VwGH 98/07/0072

VwGH98/07/007229.10.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde der IP in B, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Lienz, Muchargasse 19, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Kärntner Landesregierung vom 24. November 1997, Zl. Agrar-11-283/16/97, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in einer Angelegenheit der Bodenreform, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §6 Abs1;
AVG §63 Abs5 idF 1991/051;
AVG §63 Abs5 idF 1995/471;
AVG §63 Abs5;
AVG §71 Abs2;
AVG §71 Abs4;
AVG §6 Abs1;
AVG §63 Abs5 idF 1991/051;
AVG §63 Abs5 idF 1995/471;
AVG §63 Abs5;
AVG §71 Abs2;
AVG §71 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus den Beschwerdeschriften und der Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich im Zusammenhalt mit den hg. Erkenntnissen jeweils vom 17. Jänner 1997, 94/07/0114 und 94/07/0030, folgendes:

Mit Bescheid vom 15. Jänner 1992 stellte die Agrarbezirksbehörde Villach (AB) gemäß § 99 des Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979, LGBl. Nr. 64/1979, fest, daß die im Eigentum der Beschwerdeführerin stehende Liegenschaft EZ 119, KG. K., keine Stammsitzliegenschaft einer näher genannten Agrargemeinschaft sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin eine am 13. Februar 1992 zur Post gegebene, an die den Bescheid erlassende AB gerichtete Berufung, welche von der belangten Behörde mit Bescheid vom 15. November 1993 aus dem Grunde der Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen wurde. Die gegen diesen Zurückweisungsbescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Beschwerde wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 1997, 94/07/0030, als unbegründet abgewiesen.

In einem an die belangte Behörde gerichteten Schriftsatz vom 16. November 1993 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für den Fall einer tatsächlichen Versäumung der Berufungsfrist, welchen Antrag sie mit der Berufung gegen den Bescheid der AB vom 15. Jänner 1992 insoweit verband, als sie diese Berufung im folgenden neuerlich ausführte.

Diesen Antrag wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 14. März 1994 mit der Begründung ab, daß die Beschwerdeführerin ein die Wiedereinsetzung rechtfertigendes unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis nicht behauptet habe.

Auf Grund einer von der Beschwerdeführerin auch gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde dieser Bescheid der belangten Behörde vom 14. März 1994 mit dem hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 1997, 94/07/0114, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben. In der Begründung dieses Erkenntnisses traf der Verwaltungsgerichtshof folgende Ausführungen:

"Nach § 63 Abs. 5 AVG in seiner im Zeitpunkt sowohl des verfahrenseinleitenden Antrages der Beschwerdeführerin als auch der Einbringung der Berufung als auch der Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides geltenden Fassung gemäß BGBl. Nr. 5/1991 (vor der Novelle BGBl. Nr. 471/1995) war die Berufung von der Partei bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 24. Juni 1994, G 20-23/94-6, die Wortfolge "oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat" als verfassungswidrig aufgehoben, wobei die Aufhebung mit Ablauf des 30. Juni 1995 in Kraft trat. Auf den Beschwerdefall ist § 63 Abs. 5 AVG in der Fassung vor der Aufhebung der genannten Wortfolge durch den Verfassungsgerichtshof anzuwenden.

Die Beschwerdeführerin hat ihre Berufung bei der Agrarbehörde erster Instanz eingebracht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muß eine - wenn auch verspätete - bereits gesetzte Prozeßhandlung nicht nachgeholt werden, weshalb aber auch die belangten Behörde nicht jene Behörde war, bei welcher die versäumte Berufung vorzunehmen war, da die nochmalige Einbringung einer Berufung nicht erforderlich war und es demnach auch keine versäumte Handlung mehr gab, die im Sinne des § 71 Abs. 3 AVG vorzunehmen gewesen wäre vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. November 1994, 94/10/0156 bis 0158). Da die belangte Behörde somit nicht als jene Behörde angesehen werden konnte, bei welcher nach § 71 Abs. 4 AVG die versäumte Handlung vorzunehmen war, war die belangte Behörde auch zur Entscheidung über den bei ihr gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist nicht zuständig. Für dieses Ergebnis spricht auch der Umstand, daß einem Beschwerdeführer im Falle der Bejahung der Zuständigkeit der Berufungsbehörde zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag die Möglichkeit einer Berufung gegen die Entscheidung über die Wiedereinsetzung genommen würde (vgl. nochmals das bereits zitierter Erkenntnis vom 21. November 1994, 94/10/0156 bis 0158)."

Nach dem Ergehen dieses Erkenntnisses wurde der von der Beschwerdeführerin an die belangte Behörde gerichtet gewesene Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von der belangten Behörde an die AB übermittelt, bei welcher er am 26. Februar 1997 einlangte.

