VwGH 97/12/0341

VwGH97/12/034122.4.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des R in G, vertreten durch Dr. Bernhard Grillitsch, Rechtsanwalt in Graz, Schiffgasse 6/I, gegen den Bescheid der Beschwerdekommission in Beschreibungsangelegenheiten der Landeshauptstadt Graz vom 6. August 1997, Zl. Präs. K-152/1984-432, betreffend Dienstbeschreibung für das Kalenderjahr 1995, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
DGO Graz 1957 §18 Abs1;
DGO Graz 1957 §18 Abs2;
DGO Graz 1957 §18 Abs6;
DGO Graz 1957 §18 Abs7;
VwGG §34 Abs1;
AVG §56;
DGO Graz 1957 §18 Abs1;
DGO Graz 1957 §18 Abs2;
DGO Graz 1957 §18 Abs6;
DGO Graz 1957 §18 Abs7;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Stadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Beamter in handwerklicher Verwendung (Betriebsoberoffizial) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Graz. Er ist als Hausarbeiter im Geriatrischen Krankenhaus der Stadt Graz tätig. Seine letzte vor dem angefochtenen Bescheid erfolgte Dienstbeurteilung vom 11. März 1992 lautete auf "gut".

Die Beschreibungskommission - Senat IV beurteilte mit Datum vom 21. März 1996 in der "ao Dienstbeschreibung 1995" die Dienstleistung des Beschwerdeführers mit "Minder entsprechend". Die Dienstbeschreibung geht auf den Formularantrag seiner unmittelbaren Vorgesetzten vom 23. November 1995 zurück, den diese näher in einem Begleitschreiben begründet hatte.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, da seiner Meinung nach seine Dienstleistung ungerecht beurteilt worden sei.

In der von der belangten Behörde am 25. März 1997 durchgeführten Verhandlung wurden die unmittelbare Vorgesetzte, der Verwalter sowie zwei weitere Mitarbeiter und der Beschwerdeführer einvernommen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6. August 1997 gab die belangte Behörde der Beschwerde des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 18 Abs. 2 und 7 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. Nr. 30/1957 (im folgenden DO) nicht statt und bestätigte die Dienstbeurteilung für das Jahr 1995 mit "minder entsprechend". Sie begründete dies im wesentlichen damit, im Verfahren vor der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer ausgeführt, er habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Seiner Meinung nach sei die Abwertung der Dienstbeurteilung darauf zurückzuführen, daß er seiner Vorgesetzten "nicht zu Gesicht stehe" (wörtliches Zitat aus dem Protokoll vom 25. März 1997). Er habe die Alkoholprobleme in Abrede gestellt; er lasse sich nichts zuschulden kommen, wenn er im Dienst sei. Die unmittelbare Vorgesetzte des Beschwerdeführers habe ihre Bemerkungen bezüglich der Dienstbeschreibung 1995 dahingehend erläutert, daß der Beschwerdeführer gesundheitliche Probleme habe, die zu vermehrten Krankenständen geführt hätten (Krankenstände: 1990 bis 1995 ca. 800 Tage). Ebenso bestehe Grund zur Annahme, daß Nachwirkungen von Alkoholisierung in der Freizeit dazu beigetragen hätten. Die Willigkeit des Beschwerdeführers ließe auch zu wünschen übrig. Er zeige relativ wenig Bereitschaft, selbständig zu arbeiten, sondern warte darauf, was ihm aufgetragen werde. Hinsichtlich der Alkoholprobleme werde auf eine Meldung vom 23. August 1995 durch den Verwalter verwiesen, in welcher festgehalten worden sei, daß dieser den Beschwerdeführer auf Grund von Alkoholkonsum nach Hause habe schicken müssen, weil dieser nicht mehr einsetzbar gewesen sei. Nach der Wiedergabe des § 18 Abs. 2 DO kam die belangte Behörde zum Ergebnis, sie habe auf Grund des durchgeführten Verfahrens nicht den Eindruck gewonnen, daß die vom Beschwerdeführer im Jahre 1995 erbrachten Leistungen mit "gut" zu beurteilen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 18 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. Nr. 30/1957 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 26/1961 - dessen Abs. 3 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 26/1980 - lautet auszugsweise:

"(1) Die Dienstleistungen der Beamten sind in Dienstbeschreibungen zu beurteilen.

(2) Die Beurteilung hat auf "ausgezeichnet" zu lauten, wenn der Beamte außergewöhnlich hervorragende Leistungen aufweist, auf "sehr gut", wenn seine Leistungen überdurchschnittlich sind, auf "gut", wenn er den Anforderungen des Dienstes vollkommen entspricht, auf "minder entsprechend", wenn er den Anforderungen des Dienstes nur zeitweise entspricht oder zwar Leistungen im unerläßlichen Mindestmaß aufweist, ohne jedoch das Durchschnittsmaß zu erreichen, und auf "nicht entsprechend", wenn er den Anforderungen des Dienstes nicht im unerläßlichen Mindestmaß entspricht.

