VwGH 97/11/0288

VwGH97/11/028820.1.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des H in L, vertreten durch Dr. Erich Holzinger, Rechtsanwalt in Liezen, Rathausplatz 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 4. August 1997, Zl. 11-39 Ho 14-96, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.220,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B vorübergehend für die Dauer von fünf Monaten ab Rechtskraft des Bescheides entzogen. Der angefochtene Bescheid wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers am 27. August 1997 zugestellt, sodaß die Entziehungszeit am 27. Jänner 1998 endet.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer am 21. Jänner 1996 einen Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, dabei einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verschuldet und weder die nächste Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall noch den Straßenerhalter von den Beschädigungen verständigt habe. Er sei deshalb wegen Verwaltungsübertretungen gemäß § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960, § 31 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 2 lit. e StVO 1960 und § 4 Abs. 1 lit. b und c in Verbindung mit § 99 Abs. 2 lit. a StVO 1960 rechtskräftig bestraft worden. Das Verhalten des Beschwerdeführers stelle eine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 KFG 1967 dar. Die Erstbehörde sei berechtigt gewesen, beim Beschwerdeführer einen Mangel der Verkehrszuverlässigkeit anzunehmen. Die verfügte Entziehungszeit sei angemessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der belangten Behörde wurde mit Berichterverfügung vom 16. Oktober 1997 unter Hinweis auf die hg. Rechtsprechung (u.a. die Erkenntnisse vom 22. Mai 1990, Zl. 90/11/0022, vom 16. April 1991, Zl. 90/11/0161, vom 22. Oktober 1991, Zl. 91/11/0033, und vom 1. Dezember 1992, Zl. 92/11/0155, mwN) vorgehalten, die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Annahme, der Beschwerdeführer sei bis 27. Jänner 1998, also mehr als zwei Jahre ab dem am 21. Jänner 1996 begangenen, eine bestimmte Tatsache darstellenden Alkoholdelikt verkehrsunzuverlässig, sei im Hinblick darauf, daß es sich um das erste Alkoholdelikt handle, rechtswidrig. Gemäß § 35 Abs. 2 VwGG wurde der belangten Behörde Gelegenheit gegeben, sich binnen zwei Wochen zu äußern.

Die belangte Behörde verwies in ihrer Stellungnahme vom 10. November 1997 darauf, daß nicht nur von einem Alkoholdelikt, sondern auch von einem vom Beschwerdeführer verschuldeten Verkehrsunfall und von Fahrerflucht ausgegangen werden müsse. Es liege zweifellos eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 KFG 1967 vor. Im Hinblick auf die Aussetzung des Berufungsverfahrens bis zum Abschluß des Verwaltungsstrafverfahrens sei bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides eine lange Zeit verstrichen, doch könne es nicht Absicht des Gesetzgebers gewesen sein, wegen des "inzwischen vorliegenden Zeitablaufes den angefochtenen Bescheid beheben zu müssen".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Äußerung vom 10. November 1997 sind nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Daß der Beschwerdeführer einen Verkehrsunfall verschuldet hat, rechtfertigt nicht die Annahme, er sei mehr als zwei Jahre ab der am 21. Jänner 1996 begangenen Tat verkehrsunzuverlässig. Hätte der Beschwerdeführer keinen Verkehrsunfall verschuldet, wäre gemäß § 73 Abs. 3 KFG 1967 von vornherein nur eine Entziehungszeit von vier Wochen in Frage gekommen.

Die seit der Straftat verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit fallen im Rahmen der Wertung gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 zugunsten des Beschwerdeführers entscheidend ins Gewicht. Da die Erstbehörde einer Berufung gegen ihren Bescheid nicht gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt hat, war der Beschwerdeführer bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides - somit mehr als eineinhalb Jahre seit der Tat - im Besitz der Lenkerberechtigung, in welcher Zeit er sich - ausgehend vom Inhalt des angefochtenen Bescheides und der Äußerung der belangten Behörde vom 10. November 1997 - wohlverhalten hat. Das dem Beschwerdeführer zur Last liegende Fehlverhalten rechtfertigte allenfalls noch im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom 17. September 1996 die Annahme, der Beschwerdeführer sei verkehrsunzuverlässig und werde die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von drei Monaten wiedererlangen. Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Annahme, der Beschwerdeführer sei darüber hinaus noch mehr als ein weiteres Jahr verkehrsunzuverlässig, ist jedoch rechtswidrig.

Soweit die belangte Behörde in ihrer Äußerung meint, die Dauer des Verfahrens könne nicht dazu führen, daß eine Entziehungsmaßnahme zu unterbleiben habe, setzt sie sich über den Inhalt des § 66 Abs. 3 KFG 1967 hinweg, wonach bei strafbaren Handlungen zu den Wertungskriterien die seit der Tat verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit gehören, und verkennt sie das Wesen der Entziehung der Lenkerberechtigung, die keine Strafe sondern eine dem Interesse der Verkehrssicherheit dienende administrative Maßnahme darstellt.

Da sich nach dem Gesagten bereits aus dem angefochtenen Bescheid ergibt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung vorliegt, und das Vorbringen der belangten Behörde in ihrer Äußerung vom 10. November 1997 nicht geeignet ist, das Vorliegen dieser Rechtsverletzung als nicht gegeben erkennen zu lassen, war der angefochtene Bescheid gemäß § 35 Abs. 2 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1997.

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