VwGH 97/11/0217

VwGH97/11/021720.1.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in Wien IX, Nussdorferstraße 10-12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3. Juli 1997, Zl. MA 65-8/332/97, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §66 Abs2;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §66 Abs2;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §73 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 74 Abs. 1 und § 73 Abs. 2 KFG 1967 die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers für Kraftfahrzeuge der Gruppe B für die Dauer von 15 Monaten (von der Zustellung des Erstbescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 16. April 1997 am 24. April 1997 an bis 24. Juli 1998) vorübergehend entzogen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Grund für die bekämpfte Entziehungsmaßnahme war, daß der Beschwerdeführer am 15. April 1996 einen Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang verschuldet hat, indem er mit dem von ihm gelenkten Lkw unter besonders gefährlichen Verhältnissen (fortgeschrittene Abenddämmerung, überhöhte Geschwindigkeit, Gegenverkehr) einen Überholvorgang durchgeführt habe und mit einem entgegenkommenden Kraftfahrzeug frontal zusammengestoßen sei. Er wurde deswegen mit Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 5. März 1997 wegen Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen gemäß § 81 Z. 1 StGB für schuldig erkannt und zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Darin erblickte die belangte Behörde eine bestimmte, die Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers ausschließende Tatsache im Sinne des § 66 KFG 1967, "auch wenn dieser Tatbestand nicht in der demonstrativen Aufzählung des § 66 Abs. 2 KFG 1967 enthalten ist".

Die Annahme der belangten Behörde, es liege eine bestimmte Tatsache vor, die die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers indiziere, ist zutreffend. Dabei kann dahinstehen, ob dies in Ergänzung der demonstrativen Aufzählung des § 66 Abs. 2 KFG 1967 durch strafbare Handlungen von gleichem Gewicht angenommen wird - wie es die belangte Behörde tut - oder ob eine bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 vorliegt; die Übertretungen von Verkehrsvorschriften (Überholverbot, Geschwindigkeitsüberschreitung) unter den vom Gericht angenommenen besonders gefährlichen Verhältnissen würden dies erlauben.

Das Vorliegen einer bestimmten Tatsache allein berechtigt die Kraftfahrbehörde noch nicht zum Ausspruch einer Entziehungsmaßnahme. Vielmehr bedarf es dazu auch der Wertung der Tat nach den Kriterien des § 66 Abs. 3 KFG 1967 (vgl. dazu sowie zum folgenden das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1996, Zl. 95/11/0416, welches entgegen der Auffassung der belangten Behörde sehr wohl zu einem im wesentlichen gleichgelagerten Fall ergangen ist).

Das Verhalten des Beschwerdeführers war zwar verwerflich und gefährlich. Die belangte Behörde hat aber zu Unrecht dem Umstand, daß der Beschwerdeführer nach seiner von der belangten Behörde unwidersprochen gebliebenen Behauptung bis zu dem gegenständlichen Vorfall unbescholten war und daß er keine verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen aufweist, keine maßgebliche Bedeutung zugemessen. Der in Rede stehende Umstand zeigt zumindest, daß vom Beschwerdeführer als einem Berufskraftfahrer nicht ohne weiteres gesagt werden kann, daß seine Sinnesart "der vom Lenker eines Kraftfahrzeuges zu

erwartenden ... geradezu zuwiderläuft". Nach Lage der Dinge

handelt es sich offenbar um ein einmaliges Fehlverhalten, welches für die Beurteilung der Sinnesart des Beschwerdeführers nicht signifikant ist. Dieser im Zusammenhang mit dem Wertungskriterium der Verwerflichkeit beachtliche Umstand kommt auch in Ansehung des Wertungskriteriums der seit der Tat verstrichenen Zeit und des Verhaltens während dieser Zeit zum Tragen. Der Vorfall ereignete sich am 15. Februar 1996; die Erstbehörde entzog dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung mit Bescheid vom 16. April 1997 (zugestellt am 24. April 1997). Der Beschwerdeführer war demnach nach der Tat noch rund 14 Monate im Besitz der Lenkerberechtigung, ohne daß er - wie schon vor dem Unfall - im Verkehr oder sonst in einschlägiger Weise auffällig geworden wäre. Dabei ist zu beachten, daß ihm wohl die Anhängigkeit des gerichtlichen Strafverfahrens, nicht aber auch die eines Entziehungsverfahrens bewußt war.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich zu dem Hinweis darauf veranlaßt, daß eine Entziehung der Lenkerberechtigung der in Rede stehenden Art keine Strafe ist sowie daß es im gegebenen Zusammenhang auf das Ausmaß der Unfallsfolgen nicht ankommt.

Bei einer dem Gesetz entsprechenden Wertung im Sinne des § 66 Abs. 3 KFG 1967 hätte die belangte Behörde nicht zu dem Ergebnis kommen dürfen, der Beschwerdeführer sei im Hinblick auf den Vorfall vom 15. Februar 1996 (noch immer) verkehrsunzuverlässig gewesen. Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 1 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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