VwGH 96/19/0352

VwGH96/19/03529.4.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1967 geborenen SE in Wien, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. April 1995, Zl. 108.195/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
EMRK Art8 Abs2;
StGB §223 Abs2;
StGB §224;
StGB §43 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
EMRK Art8 Abs2;
StGB §223 Abs2;
StGB §224;
StGB §43 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einer am 11. Juli 1994 beim Landeshauptmann von Wien eingelangten Eingabe beantragte der Beschwerdeführer die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner österreichischen Ehegattin, die er am 5. Juli 1993 geheiratet hatte.

Aus dem Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 8. November 1994 für schuldig erkannt wurde, er habe am 11. Jänner 1993 in Arnoldstein anlässlich seiner beabsichtigten Ausreise nach Italien durch Vorweisen eines auf eine andere Person lautenden und angeblich am 7. Februar 1991 vom Passamt in Kingston ausgestellten jamaikanischen Reisepasses gegenüber den Grenzkontrollorganen eine falsche ausländische öffentliche Urkunde, die durch Gesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleich gestellt ist, im Rechtsverkehr zum Beweis seiner Identität und Ausreiseberechtigung gebraucht. Er habe hiedurch das Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 2, 224 StGB begangen. Über den Beschwerdeführer wurde eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verhängt, welche unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der Antrag vom 11. Juli 1994 wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. April 1995 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 5 Abs. 1 AufG sei die Erteilung einer Bewilligung ausgeschlossen, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliege. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn der Aufenthalt des Antragstellers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Der Beschwerdeführer sei mit dem oben zitierten Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. November 1994 wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt worden, welche bedingt nachgesehen worden sei. Da es sich bei dem genannten Vergehen um einen schwer wiegenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung handle (der Strafrahmen betrage zwei Jahre), stehe fest, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, sich den in Österreich geltenden Vorschriften anzupassen. Sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet werde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden. Die öffentlichen Interessen überwögen daher die privaten Interessen des Beschwerdeführers.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser Gerichtshof lehnte die Beschwerde mit Beschluss vom 13. Dezember 1995, B 1788/95-6, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 und § 18 Abs. 1 und 2 FrG lauteten (auszugsweise):

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;

...

§ 18. (1) Gegen einen Fremden ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1. die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder

...

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; ..."

Der Beschwerdeführer verfügte noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung. Ein Fall des § 113 Abs. 6 oder 7 FrG 1997 liegt nicht vor. Der angefochtene Bescheid blieb vom Inkrafttreten des FrG 1997 unberührt.

Der Beschwerdeführer tritt der Feststellung der belangten Behörde betreffend seiner Verurteilung durch ein inländisches Strafgericht nicht entgegen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt ein Fremder, der eine strafbare Handlung gegen die Zuverlässigkeit einer Urkunde begeht, der im österreichischen Rechtsverkehr eine erhebliche Bedeutung zukommt, eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG dar (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. Mai 1996, Zl. 96/19/0626, und vom 21. Mai 1997, Zl. 95/19/0817).

Daran vermag auch der Umstand, dass die hiefür verhängte Strafe gemäß § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachgesehen wurde, ebenso wenig zu ändern, wie der zwischen der Tatbegehung und der Erlassung des angefochtenen Bescheides verstrichene Zeitraum von über zwei Jahren (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996).

Wenn der Beschwerdeführer gegen diese Beurteilung zunächst ins Treffen führt, dass in seinem Falle eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG nicht vorliege, vermag er damit schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weil die in Rede stehende Bestimmung ausschließlich die Frage der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes regelt. Die Anlegung eines strengeren Maßstabes bei der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung erscheint schon deshalb gerechtfertigt, weil die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes regelmäßig die die Interessen des Fremden stärker beeinträchtigende Maßnahme ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1997, Zl. 96/19/1546).

Der Beschwerdeführer rügt weiters, dass der angefochtene Bescheid die Gründe für die von der belangten Behörde getroffene Zukunftsprognose nicht erkennen lasse. Er vertritt die Auffassung, der Begriff der "öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit" in § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG umfasse die allgemeine und örtliche Sicherheitspolizei im Verständnis des Art. 10 Abs. 1 Z. 7 B-VG. Damit sei die Abwehr allgemeiner, typischerweise nicht auf einzelne Verwaltungsgebiete beschränkter Gefahren für Leben, Gesundheit, Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung im Inneren definiert. Die Annahme einer derartigen Gefährdung sei erst dann gerechtfertigt, wenn aus dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers deutlich geworden sei, dass er solche allgemeine Gefahren erregen werde, das heißt vor allem, dass er gerichtlich strafbare Handlungen begehen und die sonstigen sicherheitspolizeilichen Vorschriften missachten werde, wohingegen die bloße Gefahr, dass er irgendwelche Verwaltungsvorschriften - etwa Verkehrsübertretungen - begehen werde, nicht als Hinderungsgrund angesehen werden könne. Ein Rechtssatz, wonach ein einmalig straffällig gewordener Täter auch in Zukunft wieder strafbare Handlungen begehen werde, existiere jedoch nicht.