(3) Beamte, die zur Probe angestellt sind, sind alljährlich zu beurteilen, definitiv angestellte Beamte sind mit Ablauf des der Definitivstellung folgenden Kalenderjahres zu beurteilen. Diese Beurteilung bzw. die jeweils letzte Beurteilung bleibt, sofern sie nicht auf "minder entsprechend" oder "nicht entsprechend" lautet, so lange aufrecht, bis eine neue Beurteilung über Antrag des Vorstandes bzw. Leiters der Dienststelle oder des Beamten erfolgt. Der Antrag auf eine neue Beurteilung kann gestellt werden, wenn eine andere als die letzte, mindestens ein Kalenderjahr zurückliegende Gesamtbeurteilung angemessen wäre. Die neue Beurteilung hat innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung zu erfolgen. Lautet die Dienstbeschreibung auf "minder entsprechend" oder "nicht entsprechend", so ist der Beamte alljährlich zu beurteilen.

...

(6) Der Beamte ist von der durch den Bürgermeister bzw. durch die Beschreibungskommission vorgenommenen Beurteilung schriftlich in Kenntnis zu setzen. Gegen die Beurteilung kann der Beamte innerhalb von 2 Wochen nach deren Bekanntgabe schriftlich Beschwerde erheben. Die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.

(7) Über die Beschwerde entscheidet die Beschwerdekommission in Beschreibungsangelegenheiten. ...

(8) Wird ein Beamter als "minder entsprechend" oder "nicht entsprechend" beschrieben, so wird hiedurch die laufende Frist für die Vorrückung in höhere Bezüge so lange gehemmt, als diese Beurteilung zu Recht besteht. Wird der Beamte in

2 aufeinanderfolgenden Jahren als "minder entsprechend" oder "nicht entsprechend" beschrieben, so kann ..."

Der Beschwerdeführer bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, im Rahmen der Beurteilung der Dienstleistungen seien gesundheitliche Probleme nicht zu berücksichtigen. Ihm könne nicht angelastet werden, daß er auf Grund seiner körperlichen Disposition und häufiger gesundheitlicher Beeinträchtigungen gezwungen sei, den Dienst zu unterbrechen, um häufig "Krankenstände" in Anspruch zu nehmen. In der Zwischenzeit sei der Beschwerdeführer auf Grund einer dauernden Funktionsbeeinträchtigung durch Gesundheitsschädigungen (insbesondere Spondylopathie mit neurologischen Ausfällen sowie einer Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes nach Operation eines Rotatorenmanschettenrisses) im Ausmaß von 60 % als begünstigt im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes anerkannt worden. Zwischen seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und seiner Tätigkeit als Hausarbeiter bestehe ein Zusammenhang. Insbesondere sei er immer wieder gezwungen, Lasten zu heben und zu transportieren. Dies trage nicht dazu bei, seinen Gesundheitszustand zu verbessern. Trotz seiner Invalidität sei er stets bemüht gewesen, die ihm übertragenen Aufgaben - soweit ihm dies körperlich möglich gewesen sei - zu verrichten. Seitens des Dienstgebers sei bisher auf seine Behinderung nicht ausreichend Bedacht genommen worden. Die belangte Behörde hätte weitere Ermittlungen über die Ursachen der vermehrten Krankenstände anstellen müssen: Nur dann wäre sie imstande gewesen zu beurteilen, ob die "Willigkeit" des Beschwerdeführers "zu wünschen übrig lasse". Es fehle auch jegliche Konkretisierung, worin denn seine angeblich mangelnde Willigkeit bestanden habe, welche Leistungen er nur widerwillig oder nicht in ausreichendem Maß erbracht habe. Der Beschwerdeführer sei bezüglich des Vorfalles vom 23. August 1995 mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission vom 4. März 1996 freigesprochen worden, weil dieser Vorwurf nicht habe bewiesen werden können. Die belangte Behörde hätte daher diesen den Tatsachen widersprechenden Vorwurf nicht heranziehen dürfen. Auch sei die Begründung "ebenso bestehe auch Grund zur Annahme, daß Nachwirkungen von Alkoholisierungen in der Freizeit dazu (Anmerkung: zu vermehrten Krankenständen) beigetragen haben" keinesfalls ausreichend, um die getroffene Dienstbeurteilung zu tragen. Bei der Dienstbeurteilung sei von Tatsachen, nicht von irgendwelchen Annahmen auszugehen. Die seitens der belangten Behörde getroffenen Feststellungen seien daher unrichtig bzw. unvollständig geblieben. Die belangte Behörde hätte auch das Ergebnis des Disziplinarverfahrens vor der Disziplinarkommission sowie seine Aussagen berücksichtigen und sich zumindest damit auseinandersetzen müssen.

Die Beschwerde ist berechtigt.

Die Grazer DO folgt bezüglich der Dienstbeschreibung weitgehend der Dienstpragmatik, RGBl. Nr. 15/1914. Die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts haben die Qualifikationskommissionen, die nach der Dienstpragmatik eingerichtet waren, als Verwaltungsbehörden und die von ihnen erstellten Qualifikationen als Bescheide angesehen (vgl. dazu z. B. das zur Grazer Dienstordnung ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1992, G 117/92, und die dort zitierte Vorjudikatur sowie das hg. Erkenntnis vom 6. September 1995, 95/12/0120).

