VwGH 96/05/0124

VwGH96/05/01249.11.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Richard Knopf in Wien, vertreten durch Dr. Theodor Strohal und Dr. Wolfgang G. Kretschmer, Rechtsanwälte in Wien I, Wiesingerstraße 6, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 26. Februar 1996, Zl. MD-VfR - B XIV - 49/95, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: STABEG Apparatebaugesellschaft m.b.H in Wien, vertreten durch Dr. Alois Zehetner, Rechtsanwalt in Amstetten, Graben 42), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §101 Abs3 idF 1993/049;
BauO Wr §101 Abs3 idF 1993/049;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist nunmehr Eigentümer der Liegenschaft in Wien XIV, Reinlgasse 3. Der Mitbeteiligten gehört die Nachbarliegenschaft Reinlgasse 5-9. Am 17. Juni 1943 suchte die Mitbeteiligte zum Zwecke der Ausweitung ihrer Produktionsstätte für Luftwaffengeräte um die Erteilung einer Baubewilligung auf dem nunmehr dem Beschwerdeführer gehörigen Grundstück für die Errichtung einer Baracke an. Nach dem Bauplan sollte diese Baulichkeit unmittelbar an der Grenze errichtet werden und keine eigene Feuermauer aufweisen; in der Feuermauer des Gebäudes der Liegenschaft Reinlgasse 5 war eine 1,20 m breite und 2,30 m hohe Türöffnung vorgesehen, durch die die neu zu errichtende Baracke erreicht werden sollte.

Mit Bescheid vom 28. August 1943 erteilte die Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien der Mitbeteiligten gemäß § 71 der Bauordnung für Wien die begehrte Bewilligung.

Vorgeschrieben wurde u.a.:

"1.) Die Baulichkeit ist auf Verlangen der Baubehörde zwei Jahre nach Beendigung des gegenwärtigen Krieges, jedenfalls aber im Zeitpunkte des Erlöschens des Pachtvertrages zu beseitigen. Für die Einhaltung dieser Verpflichtung haften die Bauwerberin, der Grundeigentümer und deren beider Rechtsnachfolger.

2.) Gem. § 101, Abs. 3, d.B.O.f.W. ist die in der Feuermauer des Hauses 14., Reinlgasse 5, auf der Liegenschaft E.Z.825, Penzing, bestehende Türöffnung im Zeitpunkte der Abtragung des gegenständlichen Werkstättengebäudes in vorschriftsgemäßer Stärke wieder abzumauern.

...

10.) Die Verpflichtung gem. Pkt. 1 dieses Bescheides ist gemäß § 130, Abs. 1, Pkt.e, d.B.O.f.W. in der Einlagezahl 575 des Grundbuches Penzing ersichtlich zu machen. Diese Ersichtlichmachung wird von der Behörde veranlasst werden."

Zur Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, die Baubewilligung habe nur gemäß § 71 der BauO für Wien erteilt werden können, weil das Gebäude nur vorübergehenden Zwecken diene und der Grundeigentümer seine Zustimmung nur befristet erteilt habe. Der Bescheid wurde an die Bauwerberin und Eigentümerin der Liegenschaft Reinlgasse 5-9 sowie an den Eigentümer der Liegenschaft Reinlgasse 3 gerichtet. Die Verpflichtung zur Abtragung der Baulichkeit gemäß Pkt. 1 der Vorschreibungen wurde im Gutsbestandsblatt bei der Liegenschaft Reinlgasse 3 ebenso wie das Superädifkat ersichtlich gemacht.

