VwGH 94/15/0173

VwGH94/15/017322.4.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde der H in T, vertreten durch Dr. Franz Amler, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Brunngasse 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. August 1994, 6/5 - 1653/94-04, betreffend Aufhebung des Bescheides (Berufungsvorentscheidung) des Finanzamtes Lilienfeld hinsichtlich Umsatzsteuer für die Jahre 1987 bis 1989 und Einkommensteuer für das Jahr 1987 gemäß § 299 Abs 2 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §4 Abs1;
EStG 1972 §5;
VwRallg;
EStG 1972 §4 Abs1;
EStG 1972 §5;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von 13.280 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt eine Fremdenpension, in der in den Streitjahren in die Bundesbetreuung übernommene Flüchtlinge untergebracht waren. Sie ermittelt ihren Gewinn gemäß § 4 Abs 1 EStG.

Auf dem Betriebsgelände der Fremdenpension befindet sich ein als Araburg bezeichnetes Gebäude (idF: Araburg), das in den Jahren 1987 bis 1989 renoviert und im Herbst des Jahres 1989 fertiggestellt wurde. Bei der Araburg handelt es sich um ein kleines Häuschen mit zwei Türmchen, das auf einem alten Natursteinmauerwerk errichtet wurde. Im Inneren der Araburg befindet sich nur ein Raum, der durch einen Vorhang in einen Schlafraum, eingerichtet mit zwei Betten, Kleiderschrank und Nachtkästchen, sowie einem Aufenthaltsraum, eingerichtet mit einer Sitzgruppe, unterteilt ist. Weiters gibt es ein WC und einen Duschraum, die in den beiden Türmchen untergebracht und vom Schlafraum aus zugänglich sind. Die Araburg ist mittels eines offenen Kamins nur notdürftig beheizbar, weshalb sie im Winter nur eingeschränkt benutzbar bzw bewohnbar ist. Zwecks Renovierung der Araburg beantragte die Beschwerdeführerin im Jahr 1987 eine Bewilligung für die Errichtung einer Geräteabstellraumes, die im Jahr 1992 erteilt wurde. Dem für die Flüchtlingsunterbringung zuständigen Bundesminister für Inneres meldete die Beschwerdeführerin die Araburg nicht als mögliche Flüchtlingsunterkunft. Vom Juni bis November 1990, im Dezember 1990 und Jänner 1991 sowie im weiteren Verlauf des Jahres 1991 wohnten jeweils Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin in der Araburg.

Auf Grund der Ergebnisse einer die Streitjahre umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung erließ das Finanzamt im wiederaufgenommenen Verfahren Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, wobei es zur Begründung auf die Ausführungen des Prüfers im gemäß § 150 BAO erstatteten Bericht verwies. In diesem Bericht wird ausgeführt, bei der Araburg handle es sich um ein typisches Wochenendhaus. Die Ausstattung der Araburg sei bedeutend besser als jene der Zimmer in der Fremdenpension, die von Flüchtlingen bewohnt würden. Die Einrichtung der Araburg bestehe aus geschnitzten Möbeln und Bauernmöbeln. Hervorzuheben sei eine dort aufgestellte Musikbox (idF: Wurlitzer). Die Araburg sei vom Bereich der Fremdenpension durch einen Zaun getrennt, der mit der Aufschrift "Unbefugten Zutritt verboten" versehen sei. Aus dem Gesamtbild ergebe sich der private Charakter der Araburg. Es sei daher davon auszugehen, dass die Araburg nicht zum Zweck der Vermietung renoviert worden sei. Die Araburg sei somit nicht dazu bestimmt, dem Betrieb der Fremdenpension zu dienen und habe diesem Zweck in den Streitjahren auch tatsächlich nicht gedient. Da die Araburg nicht zum notwendigen Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin gehöre, seien die mit der Renovierung im Zusammenhang stehenden Aufwendungen steuerlich nicht zu berücksichtigen.

Mit Berufung wandte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ein, ihre erste Äußerung anlässlich der abgabenbehördlichen Prüfung, es handle sich bei der Araburg um ihr privates Refugium, sei erfolgt, weil für die Renovierung und den gleichzeitigen Umbau der Araburg keine Baubewilligung zu erhalten gewesen sei. Sie habe daher Bedenken gegenüber außenstehenden Dritten und insbesondere gegenüber Behörden jeder Art gehabt zu erklären, die Araburg sollte fremden Wohnzwecken dienen. Sie habe die Araburg niemals privat genutzt. Die Feststellung des Prüfers, bei der Araburg handle es sich um ein typisches Wochenendhaus, sei unzutreffend. Die Trennung der Araburg vom Bereich der Fremdenpension durch einen niedrigen Zaun sei aus sicherheitstechnischen Gründen erfolgt. Denn bei der Fremdenpension spielten immer viele Kinder, die in den bei der Araburg befindlichen Teich fallen könnten. Die Ausstattung der Araburg unterscheide sich nicht wesentlich von den Zimmern in der Fremdenpension. In der Araburg befänden sich bereits seit Jahren vorhandene alte Möbel. Der nicht mehr betriebsbereite, ebenfalls seit Jahren vorhandene Wurlitzer sei in der Araburg lediglich abgestellt worden. Wie der Prüfer zu Recht festgestellt habe, seien in der Araburg niemals Flüchtlinge untergebracht worden. Vielmehr hätten dort ihre Arbeitnehmer gewohnt. Die Araburg stelle daher notwendiges Betriebsvermögen mit allen steuerlichen Konsequenzen dar.

