Normen
ABGB §1295;
ABGB §1301;
AusgleichsO §48;
AusgleichsO §53 Abs1;
BAO §224 Abs1;
BAO §289;
BAO §303;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
KO §151;
KO §156 Abs1;
KO §156;
KO §66;
KO §69;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwRallg;
ABGB §1295;
ABGB §1301;
AusgleichsO §48;
AusgleichsO §53 Abs1;
BAO §224 Abs1;
BAO §289;
BAO §303;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
KO §151;
KO §156 Abs1;
KO §156;
KO §66;
KO §69;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid verpflichtete die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 9 iVm § 80 BAO zur Zahlung aushaftender Abgabenschuldigkeiten (Umsatzsteuer 1991, Umsatzsteuervorauszahlungen Dezember 1993 bis Februar 1994, Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für Jänner 1994, sowie Säumniszuschlag) der B GmbH & Co KG.
Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges aus, die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen hätten nach § 80 Abs. 1 BAO alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und seien befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie hätten insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Außer Streit stehe die teilweise Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der primärschuldnerischen Kommanditgesellschaft bzw. deren Komplementärgesellschaft mbH. (Über das Vermögen der Primärschuldnerin sei am 5. Juli 1994 und über das Vermögen der Komplementärgesellschaft am 11. August 1994 das Konkursverfahren eröffnet und die Konkurse seien nach Bestätigung der am 3. März 1995 geschlossenen Zwangsausgleiche am 28. April 1995 aufgehoben worden.)
Nach Erfüllung des Zwangsausgleichs durch den Hauptschuldner könne ein konstitutiv wirkender Haftungsbescheid nicht mehr erlassen werden. Da die Erlassung eines Haftungsbescheides eine Einhebungsmaßnahme darstelle, setze eine solche begrifflich voraus, dass eine Abgabe aushafte. Der Abgabenanspruch dürfe im Zeitpunkt der Erlassung eines Haftungsbescheides nicht schon erloschen sein oder nur mehr den Charakter einer Naturalobligation aufweisen. Nach einem Teil der Lehre sei nun die Wirkung des Ausgleichs aber eine solche, dass die über die Quote hinausgehende Forderung (nur mehr) als Naturalobligation weiterbestehe, deren Klagbarkeit und erzwingbare Aufrechenbarkeit aber verloren gingen. Die Rechtswirkungen des Ausgleichs würden gemäß § 156 KO auch gegenüber denjenigen eintreten, die am Ausgleich nicht teilgenommen oder ihm nicht zugestimmt hätten. Die Erlassung eines Haftungsbescheides gegen das verantwortliche Organ sei jedoch zulässig, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Haftungspflichtige vor Bestätigung und Erfüllung des Zwangsausgleichs zum Gesamtschuldner geworden sei (gemeint: durch den Bescheid der Behörde erster Instanz vom 27. Mai 1994). Gemäß § 151 KO könnten durch den Zwangsausgleich die Rechte der Konkursgläubiger gegen Bürgen oder Mitschuldner des Gemeinschuldners sowie gegen Rückgriffsverpflichtete ohne ausdrückliche Zustimmung der Berechtigten nicht beschränkt werden. Die Haftung der Mitverpflichteten sei somit nicht eingeschränkt. Die Rechtswirkungen des Ausgleichs, nämlich die Befreiung von der Verbindlichkeit, den Gläubigern den Ausfall nachträglich zu ersetzen, würden daher gemäß § 156 KO nur in der Person des Gemeinschuldners eintreten. (Die belangte Behörde verweist hier auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Juni 1990, Zl. 89/15/0106.)
