreichend detaillierter Form enthaltende Aufforderung zur Rechtfertigung vom 5. Dezember 1995 war daher die Frist zur Verfolgungsverjährung gewahrt.
Entgegen der weiters in der Gegenschrift vertretenen Ansicht liegt aber auch ein begründeter Berufungsantrag vor, über den richtigerweise inhaltlich entschieden wurde. In diesem Zusammenhang genügt ein Verweis auf die in der Gegenschrift bereits dargelegte hg. Judikatur verbunden mit dem Hinweis darauf, dass eine streng formalistische Betrachtung nicht vorzunehmen ist, sobald aus der Berufung zumindest erkennbar ist, aus welchen - wenn auch vielleicht nicht stichhältigen - Gründen der angefochtene Bescheid bekämpft wird. Was § 63 Abs. 3 AVG will, ist, dass die Berufungsbehörde der Eingabe, mit der gegen die Entscheidung der Unterbehörde ein Rechtsmittel erhoben wird, entnehmen können soll, was mit dem Verfahrensschritt nach Absicht der Partei bezweckt wird (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1980, Zl. 2834/79). Das ist zweifellos geschehen, so dass auch diese Einwände nicht zu Recht bestehen.
Gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG ist vom Verwaltungsgerichtshof der vor ihm angefochtene Bescheid aufzuheben, wenn Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Im vorliegenden Fall lässt sich nicht ausschließen, dass die belangte Behörde bei Beachtung der Bestimmungen der §§ 51e und 51i VStG und unter Wahrung der den Parteien in der Verhandlung zukommenden Mitwirkungsbefugnisse zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Wien, am 13. September 1999
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