Mit Bescheid vom 30. Mai 1997 wurde der Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin vom 16. November 1993 von der AB mit der Begründung "abgelehnt", daß die unrichtige Adressierung des Wiedereinsetzungsantrages an die Berufungsbehörde statt an die Behörde erster Instanz gemäß § 6 Abs. 1 AVG zu Lasten der Beschwerdeführerin gehe, welche die in § 71 Abs. 2 AVG normierte Frist damit versäumt habe. Angaben über die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages fehlten in diesem, es sei zudem auch der Wiedereinsetzungsgrund nicht ausreichend präzisiert und glaubhaft gemacht worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen, wobei die belangte Behörde der von der AB gegebenen Begründung beitrat.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit seinem Beschluß vom 23. Februar 1998, B 94/98, deren Behandlung jedoch abgelehnt und sie auf Grund nachträglichen Antrages der Beschwerdeführerin mit Beschluß vom 18. Mai 1998 dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten hat.

Vor diesem Gerichtshof begehrt die Beschwerdeführerin die Bescheidaufhebung mit der Erklärung, sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf meritorische und auf stattgebende Erledigung ihres Wiedereinsetzungsantrages als verletzt anzusehen. Die Beschwerdeführerin trägt vor, daß das Einlangen ihres Wiedereinsetzungsantrages erst Jahre nach dessen Einbringung bei der zur Entscheidung darüber berufenen Erstbehörde rechtlich irrelevant sei, weil ihr nach der zum Zeitpunkt der Einbringung noch anzuwendenden Verfahrensvorschrift des § 63 Abs. 5 AVG in seiner Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 471/1995 das Wahlrecht zugestanden sei, den Wiedereinsetzungsantrag auch bei der Berufungsbehörde einzubringen. Von diesem Wahlrecht habe die Beschwerdeführerin Gebrauch gemacht, weshalb der Zeitpunkt des Einlangens des Antrages bei der Erstbehörde unbeachtlich sei. Zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde habe schon ein vorgefertigter Bescheidentwurf existiert, zu welchem der Beschwerdeführerin kein Parteiengehör gewährt worden sei. Hätte man ihr zu diesem Bescheidentwurf Parteiengehör gewährt, dann wäre "aus oben genannten Gründen die Berufung erfolgreich gewesen".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 1 AVG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus dem in § 6 Abs. 1 AVG genommenen Verweis auf die Gefahr des Einschreiters die Konsequenz, daß die Einbringungsfrist für eine fristgebundene Eingabe im Falle deren Adressierung an die zur Erledigung dieser Eingabe unzuständige Behörde nur dann gewahrt ist, wenn die unzuständige Behörde das Anbringen zur Weiterleitung an die zuständige Stelle spätestens am letzten Tage der Einbringungsfrist zur Post gibt oder das fristgebundene Ansuchen bis zu diesem Zeitpunkt bei der zuständigen Stelle einlangt (vgl. die bei E 30 ff zu § 6 AVG in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), wiedergegebene Judikatur, ebenso wie etwa das hg. Erkenntnis vom 16. September 1997, 97/05/0145, oder den hg. Beschluß vom 19. November 1997, 97/09/0306).

Für den gemäß § 71 Abs. 2 AVG fristgebundenen Wiedereinsetzungsantrag gilt nichts anderes. Die in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, es sei der Beschwerdeführerin im Geltungsbereich der Rechtslage zum Zeitpunkt der Einbringung ihres Wiedereinsetzungsantrages bei der belangten Behörde ein Wahlrecht dahin zugestanden, den Wiedereinsetzungsantrag bei der Erstbehörde oder bei der Berufungsbehörde einzubringen, ist mit der Rechtslage nicht in Einklang zu bringen. Dies wird deutlich schon durch den Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Bestimmung des § 63 Abs. 5 AVG, welche aber - in welcher ihrer Fassungen immer - die Frist zur Erhebung der Berufung und nicht jene zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages geregelt hat und regelt. Für eine Erstreckung des in § 63 Abs. 5 AVG in seiner durch das Bundesgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, gestalteten Fassung eingeräumten Einbringungswahlrechtes und der durch die Bestimmung in ihrer durch die Novelle BGBl. Nr. 471/1995 gestalteten Fassung normierten Fristwahrungsfiktion auf den Fall der Einbringung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 AVG fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage, die den Eintritt der aus den Bestimmungen des § 71 Abs. 4 AVG (vgl. die oben wiedergegebenen Ausführungen des hg. Erkenntnisses vom 17. Jänner 1997, 94/07/0114) und des § 6 Abs. 1 AVG zwangsläufig resultierenden Rechtsfolgen hindern könnte.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wiedereinsetzungsantrag bei einer Behörde eingebracht, die zu dessen Erledigung aus den Gründen des bereits mehrfach genannten Vorerkenntnisses nicht zuständig war. Die im Gefolge des genannten Erkenntnisses bewirkte Weiterleitung des Wiedereinsetzungsantrages an die zu seiner Erledigung zuständige AB führte im Grunde des § 6 Abs. 1 AVG zu einem Einlangen des Wiedereinsetzungsantrages Jahre nach Ablauf der in § 71 Abs. 2 AVG normierten Frist. Die Zurückweisung dieses Wiedereinsetzungsantrages erwies sich damit als unvermeidlich.

Dem in der Beschwerde dargestellten Verfahrensmangel fehlte jede Relevanz. Er lag auch nicht vor, weil zu einem Bescheidentwurf Parteiengehör nicht gewährt zu werden braucht.

Da der Inhalt der Beschwerde somit schon erkennen ließ, daß die von der Beschwerdeführerin gerügte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war ihre Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am 29. Oktober 1998

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