Außer Streit stehe, daß der Beschwerdeführer im haftungsgegenständlichen Zeitraum als Alleingeschäftsführer der Komplementärgesellschaft mbH ein Vertreter im Sinn des § 80 BAO gewesen sei. Zum tatbestandsmäßigen Verschulden reiche fahrlässiges Handeln oder Unterlassen aus. Der zur Haftung Herangezogene habe das Fehlen ausreichender Mittel zum Fälligkeitszeitpunkt nachzuweisen und darzutun, dass er die Abgabenforderung bei der Verteilung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt habe. Der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft machen können, dass sämtliche Gläubiger mit den vereinnahmten Bareinnahmen gleichmäßig beteilt worden seien. Eine anteilsmäßige Bezahlung sämtlicher Gläubiger sei vom Beschwerdeführer weder behauptet noch dargelegt worden. Den Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid und in der Berufungsvorentscheidung sei er nur mit nicht näher substanziiert vorgetragenen Beweisbehauptungen, wonach es ihm ohne persönliches Verschulden nicht möglich gewesen wäre, die offen gebliebenen Steuerbeträge zu entrichten, entgegengetreten.
Die Heranziehung zur Haftung sei in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, welches sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen zu halten habe. Schon aus Gründen der Zweckmäßigkeit könne auf die Geltendmachung von Haftungen bei unmittelbar Verantwortlichen nicht verzichtet werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 13 Abs. 1 VwGG verstärkten Senat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Die Beurteilung, ob die Haftung dem Grunde nach zu Recht besteht, obliegt im Berufungsverfahren der Berufungsbehörde; sie hat dabei grundsätzlich von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung auszugehen. Es liegt im Wesen einer meritorischen Berufungsentscheidung, dass die Berufungsbehörde die Sache nach allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten neu zu überprüfen hat. Sie hat daher auch im Falle einer Haftungsinanspruchnahme die Umstände zu berücksichtigen, die im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides gegeben sind (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1996, Zl. 95/16/0077).
Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus. Die Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (Ritz, Kommentar zur BAO2, Tz 5f zu § 9 und die dort angeführte hg. Rechtsprechung). Aus der Konkurseröffnung allein ergibt sich zwar noch nicht zwingend die Uneinbringlichkeit (vgl. das zit. Erkenntnis Zl. 95/16/0077), diese ist aber jedenfalls dann anzunehmen, wenn im Lauf des Insolvenzverfahrens feststeht, dass die Abgabenforderung im Konkurs mangels ausreichenden Vermögens nicht befriedigt werden kann; diesfalls ist daher kein Abwarten der vollständigen Abwicklung des Konkurses erforderlich (Ritz, aaO, Tz 6 zu § 9). Wenn sich auch entsprechend den Ausführungen im vorhin zitierten Erkenntnis aus der Konkurseröffnung noch nicht zwingend die Uneinbringlichkeit ergibt, stellt die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Abgabenschuldners jedoch schon wegen der für die Konkurseröffnung geforderten Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung (§§ 66f KO) ein starkes Indiz für die zumindest teilweise Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung dar. Nach Abschluss eines (Zwangs-)Ausgleichs ist - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte - anzunehmen, dass der in der Ausgleichsquote nicht mehr Deckung findende Teil der Abgabenforderung uneinbringlich sein wird.
Eine weitere Voraussetzung zur Erfüllung des Tatbestandes des § 9 BAO ist eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Vertreter. Zu dessen Pflichten gehört es, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen (vgl. § 80 Abs. 1 BAO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. April 1998, Zl. 95/15/0145) ist es Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er den auferlegten Pflichten nicht entsprochen habe, insbesondere nicht habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung ursächlich für die Uneinbringlichkeit war. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel. Reichen die Mittel zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus, so hat der Vertreter nachzuweisen, dass die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden, andernfalls haftet der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft. Eine Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers oder einiger Gläubiger stellt somit eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Vertreter dar, soferne dieses Verhalten eine Verkürzung der Abgaben bewirkt hat.
Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so trifft ihn kein Verschulden iSd § 9 Abs. 1 BAO. Ein Verschulden des Geschäftsführers am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ist für die abgabenrechtliche Haftung ebensowenig von Bedeutung wie ein Verstoß gegen die Pflicht, rechtzeitig einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vertretenen zu stellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. November 1991, Zl. 90/15/0176, mwN).
Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern - was sich aus dem Wort "insoweit" in § 9 BAO eindeutig ergibt - nur in dem Umfang, in dem eine Kausalität zwischen der (schuldhaften) Pflichtverletzung des Vertreters und dem Entgang von Abgaben besteht. Reichten somit die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, so erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (in diesem Sinn vgl. das zit. Erkenntnis Zl. 95/15/0145 sowie beispielsweise die Erkenntnisse vom 25. Jänner 1999, Zl. 97/17/0144 und vom 20. April 1999, Zl. 94/14/0147).
Im vorliegenden Fall stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer die an die Gesellschaft gerichteten Forderungen nicht anteilsmäßig beglichen habe. Demgegenüber wird in der Beschwerde zwar behauptet, der Beschwerdeführer habe glaubhaft machen können, dass sämtliche Gläubiger mit den vereinnahmten Bareinnahmen gleichmäßig beteilt worden seien; der Beschwerdeführer zeigt aber insgesamt nicht konkret auf, auf Grund welcher Ermittlungsergebnisse die belangte Behörde zur Feststellung hätte gelangen können, dass er tatsächlich die Abgabenforderungen nicht benachteiligt habe. Zu seiner Rüge, die belangte Behörde hätte den Konkursakt beischaffen sollen, bringt der Beschwerdeführer lediglich vor, bei Einsicht in diesen Akt hätte sich herausgestellt, dass dem Zwangsausgleichsantrag von allen Gläubigern zugestimmt worden sei und ihn an der Insolvenz kein Verschulden treffe. Dieses Vorbringen ist - wie oben dargelegt - rechtlich unerheblich. Mit der pauschalen Behauptung einer Gleichbehandlung aller Gläubiger kommt der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung, die anteilige Befriedigung der Abgabenforderungen nachzuweisen, nicht nach.
Dem Beschwerdeführer ist somit der Nachweis nicht gelungen, dass er die Verbindlichkeiten gleichmäßig anteilsweise befriedigt und somit die Abgabenforderungen im selben Verhältnis wie die übrigen Forderungen beglichen habe. Dieser Nachweis hätte bewirkt, dass eine Haftung nach § 9 BAO nicht entstanden wäre. Er trat aber auch den Nachweis nicht an, in welcher Höhe die Abgabenforderung bei anteilsmäßiger Bezahlung zu begleichen gewesen wäre, woraus sich hätte errechnen lassen, um welchen Betrag die Abgabenforderungen gegenüber einem pflichtgemäßen Vorgehen verkürzt wurden. Zu Recht zog somit die belangte Behörde den Beschwerdeführer im Sinn der oben zitierten Judikatur zur Haftung für den gesamten Betrag der uneinbringlichen Abgabenforderungen heran.
Letztlich bleibt zu beurteilen, welche Wirkung der die Primärschuldnerin, die B GmbH & Co KG, betreffende Zwangsausgleich auf die Haftung des Beschwerdeführers hat. Noch vor Erlassung des angefochtenen Bescheides bestätigte das Konkursgericht - wie oben dargelegt - am 3. März 1995 die am 28. November 1994 in den Konkursverfahren der B GmbH & Co KG und der B GmbH abgeschlossenen Zwangsausgleiche. Am 28. April 1995 verfügte es die Aufhebung der Konkurse.
Zu der aufgeworfenen Frage vertrat der Verwaltungsgerichtshof folgende Ansichten:
Im - zu den den §§ 9 und 80 BAO entsprechenden Bestimmungen der §§ 7 und 54 der Wiener Abgabenordnung (WAO) ergangenen - Erkenntnis vom 25. Juni 1990, Zl. 89/15/0106, sprach der Gerichtshof unter Hinweis auf die §§ 151 KO und 48 AO, wonach die Rechte der (Konkurs-)Gläubiger gegen Bürgen oder Mitschuldner des (Gemein-)Schuldners durch den Ausgleich nicht beschränkt werden dürfen, aus, dass die Haftung der Mitverpflichteten durch den Ausgleich nicht eingeschränkt werde. Die in § 156 KO und § 53 AO angeordnete, in der Befreiung von der Verbindlichkeit, den Gläubigern den Ausfall nachträglich zu ersetzen, bestehende Rechtswirkung des Ausgleichs trete daher nur in der Person des Gemeinschuldners ein. Der Haftungspflichtige könne somit die durch den Ausgleich bewirkte Befreiung des Primärschuldners von der Abgabenverbindlichkeit nicht für sich in Anspruch nehmen. Gegen diese Beurteilung spreche auch nicht das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot, weil die juristische Person selbst mangels entsprechender Regressmöglichkeiten des Haftenden durch einen (Zwangs-)Ausgleich in gleicher Weise von ihren Abgabenschulden befreit werde wie natürliche Personen.
