VwGH 97/21/0296

VwGH97/21/029620.9.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des S in Rankweil, geboren am 17. August 1968, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 18. November 1996, Zl. Frb-4250a-93/96, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z5;
FrG 1993 §21;
FrG 1993 §26;
FrG 1993 §81 Abs1 Z1;
EMRK Art6;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z5;
FrG 1993 §21;
FrG 1993 §26;
FrG 1993 §81 Abs1 Z1;
EMRK Art6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 9. November 1994 war gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 18 Abs. 1 und 2 Z. 5 iVm § 21 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden.

Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer nach anfänglichem Leugnen gestanden habe, am 14. Februar 1994 acht Personen für ein Entgelt von jeweils DM 200,-- vom Bahnhof Feldkirch mit seinem PKW bis in Grenznähe und anschließend zu Fuß über die Eisenbahnbrücke in Hörbranz illegal in die BRD gebracht zu haben. Damit seien die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 18 Abs. 2 Z. 5 FrG zweifelsfrei gegeben. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer erst seit Ende 1990 im Bundesgebiet aufhältig sei und sich seit Ende 1992 als "de-facto-Flüchtling" in Betreuung der Caritas befinde, stelle die Verhängung des Aufenthaltsverbotes nur einen geringen Eingriff in sein Privat- und Familienleben dar. Umgekehrt bewirke die Förderung der rechtswidrigen Ein- und Ausreise von Fremden eine ernsthafte Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit; der Republik Österreich entstünden erhebliche Kosten durch die Abschiebung derart straffällig gewordener Fremder; überdies stelle die Förderung der rechtswidrigen Ein- und Ausreise von Fremden eine ernsthafte Gefährdung für den Arbeitsmarkt dar. Es bestehe daher ein großes öffentliches Interesse an der Außerlandesschaffung "derart straffällig gewordener Fremder". Da der Beschwerdeführer auch noch nicht so lange im Bundesgebiet sei, dass seine Integration oder sonstige Bindung im Inland als besonders ausgeprägt anzusehen wäre und ihm ferner auch nicht die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes hätte verliehen werden können, seien die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegeben.

Der Beschwerdeführer ließ diesen Bescheid unbekämpft.

Mit Antrag vom 14. März 1996 begehrte er die Aufhebung des über ihn verhängten Aufenthaltsverbotes; er habe am 13. Februar 1995 J. S. geheiratet, die er bereits 1994 kennen- und lieben gelernt habe und der am 6. Februar 1995 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden sei; außerdem sei er im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung, gehe ständig einer Arbeit nach und es stehe ihm eine Unterkunft zur Verfügung. Diese geänderte "Sach- und Rechtslage" rechtfertige auf Grund der "sonstigen, der Behörde bekannten privaten und familiären Umstände" die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 26 FrG.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 18. November 1996 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des über ihn verhängten Aufenthaltsverbotes gemäß § 26 FrG abgewiesen.

Für die Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers sei maßgeblich, ob eine Änderung der relevanten Umstände seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingetreten sei. In diesem Sinn habe der Beschwerdeführer auf seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin, auf den Besitz einer Beschäftigungsbewilligung und darauf verwiesen, dass er ständig einer Arbeit nachgehe und dass ihm eine entsprechende Unterkunft zur Verfügung stehe. Dies stelle - ungeachtet des Umstandes, dass der Beschwerdeführer gemäß seinen Angaben schon vor Erlassung des Aufenthaltsverbotes mit seiner nunmehrigen Frau befreundet und einer Arbeit nachgegangen sei - eine Änderung zu seinen Gunsten dar. Dies sei jedoch insofern relativiert zu sehen, als die Eheschließung nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes erfolgt und somit beiden Seiten bewusst gewesen sei, dass der Beschwerdeführer Österreich werde verlassen müssen. Auf den Verdacht, dass es sich bei der Ehe des Beschwerdeführers nur um eine "Scheinehe" handle, brauche davon ausgehend nicht näher eingegangen werden, da diese Ehe keine besonders starke Änderung zugunsten der privaten Verhältnisse des Beschwerdeführers darstelle. Trotz der Berücksichtigung seines Privat- und Familienlebens sei die "Erlassung" des Aufenthaltsverbotes weiterhin dringend geboten; auch wenn der Beschwerdeführer nunmehr zwei Jahre strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei, ändere dies nichts an dem öffentlichen Interesse, an Schlepperei beteiligte Personen außer Landes zu weisen. Dass der Beschwerdeführer seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes habe in Österreich verbleiben können, sei nur darauf zurückzuführen, dass er als bosnischer Staatsangehöriger wegen der bestehenden kriegerischen Auseinandersetzungen faktisch nicht in seinen Heimatstaat habe abgeschoben werden können. (Die Bezirkshauptmannschaft Bludenz hatte dem Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 2 FrG Abschiebungsaufschub zuletzt bis 30. Juni 1995 erteilt.) Bezüglich der Dauer des Aufenthaltsverbotes sei darauf hinzuweisen, dass die Verwirklichung des Tatbestandes der Schlepperei die öffentliche Ruhe und Ordnung zum Einen dadurch gefährde, dass die Erfassung von in Österreich aufhältigen Fremden sowie ihrer Ein- und Ausreise in Nachbarländer unterlaufen werde. Zum Anderen seien damit auch hohe Kosten für den Staat (Rückübernahme, Außerlandesschaffung der Fremden) verbunden. Eine besondere Verwerflichkeit liege auch darin, dass Schlepper die Notsituation von Fremden ausnützten. Die "Erlassung" des unbefristeten Aufenthaltsverbotes erscheine daher erforderlich, um den Verwaltungszweck, nämlich die Hintanhaltung neuer Störungen der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie den Schutz der "betroffenen legalen Fremden" zu erreichen. Da somit keine entscheidende Veränderung jener Umstände vorliege, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits heranzuziehen seien, sei der Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes abzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene Beschwerde; begehrt wird, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, allenfalls wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 26 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhalt mit den §§ 18 bis 20 FrG gewinnt, hat sich die Behörde mit der Frage auseinander zu setzen, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Sinn des § 18 Abs. 1 leg. cit. gegen den Fremden weiter getroffen werden kann, ob allenfalls ein relevanter Eingriff im Sinn des § 19 FrG vorliegt und - gegebenenfalls - die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten ist und - bejahendenfalls - ferner, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits gemäß § 20 leg.cit. maßgebend sind, zugunsten des Fremden geändert haben. Diese Interessen sind gegeneinander abzuwägen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. November 1997, Zl. 96/21/0767, mwN).

