Normen
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
KFG 1967 §66 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §74 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1;
VStG §2 Abs1;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
KFG 1967 §66 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §74 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1;
VStG §2 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B vorübergehend für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, sohin für die Zeit vom 26. Juli 1995 bis 26. Jänner 1996, entzogen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, aus dem Strafakt des Amtsgerichtes Laufen (Bundesrepublik Deutschland) ergebe sich, daß der Beschwerdeführer am 10. Februar 1994 gegen 21.00 Uhr auf einer näher bezeichneten Straße einen Kleinbus in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Dabei sei er auf die linke Fahrbahnseite geraten und mit einem entgegenkommenden Pkw zusammengestoßen. Die beiden Insassen dieses Pkw"s seien tödlich verletzt worden. Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Amtsgerichtes Laufen rechtskräftig des Vergehens der fahrlässigen Tötung in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr und vier Monaten verurteilt worden. Weiters sei ihm die Fahrerlaubnis für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für die Dauer von 13 Monaten entzogen worden. Nach dem Urteil sei die Nichtanpassung der Geschwindigkeit an die zur Unfallszeit bestehenden Straßenverhältnisse (glatte Fahrbahn) nicht von vornherein als alkoholtypischer Fahrfehler einzustufen. Der Beschwerdeführer sei nach dem Unfall äußerlich nicht merkbar unter Alkoholeinfluß gestanden.
Das Lenken eines Fahrzeuges mit einem Blutalkoholgehalt von 0,8 %o oder darüber stelle nach inländischem Recht eine Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO 1960 dar. Die Begehung einer derartigen Verwaltungsübertretung sei eine die Verkehrsunzuverlässigkeit indizierende bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Abs. 2 lit. e KFG 1967. Für die Begründung eines Mangels der Verkehrszuverlässigkeit kämen auch im Ausland begangene Alkoholdelikte in Betracht, wenn sie dem Unrechtsgehalt nach im Inland begangenen Alkoholdelikten gleichzuhalten seien. Dies sei der Fall, wenn ein Kraftfahrzeug im Ausland in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand mit einem Blutalkoholgehalt von 0,8 %o oder darüber gelenkt werde. Bei der Beurteilung des Ausmaßes des Verkehrsunzuverlässigkeit komme es auf die Unfallfolgen nicht an. Entscheidend sei das zum Unfall führende Fehlverhalten im Straßenverkehr, wobei insbesondere auf die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen der Täter gehandelt habe, Bedacht zu nehmen sei. Gerate ein Fahrzeug wegen Nichtanpassung der Geschwindigkeit an die zur Tatzeit herrschenden Straßenverhältnisse bei Gegenverkehr auf die linke Fahrbahnhälfte und komme es deshalb zu einem Verkehrsunfall mit Todesfolge, "so fällt diese Beurteilung weitgehend zum Nachteil des Täters aus".
Die nach dem Unfall um 22.05 Uhr vorgenommene Atemluftuntersuchung habe ein Ergebnis erbracht, das einem Blutalkoholgehalt von 1,02 %o entspreche. Die um 23.20 Uhr vorgenommene Blutprobe habe einen Blutalkoholgehalt von 0,8 %o ergeben. Damit erweise sich die Annahme als gerechtfertigt, daß sich der Beschwerdeführer zur Unfallszeit in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Aus dem Urteil des Amtsgerichtes Laufen ergebe sich zudem, daß der Beschwerdeführer infolge Einhaltung einer relativ überhöhten Geschwindigkeit einen Verkehrsunfall mit Todesfolge verschuldet habe.
Hinsichtlich der Entziehungszeit sei zu berücksichtigen, daß die unterbliebene Bestrafung des Beschwerdeführers wegen der fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung nach § 315c I Nr. 1a des deutschen StGB und die hiefür maßgeblichen Erwägungen des Amtsgerichtes Laufen Begleitumstände aufzeigten, die zugunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen seien. Bedenke man, daß die Behörde erster Instanz die Entziehung der Lenkerberechtigung erst ca. 1 1/2 Jahre nach dem Vorfall vom 10. Februar 1994 ausgesprochen habe und sonstige zum Nachteil des Beschwerdeführers sprechende Fakten nicht vorlägen, sei die Verkehrsunzuverlässigkeit nur für die Dauer von sechs Monaten anzunehmen, weshalb die von der Erstbehörde verfügte Entziehungszeit von 15 Monaten (ab Ablieferung des Führerscheines) auf die Dauer von 6 Monaten (ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides) herabzusetzen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gegen die Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe in der Bundesrepublik Deutschland ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall verschuldet, bei dem zwei Personen tödlich verletzt worden sind, bestehen nach der Aktenlage keine Bedenken.
Der Beschwerdeführer macht diesbezüglich als Verfahrensmangel geltend, die Behörde hätte ihm den Inhalt des vom Amtsgericht Laufen (in Ablichtung) beigeschafften Aktes zur Kenntnis bringen müssen. Im Falle der Wahrung des Parteiengehörs hätte er Gelegenheit gehabt, die vom Amtsgericht Laufen durchgeführten Erhebungen zu überprüfen, um insbesondere zu klären, ob die im Strafakt enthaltenen Alkoholmeßergebnisse dem Gesetz entsprechend erlangt bzw. verwertet worden seien. Wenn dies nämlich nicht der Fall gewesen wäre, hätten sie auch im Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung nicht verwertet werden dürfen.