Im bereits zitierten Erkenntnis vom 26. Juni 1996, Zl. 95/16/0077 führte der Gerichtshof aus, die Haftung des § 9 BAO sei subsidiär und akzessorisch. Eine Person dürfe demnach nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Hauptschuldner seiner Verbindlichkeit nicht nachkomme. Die Haftungsschuld sei weiters ihrem bloß sichernden Charakter zufolge in ihrem Bestand von der Existenz der Hauptschuld abhängig. Sei die Hauptschuld nicht (nicht gültig) entstanden oder sei sie erloschen, sei auch eine Haftung für diese nicht denkbar, ihre Geltendmachung wäre unzulässig, die Haftung somit rechtswidrig begründet. Aus dem Wesen dieser Akzessorietät ergebe sich auch, dass die Haftung für mehr nicht bestehe und für mehr nicht begründet werden könne, als der Hauptschuldner leisten müsse. Der rechtskräftig bestätigte Ausgleich führe zu einem teilweisen Erlöschen der Verbindlichkeit, der Schuldner brauche seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich nicht zu ersetzen. Dass die Verbindlichkeit nicht untergehe, sondern zu einer natürlichen Verbindlichkeit herabgedrückt werde, bedeute nur, dass sie im Umfang der durch früher gestellte Bürgen und Pfänder gesichert bleibe. Der angefochtene Bescheid erweise sich (abgesehen davon, dass auch die objektive Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld nicht geprüft worden sei) - insoweit nun im Gegensatz zum vorgenannten Erkenntnis Zl. 89/15/0106 - als rechtswidrig, weil die eingetretene Befreiung des Primärschuldners und die infolge der Akzessorietät der Haftung gegebene Befreiung des erst nach rechtskräftiger Bestätigung des Zwangsausgleichs herangezogenen Haftenden nicht berücksichtigt worden seien. Die entsprechend dem rechtskräftig bestätigten Zwangsausgleich eingetretene Haftungsbefreiung komme somit infolge der Akzessorietät der Haftung gemäß § 9 BAO auch dem Vertreter zugute; die Haftung nach § 9 BAO verlange, dass die Abgabenschuld entstanden sei, also ein Abgabentatbestand hinsichtlich seiner persönlichen und sachlichen Komponente verwirklicht und aufrecht sei.
Der Gerichtshof gestand zwar zu, daß seine Ausführungen im Widerspruch zum Erkenntnis Zl. 89/15/0106 stünden, erachtete die Beschlussfassung durch einen verstärkten Senat aber mit der Begründung für nicht erforderlich, dass das zitierte Erkenntnis Zl. 89/15/0106 zu den Bestimmungen der WAO und nicht zur BAO ergangen sei.
