VwGH 98/05/0156

VwGH98/05/015623.3.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Hedwig Hassler in Wien, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien I, Seilerstätte 28, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 17. Juni 1998, Zl. MD-VfR - B XVI - 13/98, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Dr. Maria d'Aron in Wien XVI, Wilhelminenstraße 181), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §134a;
BauO Wr §60 Abs1 litg;
BauO Wr §81;
BauO Wr §9 Abs5;
BauRallg;
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §134a;
BauO Wr §60 Abs1 litg;
BauO Wr §81;
BauO Wr §9 Abs5;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der mitbeteiligten Partei wurde als Bauwerberin mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 8. November 1993 auf Grund der mit Bescheid der Magistratsabteilung 37 vom 16. April 1992 bekannt gegebenen Bebauungsbestimmungen die Baubewilligung für ein einstöckiges, nicht unterkellertes Wohnhaus mit ausgebautem Dachgeschoß unter teilweiser Verwendung bestehenden Mauerwerkes auf den Grundstücken Nr. 601/3 und 601/4 der Liegenschaft EZ 1623, KG Ottakring, erteilt. In der Begründung des Baubewilligungsbescheides wurde u.a. ausgeführt, aus den vorgelegten Plänen gehe hervor, dass die höchste zulässige Gebäudehöhe von 6,5 m, ausgehend vom vorhandenen gewachsenen Gelände, das mit dem herzustellenden Gelände ident sei (keine Geländeveränderungen im Bereich des Wohnhauses), nicht überschritten werde.

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des östlich angrenzenden Grundstückes Nr. 600 der Liegenschaft EZ 155, KG Ottakring.

Die mitbeteiligte Bauwerberin beantragte mit Bauansuchen vom 10. September 1996 unter Vorlage der Baupläne die Bewilligung von "Änderungen". In einem Schreiben des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 26. November 1996 ist festgehalten, dass die Bauwerberin um die "Planwechsel- und Benützungsbewilligung" für das bewilligte Wohnhaus angesucht habe.

Für die bebaute Liegenschaft gelten die Bebauungsbestimmungen:

Wohngebiet, Bauklasse I, offene Bauweise, jede Front maximal 6,5 m

Gebäudehöhe. Sodann wird ausgeführt:

"1.) Im Bereich der linken Abstandsfläche wurde das Gelände bis zu 0,85 m abgetragen, sodass die Gebäudehöhe an dieser Front um 0,85 m überschritten wird.

Der obere Abschluss des Hauses wird durch diese Abgrabung nicht berührt.

2.) An der Vorderseite des Hauses wird ein Balkon mit zwei Teilen errichtet, welcher ca. 2,50 m über die Baufluchtlinie ragt (§ 84 Abs. 2 lit. a), max. 1,5 m).

Hiezu liegt eine Anzeige der Anrainerin vor, die, da sie als seitliche Nachbarin nicht betroffen ist, abgewiesen wird."

Im Verfahren über die nachträgliche Bewilligung von Abweichungen gemäß § 69 Abs. 1 lit. a der Bauordnung für Wien wendete die Beschwerdeführerin - soweit für das Beschwerdeverfahren entscheidungserheblich - ein, dass der straßenseitig gelegene Balkon einerseits die gemäß § 84 Abs. 2 leg. cit. zulässige Breite von höchstens einem Drittel der betreffenden Gebäudefront überschreite, andererseits dieser Balkon mit einer eingezeichneten Ausladung von ca. 2,50 m weit tiefer als die zulässige Ausladung von höchstens 1,50 m sei. Der Balkon an der Südseite überschreite ebenfalls die höchste zulässige Ausladung. Die Gebäudehöhe sei auf der der Beschwerdeführerin zugewandten Ostseite des Gebäudes nicht eingehalten. Sie sei bis zum obersten Schnittpunkt der Außenwandfläche mit der Oberfläche des Daches zu messen und betrage an der Nord-Ost-Seite demgemäß nicht nur 6,76 m, wie eingezeichnet, sondern tatsächlich mindestens 50 cm mehr. Für die Beurteilung aller Abweichungen wäre ein Plan vorzulegen, in dem alle Maße genau angeführt seien. Es sei eine genaue Vermessung an Ort und Stelle vorzunehmen.

Mit Bescheid des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den

16. Bezirk vom 29. Jänner 1998 wurden gemäß § 69 Abs. 1 lit. a und f der Bauordnung für Wien für das Bauvorhaben der mitbeteiligten Bauwerberin nachstehende Abweichungen von den Bebauungsvorschriften für zulässig erklärt:

"Die festgesetzte Baufluchtlinie darf durch die Errichtung eines balkonartigen Zubaus um ca. 2,50 m überschritten werden.