Mit Bescheid vom 17. Juli 1995 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37/14, der Eigentümerin dieser Baulichkeit und dem Grundeigentümer (dem Beschwerdeführer) den Auftrag, binnen sechs Monaten nach Rechtskraft des Bescheides die Baulichkeit abtragen zu lassen. Zufolge Berufung der hier Mitbeteiligten wurde dieser Bescheid von der belangten Behörde mit Bescheid vom 26. Februar 1996, Zl. MD-VfR - B XIV- 38/95, gemäß § 66 Abs. 4 AVG aufgehoben. Die Bauoberbehörde prüfte die Vorfrage, ob der im Pkt. 1 des Bescheides vom 28. August 1943 beschriebene Pachtvertrag erloschen sei, oder ein Pachtverhältnis weiter bestehe, nach den ihr vorliegenden Unterlagen dahingehend, dass das Vertragsverhältnis aufrecht sei. Daher sei die Baubewilligung nicht durch "Erlöschen des Pachtvertrages" weggefallen. Der mit dem bei der belangten Behörde angefochtenen Bescheid erteilte Auftrag zur Beseitigung eines vermeintlich konsenslosen Bestandes sei verfrüht. Konsenslosigkeit liege erst dann vor, wenn rechtskräftig die damals erteilte Baubewilligung widerrufen werde.

Hier gegenständlich ist die Eingabe des Beschwerdeführers vom 17. Juli 1995, die auszugsweise wie folgt lautet:

"Betrifft: Widerruf der Bewilligung für eine Feuermaueröffnung auf der Liegenschaft 14, Reinlgasse 5, EZ 825 der KG Penzing.

Mit Bescheid vom 28.8.1943 ... wurde auf jederzeitigen Widerruf die Bewilligung erteilt, in der Feuermauer welche zur Nachbarschaft 14., Reinlgasse 3 gerichtet ist, eine Türöffnung herzustellen. Hiermit widerrufe ich als Grundeigentümer der Liegenschaft 14., Reinlgasse 3 die Zustimmung meines Rechtsvorgängers für die Feuermaueröffnung. Die Notwendigkeit für das bauordnungsgemäße Schließen der Feuermaueröffnung ergibt sich aus meiner Absicht auf der Liegenschaft 14., Reinlgasse 3 zu bauen."

Eingangs der darüber anberaumten Verhandlung vom 27. September 1995 wurde festgehalten, dass der Antragsteller auf seinem Antrag, die Feuermaueröffnung im Sinne des § 101 Abs. 3 BauO für Wien schließen zu lassen, beharre.

Die mitbeteiligte Bestandnehmerin und Eigentümerin des Grundstückes Reinlgasse 5-9 sprach sich gegen diesen Antrag aus. Sie verwies auf die materielle Rechtskraft des Bescheides vom 28. August 1943, in dem der verfahrensgegenständliche Durchbruch im Spruch bewilligt wurde. Die im Pkt. 1 der Auflagen dieses Bescheides genannten Voraussetzungen für einen Widerruf lägen nicht vor, zumal zwischen der Mitbeteiligten und dem Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers am 5. Juli 1957 ein Mietvertrag auf unbestimmte Dauer abgeschlossen worden sei. Der Beschwerdeführer entgegnete in der Verhandlung, dass der im Pkt. 1 jenes Bescheides genannte Pachtvertrag nicht mehr vorliege. Nur auf diesen Vertrag könne sich denknotwendigerweise der Pkt. 1 des Bescheides beziehen. Der Vertrag vom 5. Juni 1957 stelle ein neues Vertragsverhältnis zwischen den Parteien dar, wobei im Text des neuen Vertrages kein Bezug auf einen älteren Vertrag genommen wurde. Die Mitbeteiligte legte einen Mietvertrag vom 20. September 1948 vor und erklärte, dass seit dem Jahre 1943 ein aufrechtes Bestandverhältnis zwischen der Mitbeteiligten und dem Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers bestehe. Der Beschwerdeführer erklärte abschließend in dieser Verhandlung, dass er auf der Schließung der Feuermaueröffnung bestehe.

Der vorgelegte Mietvertrag vom 20. September 1948 sah vor, dass hinsichtlich des gegenständlichen Bestandobjektes das Mietverhältnis ab 1. Jänner 1944 auf die Dauer von 15 Jahren, also bis 31. Dezember 1958, fix abgeschlossen wurde. Der vorgelegte Mietvertrag vom 5. Juni 1957 betrifft dasselbe Objekt und sah vor, dass das Mietverhältnis ab 1. Juli 1957 bis 31. Dezember 1968 fix und für beide Seiten unkündbar gelten solle; weiters war vorgesehen, dass das Bestandverhältnis, wenn es nicht mindestens ein Jahr vor der elfeinhalbjährigen Dauer aufgekündigt werde, auf unbegrenzte Zeit gelte.