In den Erkenntnissen vom 20. November 1996, Zl. 93/15/0006, und vom 19. März 1998, Zl. 95/15/0064, führte der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf das Erkenntnis Zl. 95/16/0077 aus, dass die Geltendmachung der Vertreterhaftung nach § 9 BAO nach rechtskräftiger Bestätigung des Ausgleichs bzw. Zwangsausgleichs und Entrichtung der Ausgleichsquote durch den Schuldner in dem die Quote übersteigenden Ausmaß beim Haftungspflichtigen unzulässig sei. Der rechtskräftig bestätigte Ausgleich führe zu einem teilweisen Erlöschen der Verbindlichkeit, der Schuldner brauche seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich nicht zu ersetzen. Auch im Fall einer Berufung gegen einen erstinstanzlichen Haftungsbescheid, bei dessen Erlassung diese Voraussetzung noch nicht gegeben gewesen sei, habe die Berufungsbehörde die in der Zwischenzeit eingetretene Befreiung des Erstschuldners von den Verpflichtungen zu berücksichtigen; dies ergebe sich einerseits aus dem Umstand, dass die Abgabenbehörde zweiter Instanz bei einer meritorischen Entscheidung gemäß § 289 Abs. 2 BAO berechtigt (und verpflichtet) sei, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen, und andererseits die meritorische Berufungsentscheidung die Wirkung habe, dass der mit Berufung bekämpfte Bescheid voll und ganz in der Berufungserledigung aufgehe. Ob der Erstschuldner von seinen Verpflichtungen gemäß § 156 Abs. 1 KO teilweise befreit worden sei, hänge auch nicht von der Erlassung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides bzw. von der damit verbundenen Rechtsfolge der Einbeziehung des Haftungspflichtigen in das Gesamtschuldverhältnis ab, werde doch über seine Stellung als Gesamtschuldner im Streitfall vor den Verwaltungsinstanzen erst von der Abgabenbehörde zweiter Instanz endgültig entschieden. Dass die in Rede stehende Befreiung von Verpflichtungen auch dem abgabenrechtlich persönlich Haftungspflichtigen zugute komme, folge aus der Akzessorietät der Haftung, die verlange, dass die Abgabenschuld entstanden sei, also ein Abgabentatbestand hinsichtlich seiner persönlichen (steuersubjektbezogenen) und sachlichen (steuergegenstandbezogenen) Komponente verwirklicht und der Abgabenanspruch aufrecht sei, unabhängig davon, ob beim Erstschuldner die Möglichkeit der Geltendmachung oder der Einbringung bestehe oder mangle. Sei jedoch der Steuergegenstand sachlich oder seien die Abgabenschuldner persönlich befreit und sei eine Abgabenschuld erst gar nicht entstanden, so könne auch ein prinzipiell Haftender nicht zur Haftung herangezogen werden.
Im Erkenntnis vom 20. November 1996, Zl. 96/13/0027, folgte der Gerichtshof in einem zur WAO zu beurteilenden Beschwerdefall der Rechtsansicht des Erkenntnisses Zl. 95/16/0077. Eine Beschlussfassung durch einen verstärkten Senat erachtete der erkennende Senat deshalb nicht für erforderlich, weil sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25. Juni 1990, Zl. 89/15/0106, mit der Frage, ob die Haftung bereits mit der Erlassung des erstbehördlichen Haftungsbescheides oder erst mit dem Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides oder im Berufungsfall erst mit der Erlassung des Berufungsbescheides verbindlich werde und erst solcherart die Rechtsfolge des § 151 KO auslöse, nicht ausdrücklich auseinandergesetzt habe. Der Gerichtshof stellte sich in diesem Erkenntnis auch auf den Standpunkt, im Hinblick auf die Akzessorietät könne die Bestimmung des § 171 letzter Satz WAO idF des LGBl. für Wien, Nr. 40/1992, wonach ein erfüllter Ausgleich oder Zwangsausgleich die Geltendmachung von Haftungen nicht hindere, in einem Fall, in welchem ein Haftungsbescheid zum Zeitpunkt des rechtskräftig bestätigten Zwangsausgleichs noch nicht rechtskräftig sei, die Geltendmachung der Haftung nicht rechtfertigen. Demgegenüber bestätigte allerdings in jüngster Zeit der Gerichtshof im Erkenntnis vom 25. Jänner 1999, Zl. 94/17/0229, ausdrücklich unter Hinweis auf § 171 WAO in der eben zitierten Fassung einen angefochtenen Bescheid, in dem die Haftungsinanspruchnahme nach rechtskräftiger Annahme des Zwangsausgleichs für die nicht durch die Ausgleichsquote abgedeckte Abgabenschuld erfolgt war.