Die Fläche der ostseitigen Front darf größer sein als das Produkt aus der Länge dieser Front und höchstzulässigen Gebäudehöhe."

Die Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden abgewiesen.

Begründet wurde diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass durch die nachträglichen Abgrabungen der Ostseite die für die Bemessung der Gebäudehöhe maßgebende Ebene nicht verändert worden sei, sodass der Lichteinfall auf die Nachbarschaft nicht beeinträchtigt werde. Die Grundstücksfläche der bebauten Liegenschaft betrage 846 m2, die bebaute Fläche inklusive der balkonartigen Zubauten betrage 216,45 m2. Die maximal bebaubare Fläche von einem Drittel der Liegenschaft werde daher nicht überschritten. Der balkonartige Zubau an der Hoffront rage nicht in die Abstandsfläche und nicht über eine Baufluchtlinie; er sei daher zulässig. Der balkonartige Zubau an der Nordseite des Gebäudes berühre keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte, da er außerhalb der Abstandsfläche liege.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 6. März 1998 wurde der mitbeteiligten Bauwerberin gemäß § 70 der Bauordnung für Wien i.V.m. § 69 Abs. 8 leg. cit. die teilweise nachträgliche Bewilligung erteilt, die nachstehend beschriebene Bauführung vorzunehmen:

"Auf Grund der .... bewilligten Abweichungen von Bebauungsvorschriften wurde im Bereich der linken Abstandsfläche das Gelände bis zu 0,85 m abgetragen. An der Vorderseite des Hauses wurde ein balkonartiger Zubau hergestellt.

An der Südseite des Hauses wurde ebenfalls ein balkonartiger Zubau errichtet.

Unter einem wird die Bauführung in öffentlich-rechtlicher Beziehung für zulässig erklärt."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 17. Juni 1998 wurde "der angefochtene Bescheid der Magistratsabteilung 37/16 vom 6. März 1998 bestätigt". Der angefochtene Bescheid des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den 16. Bezirk vom 29. Jänner 1998 wurde dahin abgeändert, "dass die Ausnahmebewilligung nur auf § 69 Abs. 1 lit. a Bauordnung für Wien (BO) zu stützen ist und der 4. Absatz des Spruches zu entfallen hat. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen." (Der 4. Absatz des Bescheides des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den 16. Bezirk vom 29. Jänner 1998 hatte folgenden Wortlaut: "Die Fläche der ostseitigen Front darf größer sein als das Produkt aus der Länge dieser Front und höchstzulässigen Gebäudehöhe".)

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, der Nachbar könne nur die Überschreitung der seiner Liegenschaft zugekehrten Baufluchtlinie geltend machen. Die Beschwerdeführerin als Eigentümerin der östlich an den Bauplatz angrenzenden Liegenschaft könne durch den die Baufluchtlinie überschreitenden balkonartigen Zubau an der Nordseite nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sein. Bezüglich der bekämpften "Abgrabung" an der Ostseite des Hauses der mitbeteiligten Bauwerberin, wodurch das an das Haus anschließende Gelände an der Nordostecke bis zu 0,85 m vertieft worden sei, sei auszuführen, dass Gegenstand des hier zu beurteilenden Baubewilligungsverfahrens nicht die Errichtung des Gebäudes, sondern die beantragte Niveauveränderung sei, sodass auf die Frage, ob die zulässige Gebäudehöhe eingehalten werde, nicht einzugehen sei. Aus diesem Grund sei auch die für die Abgrabung erteilte Ausnahmegenehmigung des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den 16. Bezirk aufzuheben gewesen. Abgesehen davon könne der hier vorliegende Sachverhalt nicht dem § 69 Abs. 1 lit. f der Bauordnung für Wien unterstellt werden. Die beantragte Geländeveränderung sei nach den Bestimmungen der Bauordnung für Wien zulässig. Durch die Abgrabung werde die Bemessungsgrundlage für die Gebäudehöhe künftiger Bauten nicht zum Nachteil der Beschwerdeführerin verändert und besitze die Beschwerdeführerin kein Recht darauf, dass der optische Eindruck eines Nachbargebäudes und der es umgebenden Grünfläche nicht verändert werde. Die Beschwerdeführerin werde daher in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde nur insoweit, als der mitbeteiligten Bauwerberin im Bereich der linken Abstandsfläche die Abgrabung des Geländes bis zu 0,85 m bewilligt worden ist. Diese Bewilligung habe Auswirkungen auf die höchste zulässige Gebäudehöhe, die Abgrabung von 0,85 m sei nie vermessen worden, unter Berücksichtigung der geplanten Abgrabung wäre daher bei der seinerzeitigen Bewilligung eine absolut gesehen niedrigere Gebäudehöhe vorzuschreiben gewesen; dadurch hätte die Liegenschaft der Beschwerdeführerin an der Westseite eine bessere Belichtung. Durch die Geländeabgrabung wolle die Bauwerberin eine nicht genehmigte und auch nicht genehmigungsfähige Durchfahrt für Pkws über das gesamte Grundstück schaffen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Bauwerberin - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Beschwerdegegenständlich ist ausschließlich die von der mitbeteiligten Bauwerberin beantragte und von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid bewilligte Abtragung des Geländes in der linken (das ist die östliche, zum Grundstück der Beschwerdeführerin hin gelegene) Abstandsfläche bis zu 0,85 m.