In einer Stellungnahme zur Berufung führte der Prüfer ua aus, die Ausstattung der Araburg unterscheide sich mit Ausnahme jener Räume, die als Wohnung der Beschwerdeführerin bzw ihres Ehemannes dienten, sehr wohl von der Ausstattung der Zimmer in der Fremdenpension, die von Flüchtlingen bewohnt würden. Die von den Flüchtlingen bewohnten Zimmer seien wegen der starken Abnutzung mit Billigmöbeln ausgestattet.

Nach Durchführung zweier Ortsaugenscheine, anlässlich derer niederschriftlich festgehalten wurde, die Araburg diene nicht Wohnzwecken der Beschwerdeführerin, vielmehr wohne sie in der Fremdenpension, gelangte das Finanzamt zur Ansicht, die Araburg gehöre zum notwendigen Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin, wobei es mittels Berufungsvorentscheidung die dementsprechenden steuerlichen Konsequenzen zog. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, eine private Nutzung der Araburg sei nicht nachweisbar. Vielmehr hätten in der Araburg Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin gewohnt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde die Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes gemäß § 299 Abs 2 BAO mit der Begründung auf, bei Abgabepflichtigen, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs 1 EStG ermittelten, könne als Anlagevermögen nur notwendiges Betriebsvermögen bei der Gewinnermittlung Berücksichtigung finden. Das notwendige Betriebsvermögen umfasse alle Wirtschaftsgüter, die schon ihrer objektiven Beschaffenheit nach dem Betrieb zu dienen bestimmt seien und ihm auch tatsächlich dienten, somit betrieblich verwendet würden. Dabei seien die Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes, die Beschaffenheit des Betriebes und des Berufszweiges des Abgabepflichtigen sowie die Verkehrsauffassung, nicht aber subjektive Motive, wie der Grund der Anschaffung, maßgebend. Auch vor seiner Inbetriebnahme könne ein Wirtschaftsgut zum notwendigen Betriebsvermögen gehören, wenn es dem Betrieb objektiv zu dienen bestimmt sei, die Inbetriebnahme aber vorübergehend aus betrieblichen Gründen unterbleibe und inzwischen auch keine nichtbetriebliche Nutzung stattfinde. Komme bei einem Wirtschaftsgut allerdings neben der betrieblichen auch eine private Nutzung in Betracht, sei die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen an die tatsächliche überwiegende betriebliche Nutzung des Wirtschaftsgutes geknüpft. Ein Wirtschaftsgut zähle damit nicht schon deshalb zum notwendigen Betriebsvermögen, weil es nicht privat genutzt werde, sondern es bedürfe vielmehr der tatsächlichen (überwiegenden) betrieblichen Verwendung als positive Voraussetzung für die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen. Eine bloß vorübergehende Nichtverwendung eines Wirtschaftsgutes vor Beginn der tatsächlichen betrieblichen Nutzung stehe der Beurteilung als notwendiges Betriebsvermögen nicht entgegen. Von einer solchen vorübergehenden Nichtverwendung könne jedoch nur dann die Rede sein, wenn der Abgabepflichtige ernsthaft darum bemüht sei, das aus betrieblichen Gründen augenblicklich nicht betrieblich verwendbare Wirtschaftsgut sobald als möglich der nach der Art des Wirtschaftsgutes in Betracht kommenden betrieblichen Nutzung zuzuführen. Es wäre erforderlich gewesen, bei einem sowohl zur betrieblichen als auch zur privaten Nutzung geeigneten Gebäude wie der Araburg, konkrete Handlungen zu setzen, die das ernsthafte Bemühen um eine betriebliche Nutzung zeitnah und zielgerichtet zum Ausdruck gebracht hätten. Dieser Nachweis könne durch bloße Behauptungen nicht erbracht werden. Auch die vorübergehende fallweise Nutzung der Araburg für Wohnzwecke eines Arbeitnehmers der Beschwerdeführerin vom Juni bis November 1990 führe nicht dazu, die Araburg im Streitzeitraum als zum notwendigen Betriebsvermögen gehörend anzusehen. Dazu komme, dass die Frage der Zugehörigkeit eines Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen aus der Sicht des jeweiligen Veranlagungsjahres und der in diesem Zeitraum bestehenden tatsächlichen Verhältnisse, keineswegs aber nach künftigen Möglichkeiten zu beurteilen sei. Die Argumentation des Finanzamtes, der nicht gelungene Nachweis einer privaten Nutzung der Araburg und deren Nutzung für Wohnzwecke von Arbeitnehmern der Beschwerdeführerin, sei ausschlaggebend für die Zugehörigkeit der Araburg zum notwendigen Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin, widerspreche Lehre und Rechtsprechung, weswegen die Berufungsvorentscheidung in Ausübung des Aufsichtsrechtes aufzuheben gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erstattete eine Replik zur Gegenschrift