Weiters stimmte der Gerichtshof im Erkenntnis vom 19. November 1998, Zl. 97/15/0132, - einen Haftungsfall nach der BAO betreffend - der Ansicht der belangten Behörde zu, dass mit der Erlassung eines Haftungsbescheides bis zu einem allfälligen Abschluss eines Zwangsausgleichs nicht zugewartet werden müsse; zur oben aufgeworfenen Rechtsfrage merkte er an, es müsse aus der Sicht des Beschwerdefalles nicht untersucht werden, ob die dem Erkenntnis Zl. 95/16/0077 zu Grunde liegende Rechtsansicht weiter aufrecht erhalten werden könne.
Hingegen sprach der Gerichtshof im Erkenntnis vom 22. Dezember 1998, Zl. 94/08/0249, zu der mit § 9 BAO übereinstimmenden Norm des § 67 ASVG - derzufolge die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit haften, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können - aus, dass den in § 67 Abs. 10 ASVG genannten Personen die Bereinigungswirkung des Zwangsausgleichs nicht zugute komme. In diesem Erkenntnis führte der Gerichtshof - auch in Auseinandersetzung mit der gegenteiligen abgabenrechtlichen Judikatur - u.a. aus, dass gemäß den §§ 48 AO und 151 KO die Rechte der Konkursgläubiger gegen Bürgen oder Mitschuldner des Gemeinschuldners sowie gegen Rückgriffsverpflichtete durch den (Zwangs-)Ausgleich ohne ausdrückliche Zustimmung der Berechtigten nicht beschränkt werden dürften. Aus den §§ 73 Abs. 2 und 74 AO bzw. 164 Abs. 2 und 164a KO, die eine Ausnahme hinsichtlich der persönlich haftenden Gesellschafter bzw. gewesenen Gesellschafter bildeten, dürfe nicht ein allgemeiner Rechtssatz abgeleitet werden, der auch auf Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung als Rückgriffsverpflichtete anzuwenden sei. Eine Haftung des Geschäftsführers sei dann zu verneinen, wenn dieser zwar die Beiträge schuldhaft nicht entrichtet habe, die Beitragsschuld beim Hauptschuldner aber etwa nicht uneinbringlich geworden, sondern verjährt sei. Nur insoweit könne von einer Akzessorietät von Beitragsschuld und Haftung gesprochen werden. Dieser Gedanke der Akzessorietät könne aber nicht insoweit verselbstständigt werden, dass Vertreter von der Haftung auch in Konstellationen freigestellt würden, die geradezu im Kernbereich der ratio legis lägen und zu einer kaum verständlichen Ungleichbehandlung innerhalb verschiedener Fälle von Uneinbringlichkeit führten. Es wäre ein schwer verständlicher Wertungswiderspruch des Gesetzgebers, wenn das gleiche Verhalten, das zur Uneinbringlichkeit führt, in jenen Fällen, in denen durch die Wirkung des Ausgleichs die Uneinbringlichkeit als geradezu manifestiert angesehen werden müsse, zur Haftungsfreistellung führen würde. Auch wäre kaum nachvollziehbar, welche Gründe dafür sprächen, dass es bei diesem Effekt auf den Zeitpunkt der Erlassung bzw. der Rechtskraft des Haftungsbescheides mit der Wirkung ankommen solle, dass bei einer Erledigung des Haftungsverfahrens vor dem Zustandekommen des Ausgleichs die Haftung des Geschäftsführers unausweichlich weiter bestünde, danach aber nicht mehr festgestellt werden dürfte.
Der Gerichtshof vermag die im Erkenntnis Zl. 95/16/0077 und darauf aufbauend insbesondere in den Erkenntnissen Zlen. 93/15/0006 und 95/15/0064 enthaltene Rechtsansicht betreffend die Haftung eines Vertreters gemäß §§ 80ff BAO nach bestätigtem (Zwangs-)Ausgleich nicht aufrecht zu erhalten, weshalb er gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG die Verstärkung des Fünfersenates beschlossen hat.