Mit Bescheid vom 25. Oktober 1995 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, gemäß § 101 Abs. 1 und 3 der BauO für Wien der Mitbeteiligten als Eigentümerin des Hauses Reinlgasse 5 den Auftrag, den Türdurchbruch in der linken Feuermauer des Betriebsgebäudes Reinlgasse 5-9 zwischen der Werkstatt und dem Arbeitsraum des Hintertraktes der Liegenschaft Reinlgasse 3 der Bauordnung entsprechend zu schließen; dazu wurde eine Leistungsfrist angeordnet. Schließlich heißt es in diesem Bescheid:

"Gleichzeitig wird die Bewilligung für diesen Feuermauerdurchbruch vom 28. August 1943, ..., widerrufen."

In ihrer dagegen erstatteten Berufung führte die Mitbeteiligte aus, die Auflagenpunkte 1 und 2 des Bescheides vom 28. August 1943 würden exakt die Bestandsdauer der Feuermaueröffnung umschreiben. Sie sei seit damals kontinuierlich Mieterin des betreffenden Objektes. Der Beschwerdeführer sei als Rechtsnachfolger an diese Auflagen gebunden, weshalb ihm die materielle Antragslegitimation im Sinne des § 101 Abs. 3 BauO für Wien fehle. Der Auflagenpunkt 2 des Bescheides vom 28. August 1943 stelle ausdrücklich auf den "Zeitpunkt der Abtragung" des Werkstättengebäudes ab. Eine rechtskräftige Abbruchsverpflichtung wäre die präjudizielle Vorfrage für das Entstehen der Abmauerungsverpflichtung im Sinne dieses Auflagenpunktes. Eine solche Abbruchsverpflichtung liege aber nicht vor, weil das Bestandverhältnis zugunsten der Mitbeteiligten kontinuierlich verlängert worden sei. Dem Beschwerdeführer komme seit der Novelle LGBl. Nr. 34/1992 der BauO für Wien kein Anspruch auf Brandschutz zu.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG den erstinstanzlichen Bescheid vom 25. Oktober 1995 auf. Die belangte Behörde verwies auf ihren Bescheid vom selben Tag, betreffend den Abbruch des Werkstättengebäudes, aus dem sich ergebe, dass die Baubewilligung betreffend das Werkstättengebäude noch aufrecht sei. In jenem Bescheid wurde die Vorfrage, ob der im Bescheid vom 28. August 1943 erwähnte Pachtvertrag erloschen sei, dahingehend beantwortet, dass die Mitbeteiligte bis jetzt aufgrund einer Vertragsbeziehung zum Liegenschaftseigentümer berechtigt sei, eine Teilfläche des Grundstückes des Beschwerdeführers für ihr Bauwerk zu benützen. Daraus habe sich ergeben, dass die Baubewilligung nicht durch "Erlöschen des Pachtvertrages" weggefallen sei.

Aufgrund des Bescheides vom 28. August 1943 ging die belangte Behörde von einer unlösbaren Verbindung zwischen der Bewilligung des Werkstättengebäudes und dem Feuermauerdurchbruch aus. Es sei damit genau der Zeitpunkt festgelegt worden, zu dem der Feuermauerdurchbruch wieder zu verschließen sei. Wie lange dieser Feuermauerdurchbruch weiter bestehen dürfe, hänge davon ab, welche Verfügungen die Baubehörde hinsichtlich des Werkstättengebäudes treffe.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer im gesetzlich gewährleisteten Recht auf Brand- bzw. Feuerschutz verletzt. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die Mitbeteiligte, eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde ein Bescheid der Baubehörde erster Instanz gemäß § 66 Abs. 4 AVG aufgehoben, mit welchem einerseits gemäß § 101 Abs. 1 und 3 der BauO für Wien (hier in der zuletzt durch die Novelle LGBl. Nr. 49/1993 geänderten Fassung; BO) der Mitbeteiligten aufgetragen wurde, den Türdurchbruch in ihrer Feuermauer zu schließen. Andererseits wurde die Bewilligung für diesen Feuermauerdurchbruch vom 28. August 1943 widerrufen. Es ist daher zu prüfen, inwieweit durch einen derartigen Abspruch bzw. durch die Aufhebung eines derartigen Bescheides der Beschwerdeführer in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sein konnte.