der belangten Behörde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin hält dem angefochtenen Bescheid entgegen, sie habe nie die Absicht gehabt, die Araburg privat zu nutzen. Die Araburg sei auch tatsächlich niemals privat genutzt worden. Nach der Renovierung sei die Araburg immer wieder zu betrieblichen Zwecken verwendet worden. Sie betreibe eine Fremdenpension, wobei nach der Art des Betriebes sämtliche Wirtschaftsgüter auf dem Betriebsgelände notwendiges Betriebsvermögen darstellten, soferne sie nicht tatsächlich privat genutzt würden. Dies sei bei der Araburg nachgewiesenermaßen nicht der Fall. Dass die Araburg während der Renovierung, somit bis zum Herbst des Jahres 1989 nicht betrieblich genutzt worden sei, sei steuerlich ebenso unschädlich wie die bei Fertigstellung der Araburg noch fehlende Baubewilligung. Die Araburg habe von Anfang an tatsächlich dem Betriebszweck der Fremdenpension gedient, weswegen sie zum notwendigen Betriebsvermögen gehöre. Die in Ausübung des Aufsichtsrechtes erfolgte Aufhebung der Berufungsvorentscheidung erweise sich somit als rechtswidrig.

Gemäß § 299 Abs 2 BAO kann ein Bescheid von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides hängt somit davon ab, ob die durch ihn aufgehobene Berufungsvorentscheidung rechtmäßig war.

Zum notwendigen Betriebsvermögen gehören alle Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb zu dienen bestimmt sind und ihm auch tatsächlich dienen, somit betrieblich verwendet werden (vgl das hg Erkenntnis vom 12. Dezember 1995, 94/14/0091, mwA). Dabei sind die Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes, die Beschaffenheit des Betriebes und des Berufszweiges des Abgabepflichtigen sowie die Verkehrsauffassung, nicht aber subjektive Momente, wie zB der Grund der Anschaffung maßgebend. Kommt bei einem Wirtschaftsgut neben der betrieblichen auch eine private Nutzung in Betracht, ist die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen an die tatsächliche überwiegende betriebliche Nutzung des Wirtschaftsgutes geknüpft (vgl das hg Erkenntnis vom 21. Oktober 1986, 84/14/0054, mwA). Eine bloß vorübergehende Nichtverwendung eines Wirtschaftsgutes vor Beginn der tatsächlichen betrieblichen Nutzung steht der Beurteilung als notwendiges Betriebsvermögen nicht entgegen. Von einer solchen vorübergehenden Nichtverwendung des Wirtschaftsgutes kann aber jedenfalls nur dann die Rede sein, wenn der Abgabepflichtige ernsthaft darum bemüht ist, das aus betrieblichen Gründen augenblicklich nicht betrieblich verwendbare Wirtschaftsgut so bald als möglich der nach Art des Wirtschaftsgutes in Betracht kommenden betrieblichen Nutzung zuzuführen (vgl das hg Erkenntnis vom 13. September 1988, 87/14/0162).

Die Araburg wurde nach ihrer Fertigstellung im Herbst des Jahres 1989 zunächst auf Grund ihrer nur beschränkten Beheizbarkeit den Winter über nicht bewohnt. Ab Juni 1990 diente die Araburg Wohnzwecken von Arbeitnehmern der Beschwerdeführerin. Eine private Nutzung durch die Beschwerdeführerin erfolgte nach der Aktenlage nicht.

Die Araburg wurde somit nur einige Monate nach ihrer Renovierung weder betrieblich noch privat genutzt. Diese bloß einige Monate dauernde Nichtverwendung der Araburg vor ihrer tatsächlichen betrieblichen Verwendung steht ihrer Beurteilung als zum notwendigen Betriebsvermögen gehörend nicht entgegen. Die Verwendung der Araburg zu Wohnzwecken von Arbeitnehmern der Beschwerdeführerin zeigt das ernsthafte Bemühen, die Araburg sobald als möglich einer nach Art des Wirtschaftsgutes in Betracht kommenden betrieblichen Nutzung zuzuführen.

Die im angefochtenen Bescheid vertretene Ansicht, die Araburg gehöre nicht zum notwendigen Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin, erweist sich damit als rechtswidrig, weswegen der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben war. Es erübrigte sich daher ein Eingehen auf die in der Beschwerde weiters behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994. Das Mehrbegehren bezüglich Schriftsatzaufwand für die Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde war abzuweisen, weil mit dem zuerkannten pauschalierten Betrag der gesamte mit der Erhebung der Beschwerde anfallende Schriftsatzaufwand abgegolten ist. Das Mehrbegehren bezüglich Stempelgebührenersatz war abzuweisen, weil nach § 28 Abs 5 VwGG nur die Vorlage einer Bescheidausfertigung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war.

Wien, am 22. April 1999

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