Grundsätzlich übereinstimmend mit der sozialversicherungsrechtlichen Judikatur folgerte der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25. Juni 1990, Zl. 89/15/0106, dass der nach § 9 BAO haftende Vertreter die durch den Ausgleich bewirkte Befreiung des Primärschuldners von der Abgabenverbindlichkeit nicht für sich in Anspruch nehmen könne.
Der Ausgangspunkt der Überlegungen im Erkenntnis Zl. 95/16/0077 war die Akzessorietät der Haftung des Vertreters nach § 9 BAO. In Bezug auf die Vertreterhaftung ist aber - insoweit in Abkehr von der mit dem Erkenntnis Zl. 95/16/0077 entwickelten Judikaturlinie - den Ausführungen im oben wiedergegebenen Erkenntnis Zl. 94/08/0249 darin zu folgen, dass der Gedanke der Akzessorietät nicht losgelöst von den ihn bestimmenden Gesichtspunkten insoweit verselbständigt werden kann, dass Vertreter von der im öffentlichen Recht wurzelnden Abgabenhaftung auch in Konstellationen freigestellt würden, die geradezu im Kernbereich der ratio legis liegen. Die Haftung ist nur insofern akzessorisch, als sie das Bestehen des Abgabenanspruchs zur Zeit der Verwirklichung des die Haftung auslösenden Sachverhalts voraussetzt. Ob ein Erlöschen der Schuld auch dem Haftungspflichtigen zugute kommt, ist hingegen nach dem Zweck der den Schulderlöschensgrund beinhaltenden jeweiligen Vorschrift zu prüfen. Davon ausgehend stellt nach dem oben Gesagten der (Zwangs-)Ausgleich des Primärschuldners keinen Grund für die Befreiung des Haftungspflichtigen dar.
Es wäre auch sachlich nicht zu rechtfertigen, dass es zur Haftungsfreistellung auf den grundsätzlich nicht vorhersehbaren Zeitpunkt der (letztinstanzlichen) Erlassung des Haftungsbescheides ankommen sollte; dies mit der Wirkung, dass bei einer Erledigung vor Bestätigung des (Zwangs-)Ausgleichs die Haftung des Geschäftsführers unausweichlich weiter bestünde (die Bestätigung des Zwangsausgleichs bildet auch keinen Wiederaufnahmegrund, vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 98/14/0090), danach aber nicht mehr festgestellt werden dürfte. Es käme dabei vom Sicherungsgedanken des Abgabengläubigers durch die Haftungsbestimmungen her auch zu einer sachlich nicht begründbaren Differenzierung zu der jedenfalls in vollem Umfang gegebenen Haftung eines Geschäftsführers bei (bloßem) Konkurs des Primärschuldners.
Die Haftung nach § 9 BAO ist einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nachgebildet, denn diese gesetzlich begründete Mitschuld hat ein pflichtwidriges Verhalten der Vertreters und einen dadurch bewirkten (zu befürchtenden) Einnahmenausfall der Finanzbehörde zur Voraussetzung. Durch die Normierung einer Mithaftung im Abgabenverfahren wird die Einbringung einer Schadenersatzklage entbehrlich. Auch unter diesem Gesichtspunkt erweist sich die Ansicht als gerechtfertigt, dass der Abschluss eines (Zwangs-)Ausgleichs keinen Einfluss auf die Haftung nach § 9 BAO hat und zum Einen die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vertreters und dem eingetretenen Schaden (mit der Folge der oben dargelegten Haftungsbegrenzung) zu beachten ist, zum Anderen der Abschluss eines (Zwangs-)Ausgleichs keinesfalls den (teilweisen) Untergang der Ersatzforderung bewirkt.
Der Verwaltungsgerichtshof gelangt somit zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass eine rechtskräftige Bestätigung eines (Zwangs-)Ausgleichs des Primärschuldners der Geltendmachung der Haftung nach den §§ 80ff BAO auch für die die Ausgleichsquote übersteigenden Abgabenschulden nicht entgegensteht.
Da somit dem angefochtenen Bescheid im Ergebnis die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. September 1999
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