Gemäß § 134 Abs. 1 BO ist Partei im Sinne des § 8 AVG in allen Fällen, in denen ein baubehördlicher Bescheid auf ein in diesem Gesetz vorgeschriebenes Ansuchen ergeht, der Antragsteller; soferne es sich um einen von Amts wegen erlassenen Bescheid handelt, ist gemäß § 134 Abs. 7 BO die Person Partei, die hiedurch zu einer Leistung, Unterlassung oder Duldung verpflichtet wird.

Was den Auftrag, den Türdurchbruch zu schließen, betrifft, ist eine Antragslegitimation für den Beschwerdeführer nicht erkennbar. Vielmehr handelte es sich um einen von Amts wegen erlassenen Bescheid im Sinne des § 134 Abs. 7 BO, wobei der Beschwerdeführer weder zu einer Leistung noch zu einer Unterlassung oder Duldung verpflichtet wurde. Insoferne lag eine Parteistellung des Beschwerdeführers nicht vor und wurden weder durch den erstinstanzlichen noch durch den Berufungsbescheid subjektiv-öffentliche Rechte des Beschwerdeführers berührt.

§ 101 Abs. 3 BauO für Wien in der am 28. August 1943 geltenden Stammfassung LGBl. Nr. 11/1930 lautete:

"Die Herstellung von Öffnungen in Feuermauern gegen Widerruf ist zu gestatten und so lange zulässig, als der Eigentümer der Nachbarliegenschaft zustimmt und keine öffentlichen Rücksichten entgegenstehen."

Nunmehr lautet § 101 Abs. 3 BO wie folgt:

"Die Herstellung von Öffnungen in Feuermauern ist mit Zustimmung der Eigentümer der Nachbarliegenschaft nur gegen jederzeitigen Widerruf zulässig, sofern keine öffentlichen Rücksichten entgegenstehen. Die Bewilligung ist zu widerrufen, sobald die Eigentümer der Nachbarliegenschaft oder öffentliche Interessen dies verlangen."

Durch den zweiten Satz dieser Bestimmung, der durch die Bauordnungsnovelle 1976 angefügt wurde, wurde die unzweifelhaft schon nach der alten Rechtslage gegebene Antragslegitimation im Sinne des § 134 Abs. 1 BO präzisiert. Der Beschwerdeführer war im vorliegenden Verfahren, soweit im erstinstanzlichen Bescheid die Bewilligung für den Feuermauerdurchbruch widerrufen wurde und im zweitinstanzlichen Bescheid dieser Widerruf aufgehoben wurde, Partei. Ein derartiger Antrag ist zwar seiner Eingabe vom 17. Juli 1995 noch nicht zu entnehmen, ergibt sich aber aus dem Protokoll über die Verhandlung vom 27. September 1995. Er hatte daher einen Anspruch darauf, dass über sein Widerrufsbegehren entschieden werde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seiner Beschwerde zwar in einem "Recht auf Brandschutz" verletzt, obwohl ihm in seiner Stellung als Nachbar ein derartiges Recht nicht mehr zusteht, weil der erschöpfende Katalog des § 134a BO Bestimmungen über den Brandschutz nicht als solche aufzählt, die subjektiv-öffentliche Nachbarrechte begründen. Aus seinem übrigen Beschwerdevorbringen, in welchem er mehrfach auf § 101 BO verweist, ergibt sich jedoch, dass er sein bisheriges Begehren auf Widerruf der Bewilligung aufrecht erhält, sodass der Beschwerdepunkt offenbar bloß missverständlich formuliert wurde.