Dieser Argumentation ist zunächst entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde ihre Gefährdungsprognose vorliegendenfalls auf das in Richtung §§ 223 Abs. 2, 224 StGB tatbildmäßige Verhalten und der daraus abgeleiteten Unwilligkeit des Beschwerdeführers, sich den in Österreich geltenden Vorschriften anzupassen, gestützt hat. Auf Basis der zitierten Vorjudikatur kann dieser Schlussfolgerung vom Verwaltungsgerichtshof auch nicht entgegengetreten werden. Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers setzt die hier gestellte Gefährdungsprognose nicht das Zutreffen eines Erfahrungssatzes, ein einmalig straffällig gewordener Täter werde auch in Zukunft wieder Straftaten begehen, voraus; sie gründet vielmehr auf den Erfahrungssatz, aus einem einer konkreten Strafnorm entsprechenden tatbildmäßigen Verhalten sei eine nicht bloß unerheblich erhöhte Wahrscheinlichkeit eines weiteren strafrechtlich oder sicherheitspolizeilich relevanten Fehlverhaltens des Täters abzuleiten.

Wenn der Beschwerdeführer schließlich darauf verweist, dass ihm gemäß § 3 AufG ein Rechtsanspruch auf Familiennachzug zu seiner österreichischen Ehegattin zustehe, so ist ihm zu entgegnen, dass ein solcher Rechtsanspruch das Nichtvorliegen eines Versagungsgrundes im Sinne des § 5 AufG voraussetzte. Gerade ein solcher Versagungsgrund liegt jedoch im Falle des Beschwerdeführers vor.

Schließlich verweist der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 MRK auf seine durch die Anwesenheit seiner österreichischen Ehegattin begründeten familiären Interessen im Bundesgebiet. Er sei am 20. Mai 1992 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist. Er habe fristgerecht einen Asylantrag gestellt und während der Dauer seines Asylverfahrens über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügt. Das Asylverfahren sei mit einem am 17. Oktober 1994 zugestellten, seinen Antrag in letzter Instanz abweisenden Bescheid beendet worden. Seine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz sei an diesem Tag erloschen.

Weiters rügt der Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde nicht begründet habe, weshalb sie die Auffassung vertrete, die öffentlichen Interessen überwögen seine persönlichen Interessen im Sinne des Art. 8 MRK. Insbesondere sei nicht erkennbar, weshalb die Versagung der Aufenthaltsbewilligung mit Rücksicht "auf das wirtschaftliche Wohl des Landes und den Schutz der Gesundheit" erforderlich sei.

Bei einer auf § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gestützten Entscheidung sind die gemäß Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Interessen des Fremden zu berücksichtigen, jedoch nicht im Rahmen einer Ermessensentscheidung. Die Behörde hat bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG auf die privaten und familiären Interessen des Fremden daher in der Weise Bedacht zu nehmen, dass sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, dass die in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1999, Zlen. 98/19/0124, 0125).

Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers lässt der angefochtene Bescheid mit noch hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass die belangte Behörde ausgehend von der Annahme, der Beschwerdeführer sei nicht gewillt, sich den österreichischen Rechtsvorschriften (zu denen insbesondere auch jene des Strafrechtes zählen) konform zu verhalten, die Versagung der Aufenthaltsbewilligung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK zur Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen als erforderlich ansah.

Dieser Beurteilung vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht entgegenzutreten:

Zwar erweist sich ein Eingriff in das im Inland geführte Familienleben eines Fremden mit Angehörigen gleicher Staatsbürgerschaft durch die Verweigerung der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als weniger gravierend als in ein solches mit österreichischen Staatsbürgern. Diese unter einem derart erhöhten Schutz stehenden Familienbande zu österreichischen Staatsbürgern müssen aber zu einem Zeitpunkt begründet worden sein, in dem sich der Fremde im Inland rechtmäßig niedergelassen hatte und er mit einer Bewilligung seiner weiteren Niederlassung rechnen konnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. März 1999, Zl. 96/19/3206).

Diese Voraussetzung ist jedoch beim Beschwerdeführer nicht gegeben. Seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsangehörigen erfolgte zu einem Zeitpunkt, in dem der Beschwerdeführer in Österreich lediglich ein vorläufiges Aufenthaltsrecht für die Dauer seines (letztendlich negativ abgeschlossenen) Asylverfahrens genoss. Er konnte daher im Zeitpunkt der Begründung dieser Familienbande nicht damit rechnen, dass ihm unabhängig vom Ausgang seines Asylverfahrens eine weitere Niederlassung im Bundesgebiet bewilligt werde. Er musste sich folglich auch dieser Unsicherheit bewusst sein (vgl. insbesondere auch das Urteil des EGMR vom 19. Februar 1998 im Fall Dalia gegen Frankreich, ÖJZ 1998, 937, sowie das zitierte hg. Erkenntnis vom 12. März 1999).

Ein Eingriff in ein gedachtes, durch Art. 8 MRK geschütztes Recht des Beschwerdeführers auf Familiennachzug zu seiner österreichischen Ehegattin erweist sich daher vorliegendenfalls im Interesse der öffentlichen Ordnung und der Verhinderung strafbarer Handlungen als gerechtfertigt. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob dem Beschwerdeführer ein solches Recht überhaupt zukommt.

Schließlich geht die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Rüge einer Verletzung der Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes und zur Gewährung von Parteiengehör deshalb ins Leere, weil der Beschwerdeführer mit Ausnahme des oben wiedergegebenen, zu keiner anderen materiellen Beurteilung führenden Vorbringens nicht darlegt, zu welchen Tatsachenfeststellungen die belangte Behörde bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensmängel gelangt wäre.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 9. April 1999

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