Diesen Ausführungen des Beschwerdeführers ist zu erwidern, daß sie nicht erkennen lassen, welche Umstände der Beschwerdeführer bei Gewährung des von ihm vermißten Parteiengehörs zum Inhalt des Strafaktes aufgezeigt hätte, die zu einem anderen Bescheid hätten führen können. Der Beschwerdeführer hat damit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan. Er hat außerdem im Strafverfahren vor dem Amtsgericht Laufen weder seine Alkoholisierung - insbesondere auch nicht die Rechtmäßigkeit der Erlangung der Alkoholmeßergebnisse - noch den Unfallhergang bestritten. Er war bei der am 12. Juli 1994 vor dem Amtsgericht Laufen durchgeführten Hauptverhandlung gemeinsam mit seinem Verteidiger anwesend, sodaß ihm der wesentliche Inhalt des Strafverfahrens ohnedies bekannt war.
Die belangte Behörde hat mit Recht unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 28. März 1989, Slg. Nr. 12890/A, die Auffassung vertreten, daß das dem Beschwerdeführer zur Last liegende Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand als bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 1 KFG 1967 anzusehen sei, auch wenn infolge Begehung im Ausland keine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 vorliege. Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers wäre es daher verfehlt gewesen, hätte die belangte Behörde im Spruch ihres Bescheides als angewendete Vorschrift § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 zitiert.
Der angefochtene Bescheid erweist sich jedoch aus folgenden Gründen als rechtswidrig:
Das Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 66 Abs. 1 KFG 1967 allein berechtigt die Kraftfahrbehörde noch nicht zum Ausspruch einer Entziehungsmaßnahme nach § 73 Abs. 1 oder § 74 Abs. 1 leg. cit. Vielmehr bedarf es dazu wie auch zur Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 noch der Wertung der Tat nach den Kriterien des § 66 Abs. 3 leg. cit. Zu beachten ist dabei ferner, daß eine Entziehungsmaßnahme nach den genannten beiden Gesetzesstellen nur dann zulässig ist, wenn für die Behörde auf Grund der Sach- und Rechtslage bei Erlassung ihres Bescheides die Annahme begründet ist, die betreffende Person sei auch noch in diesem Zeitpunkt verkehrsunzuverlässig und ihre Verkehrszuverlässigkeit werde voraussichtlich nicht vor Ablauf von drei Monaten eintreten. Dabei ist für die Berufungsbehörde, soweit sie in Ausübung der Kontrollfunktion tätig wird, der Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides maßgebend (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1992, Zl. 91/11/0080, mwN). Im vorliegenden Fall ist somit entscheidend, ob diese Voraussetzung bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vorlag. Dies ist nicht der Fall.
Das Verhalten des Beschwerdeführers vom 10. Februar 1994 war zwar verwerflich und gefährlich, ohne daß allerdings besonders gefährliche Verhältnisse (im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967) vorlagen. Ursächlich für den Unfall war, daß das vom Beschwerdeführer gelenkte Kraftfahrzeug infolge relativ überhöhter Geschwindigkeit auf einer gerade verlaufenden Freilandstraße bei Schneematsch ins Schleudern kam. Auf die - im vorliegenden Fall gravierenden - Unfallfolgen kommt es im gegebenen Zusammenhang nicht an. Zugunsten des Beschwerdeführers fällt nach der Aktenlage entscheidend ins Gewicht, daß er von der Begehung der Tat bis zum Beginn der Entziehungsmaßnahme, sohin fast 1 1/2 Jahre lang sich wohlverhalten hat, wobei er von der Einleitung des gegenständlichen Entziehungsverfahrens erst durch die Zustellung der Ladung vom 28. November 1994 Kenntnis erlangt hat. Zugunsten des Beschwerdeführers, der seit 1975 im Besitz einer Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B ist, fällt außerdem ins Gewicht, daß er mit Ausnahme der am 10. Februar 1994 begangenen Tat völlig unbescholten ist. Dieser Umstand ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von besonderem Gewicht (siehe auch dazu das oben zitierte Erkenntnis vom 21. Jänner 1992, mwN). In Anbetracht dieser Umstände erweist sich die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Prognose, der Beschwerdeführer werde erst am 27. Jänner 1996, sohin fast zwei Jahre nach der Tat seine Verkehrszuverlässigkeit wiedererlangen, als verfehlt.
Die belangte Behörde führt in ihrer Gegenschrift dazu aus, bezogen auf den Tatzeitpunkt sei ein Mangel der Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von 12 Monaten anzunehmen. Die bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides verstrichene Zeit von ca. 1 1/2 Jahren könne allerdings nur zu ca. 1/3 berücksichtigt werden, weshalb eine Entziehung der Lenkerberechtigung für die Dauer von 6 Monaten zu verfügen gewesen sei.
Diese Ausführungen überzeugen nicht, weil kein Grund erkennbar ist, die seit der Tat verstrichene Zeit, in der sich der Beschwerdeführer wohlverhalten hat, nur mit dem von der belangten Behörde angenommenen Bruchteil zu berücksichtigen, zumal außerdem das gegenständliche Entziehungsverfahren erst nach Verstreichen von mehr als der Hälfte dieser Zeit eingeleitet wurde.
Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. An Stempelgebührenersatz konnten dem Beschwerdeführer nur S 420,-- (S 360,-- Eingabengebühr für die Beschwerde und S 60,-- Beilagengebühr für eine Kopie des angefochtenen Bescheides) als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig zuerkannt werden.
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