Eine Veränderung der Höhenlage einer Grundfläche bedarf gemäß § 60 Abs. 1 lit. g Bauordnung für Wien (BO) einer Baubewilligung, soweit sie von Einfluss auf bestehende bauliche Anlagen auf eigenen oder benachbarten Grundflächen oder deren widmungsgemäße Verwendung ist.

Ob die den Baubehörden zur Beurteilung vorgelegene, von der mitbeteiligten Bauwerberin vorgenommene Veränderung der Höhenlage in der östlichen Abstandsfläche des bebauten Grundstückes im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. g BO bewilligungspflichtig ist, kann im Beschwerdefall deshalb dahinstehen, weil der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner Zuständigkeit nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG auf Grund einer Nachbarbeschwerde nicht berufen ist, über die objektive Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes zu erkennen, sondern darüber, ob der beschwerdeführende Nachbar durch den angefochtenen Bescheid in seinen geltend gemachten Rechten verletzt wurde (vgl. hiezu Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 5. Auflage, S. 174 f, und die dort wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Gemäß § 134 Abs. 3 BO sind im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften die Eigentümer (Miteigentümer) einer benachbarten Liegenschaft nur dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre im § 134a erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berührt und sie spätestens, unbeschadet Abs. 4, bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 134a gegen die geplante Bauführung erheben.

Gemäß § 134a Abs. 1 leg. cit. werden subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:

"a) Bestimmungen über den Abstand eines Gebäudes sowie einer baulichen Anlage zu den Nachbargrundgrenzen, jedoch nicht bei Bauführungen unterhalb der Erdoberfläche;

  1. b) Bestimmungen über die Gebäudehöhe;
  2. c) Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit von Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten;

    d) Bestimmungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Fluchtlinien;

    e) Bestimmungen, die den Schutz vor Immissionen, die sich aus der widmungsgemäßen Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage ergeben können, zum Inhalt haben. ..."

    Nach § 134a BO kommt somit eine Rechtsverletzung eines Nachbarn durch die Veränderung der Höhenlage der Grundfläche allein nicht in Betracht, weil für ein solches Vorhaben eine den Nachbarn schützende baurechtliche Norm nicht mehr besteht; die im § 134 Abs. 3 i.V.m. § 134a BO geregelte Parteistellung der Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften ist abschließend geregelt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/05/0273).

    Durch die mit dem angefochtenen Bescheid bewilligte Veränderung der Höhenlage einer Grundfläche wird die mit dem Baubewilligungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 8. November 1993 erteilte Baubewilligung - auch hinsichtlich der auf Grund der Bebauungsbestimmungen festgesetzten Gebäudehöhe - nicht berührt. Die in diesem Baubewilligungsbescheid auf Grund der bekannt gegebenen Bebauungsbestimmungen und der vorgelegten Pläne bewilligte Gebäudehöhe ist an Hand der damals festgelegten Höhenlagen (nach der Begründung des Baubewilligungsbescheides war dies das vorhandene gewachsene Gelände) zu ermitteln. Die in einem Baubewilligungsbescheid im Zusammenhang mit einer feststehenden Geländehöhe festgesetzte Gebäudehöhe bewirkt aber nicht, dass in der Folge keine Veränderung der Höhenlage einer Grundfläche beim anschließenden Gelände an dieses Gebäude vorgenommen werden dürfte.

    Über als Weg verlegte Betonplatten hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht abgesprochen.

    Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

    Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

    Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens der mitbeteiligten Bauwerberin betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand. Die Zuerkennung der Schriftsatzaufwandes erfolgte im begehrten Umfang.

    Wien, am 23. März 1999

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