Die Berufungsbehörde entschied (auch) über jenen Bescheidspruch, mit welchem über einen Antrag des Beschwerdeführers abgesprochen worden war, mittels "Aufhebung gemäß § 66 Abs. 4 AVG". Die Berufungsbehörde hat aber, wenn der meritorischen Entscheidung der Vorinstanz (auch) ein Antrag der Partei zugrunde lag - abgesehen vom Fall des § 66 Abs. 2 AVG - über diesen Antrag abzusprechen. Eine - nicht auf § 66 Abs. 2 AVG gegründete - Behebung vorinstanzlicher Bescheide hätte nämlich zur Folge, dass die Unterbehörde über den Gegenstand nicht mehr neuerlich entscheiden darf und dass somit der auf die Entscheidung der Vorinstanz Bezug habende Parteienantrag unerledigt bliebe. Fehlen die rechtlichen Voraussetzungen für eine ersatzlose Behebung der erstinstanzlichen Erledigung und wäre daher ein Abspruch über die dem Bescheid zugrunde liegenden Anträge des Beschwerdeführers vorzunehmen, ist ein solcher Bescheid der Berufungsbehörde mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet (hg. Erkenntnis vom 5. Mai 1994, Zlen. 92/06/0168, 0170 und 93/06/0025, m.w.N.). Aufgabe der Berufungsbehörde ist es nämlich, sich mit der ihr vorliegenden Verwaltungssache in gleicher Weise wie die Behörde erster bzw. der unteren Instanz zu befassen. Sie hat daher den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen und rechtlich zu beurteilen und ein allenfalls bestehendes Ermessen auszuüben. Demgemäß hat die Sachentscheidung der Berufungsbehörde - abgesehen vom Fall des § 66 Abs. 2 AVG - in einer Bestätigung oder Abänderung des angefochtenen Bescheides zu bestehen (hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1994, Slg. Nr. 14.061/A).

Die Aufhebung eines Bescheides nach § 66 Abs. 2 AVG setzt eine Begründung dafür voraus, warum die Fortsetzung des Verfahrens nicht im Zuge des Berufungsverfahrens, sondern nur im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung durch die Unterbehörde vorgenommen werden kann. Dies gilt auch für solche aufhebenden Bescheide, die sich zwar im Spruch auf § 66 Abs. 4 AVG stützen, die Angelegenheit jedoch keiner endgültigen meritorischen Erledigung zuführen und ihrem Wesen nach eine Entscheidung nach § 66 Abs. 4 AVG darstellen (Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 550, E 31b zu § 66 Abs. 2 AVG).

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage keinen meritorischen Sachabspruch im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG über den in der Verhandlung präzisierten Antrag des Beschwerdeführers traf, sondern lediglich eine durch die Rechtslage nicht gedeckte Behebung des erstinstanzlichen Bescheides verfügte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Allerdings wird aus prozessökonomischen Gründen darauf hingewiesen, dass der Verwaltungsgerichtshof einen Abspruch der Berufungsbehörde dahingehend, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Widerruf der Bewilligung zur Herstellung einer Öffnung in der Feuermauer abgewiesen werde, nicht als rechtswidrig angesehen hätte. Im Punkt 2 der Auflagen im Bescheid vom 28. August 1943 wurde die Bestanddauer der Feuermaueröffnung festgelegt; der Mitbeteiligten ist daraus das Recht auf Beibehaltung der Maueröffnung erwachsen, so lange ihr Werkstättengebäude auf dem Grund des Beschwerdeführers besteht; die Öffnung ist erst "im Zeitpunkt der Abtragung des gegenständlichen Werkstättengebäudes" zu verschließen. Diese Festlegung erfolgte, obwohl schon nach damaliger Rechtslage (§ 101 Abs. 3 BO in der Stammfassung: Die Herstellung von Öffnungen in Feuermauern gegen Widerruf ist zu gestatten und so lange zulässig, als der Eigentümer der Nachbarliegenschaft zustimmt und keine öffentlichen Rücksichten entgegenstehen) die jederzeitige Widerrufsmöglichkeit bestand. Die Rechtskraft dieses - auch dem Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers zugestellten - Bescheides hatten die Behörden bei Beurteilung des Antrages des Beschwerdeführers zu beachten.

Bei diesem Ergebnis war eine Erörterung des Beschwerdevorbringens betreffend die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften entbehrlich.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Mit den Pauschalsätzen wird auch die Umsatzsteuer abgegolten; die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

Von einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 9. November 1999

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