Gegen die dem bekämpften Bescheid erkennbar zugrundeliegende Beurteilung, die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sei wegen Weiterbestehens der Gefährlichkeitsprognose im Sinn des § 18 Abs. 1 FrG gerechtfertigt, führt die Beschwerde ins Treffen, dass es sich bei der vom Beschwerdeführer begangenen Schlepperei um ein einmaliges Vergehen - der Beschwerdeführer sei in keinem einzigen weiteren Fall mehr straffällig geworden - gehandelt habe und dass die Strafe "zur Bewährung" ausgesetzt worden sei.

Mit diesem Vorbringen stellt der Beschwerdeführer unmissverständlich klar, dass er wegen des Vergehens der Schlepperei gerichtlich bestraft worden ist. Dem entspricht der auf Grund seines Geständnisses von der belangten Behörde zugrunde gelegte Sachverhalt, dass er für ein Entgelt von jeweils DM 200,-- acht Personen "illegal" nach Deutschland zu verbringen versucht hatte (§ 81 Abs. 1 Z. 1 FrG). Einer gerichtlich zu ahndenden Schlepperei kommt jedoch ein besonderer Unwertgehalt zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0305), weshalb im Hinblick auf die im Bescheiderlassungszeitpunkt noch nicht einmal drei Jahre zurückliegende Tatbegehung nicht von einem Wegfall der Gefährlichkeitsprognose gesprochen werden kann. Daran ändert es nichts, wenn die gerichtliche Strafe - wie vom Beschwerdeführer behauptet - "zur Bewährung ausgesetzt" worden sein sollte (vgl. dazu näher abermals das erwähnte hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993).

Dass dem Beschwerdeführer entgegen seinem Vorbringen ein Abschiebungsaufschub bloß bis zum 30. Juni 1995 erteilt worden ist, sei in diesem Zusammenhang nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung kann dieser Umstand jedenfalls nicht zugunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt werden. Aber auch die anderen vom Beschwerdeführer geltend gemachten Aspekte machen, vor dem Hintergrund der §§ 19 und 20 FrG, die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nicht unzulässig. Zum Einen folgt dies aus dem als besonders gewichtig zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Unterbindung des Schlepperunwesens (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. April 1997, Zl. 97/18/0055, mwN), zum Anderen hat die belangte Behörde den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umständen (Beschäftigung, Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin seit Februar 1995) zu Recht kein im Rahmen der Abwägung zu seinen Gunsten ausschlaggebendes Gewicht beigemessen, weil der Beschwerdeführer zufolge des aufrechten Bestehens des Aufenthaltsverbotes von vornherein nicht mit der Erlangung der Berechtigung zu einem längeren Aufenthalt im Bundesgebiet rechnen konnte (vgl. das schon erwähnte hg. Erkenntnis vom 5. November 1997, Zl. 96/21/0767).

Im Hinblick darauf ist der Verfahrensrüge, wonach die belangte Behörde entsprechend den in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid gestellten Anträgen eine mündliche Berufungsverhandlung durchführen und dabei den Beschwerdeführer und seine Ehegattin hätte einvernehmen müssen, der Boden entzogen; soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ergänzend auf Art. 6 EMRK hinweist, ist ihm zu entgegnen, dass fremdenpolizeiliche Maßnahmen - sohin auch das gegenständliche Verfahren über den Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes - nicht dem Anwendungsbereich der genannten Konventionsbestimmung unterfallen (vgl. die Entscheidung der EKMR vom 19. März 1981, E 8118/77, DR 25, 105).

Nach dem Gesagten haftet dem bekämpften Bescheid keine Rechtswidrigkeit an; die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG konnte von der Durchführung der beantragten Verhandlung abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. September 1999

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