Daß die Dienstbeurteilung in Bescheidform vorzunehmen ist, folgt auch aus der Beschwerdemöglichkeit nach § 18 Abs. 6 zweiter Satz DO, der dieser Beschwerde zukommenden aufschiebenden Wirkung (dritter Satz dieser Bestimmung) und der Entscheidung über diese "Beschwerde" durch die "Beschwerdekommission in Beschreibungsangelegenheiten" in Verbindung mit der Anwendung verfahrensrechtlicher Grundsätze (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. September 1997, 96/12/0200, und das zum Oberösterreichischen Statutargemeindebeamtengesetz ergangene hg. Erkenntnis vom 19. März 1997, 96/12/0267).

Im Beschwerdefall hat die Beschreibungskommission über die Dienstbeurteilung des Beschwerdeführers für das Kalenderjahr 1995 wie folgt abgesprochen:

"Die Beschreibungskommission - Senat IV hat mit Beschluß vom heutigen Tage aufgrund der Bestimmungen des § 18 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl 30/1957, i.d.g.F., Ihre Dienstleistung mit

Minder entsprechend

beurteilt.

Hievon werden Sie mit dem Beifügen in Kenntnis gesetzt, daß Sie nach den Bestimmungen des § 18 Abs. 6 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz gegen die Beurteilung innerhalb von zwei Wochen nach deren Bekanntgabe schriftlich Beschwerde erheben können. Eine rechtzeitig eingebrachte Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.

Eine allfällige Beschwerde wäre im Dienstwege einzubringen; über sie entscheidet die Beschwerdekommission in Beschreibungsangelegenheiten."

Die Erledigung ist vom Vorsitzenden (noch) leserlich unterschrieben und wegen ihres zweifelsfrei erfolgten normativen Abspruches - ungeachtet des Fehlens der Bescheidbezeichnung (vgl. dazu den Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. N.F. Nr. 9458/A) - als Bescheid zu werten. Diesem Bescheid mangelt aber jede Sachverhaltsfeststellung und eine entsprechende Begründung, die jedoch von der belangten Behörde im Rahmen des Berufungsverfahrens hätte nachgeholt werden können.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid diesen Mangel aber nicht saniert. Mit der Dienstbeurteilung sind die Dienstleistungen des Beamten zu beurteilen, was deren umfassende Feststellung und Inbeziehungsetzen zu den ihm übertragenen Aufgaben voraussetzt (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 17. September 1997, 96/12/0200). Im Beschwerdefall hat sich die belangte Behörde bloß damit begnügt, die einander widersprechenden Aussagen des Beschwerdeführers und seiner unmittelbaren Vorgesetzten aus der Verhandlung vom 25. März 1997 wiederzugeben, ohne im Rahmen der freien Beweiswürdigung klarzustellen, von welchem maßgebenden Sachverhalt sie ausgeht und auf Grund welcher rechtlicher Überlegungen sie zu ihrer Dienstbeurteilung kommt. So ist z.B. unklar geblieben, ob die belangte Behörde die vermehrten Krankenstände des Beschwerdeführers, bei denen im übrigen auch Zeiträume außerhalb des Beurteilungsjahres 1995 erfaßt wurden, als ein für die Dienstbeurteilung maßgebendes Kriterium angesehen hat. Träfe dies zu, wäre dies rechtlich verfehlt, weil die Dienstbeschreibung nach der DO der Beurteilung der Leistung des Beamten dienen soll. Krankenstände sind - jedenfalls sofern sie gerechtfertigt sind - für die Dienstbeurteilung nicht heranzuziehen. Die Dienstbeurteilung ist auch kein nach der Rechtsordnung vorgesehenes Mittel zur Verfolgung erzieherischer oder generalpräventiver Zwecke. Der Hinweis, daß die Krankenstände (jedenfalls zum Teil) die Folge von Alkoholisierung in der Freizeit gewesen seien, geht über eine bloße Vermutung nicht hinaus und ist nicht näher konkretisiert. Letzteres gilt auch für die kritisierte mangelnde Bereitschaft des Beschwerdeführers zu selbständiger Arbeit. Was den Vorfall vom 23. August 1995 (Eintritt der Dienstunfähigkeit während des Dienstes wegen Alkoholisierung) betrifft, hat ihn der Beschwerdeführer im Verfahren vor der belangten Behörde bestritten. Deshalb und auch in Verbindung mit der Tatsache, daß der Beschwerdeführer wegen des sachgleichen Vorwurfes mit Bescheid der Disziplinarkommission vom 4. März 1996 freigesprochen worden war, hätte die belangte Behörde bei Verwertung dieses Umstandes näher dartun müssen, warum sie von diesem Sachverhalt ausgeht.

Der angefochtene Bescheid ist solcherart bereits von Anfang an mit so schwerwiegenden Verfahrensmängeln belastet, daß der Verwaltungsgerichtshof seiner Aufgabe der Prüfung der inhaltlichen Rechtmäßigkeit nicht nachkommen konnte; er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und 49 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

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